„Merkel überzeugt mit einer großen Europa-Rede“ titelt „Die Welt“, ohne rot zu werden. Gemeint ist die Ansprache der Bundeskanzlerin in Davos. Die drei Autoren mussten allerdings einräumen, dass Merkels „große Rede“ und ihr angebliches „Comeback“ weitaus weniger Interesse weckte, als die des indischen Präsidenten Narendra Modi, aber dafür hätte die Kanzlerin „wesentlich mehr geboten“. Schauen wir mal, was Merkel geboten hat:
„Wir sehen, dass es nationale Egoismen gibt, wir sehen, dass es Populismus gibt. Wir sehen, dass in vielen Staaten eine polarisierende Atmosphäre herrscht und vielleicht ist das an vielen Stellen auch die Sorge, ob die multilaterale Kooperation wirklich in der Lage ist, ehrlich, fair die Probleme der Menschen zu lösen und ob es angesichts der großen technologischen Herausforderung der Digitalisierung der disruptiven Veränderungen gelingt, alle Menschen mitzunehmen, daran gibt es in allen Ländern Zweifel.
Das Land aus dem ich komme, in dem ich Bundeskanzlerin bin, hat Schwierigkeiten und hat diese Polarisierung im Land, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht hatten. Herausgefordert durch zwei Ereignisse, die im Grunde auch Ausdruck der Globalisierung sind – einmal durch die Eurokrise, die wir jetzt inzwischen gut bewältigt haben. Und dann durch die Herausforderung der Migration in den letzten Jahren.
Aber ich darf Ihnen sagen, Deutschland will, und das haben die Gespräche, die ich geführt habe und die ich jetzt führe zur Bildung einer Regierung, immer wieder gezeigt, Deutschland will ein Land sein, das auch in Zukunft seinen Beitrag leistet, um gemeinsam in der Welt die Probleme der Zukunft zu lösen.“
Den ersten Satz kann man noch so oft lesen, man kommt nicht dahinter, was uns die Kanzlerin eigentlich sagen will. Wer sind „wir“? Ist das ihr persönlicher Pluralis Majestatis? Sie redet von Staaten, in denen „eine polarisierende Atmosphäre herrscht“ und orakelt über eine ominöse „multilaterale Kooperation“, die „Digitalisierung der disruptiven Veränderungen“, von denen auch niemand wissen kann, was sie damit meint.
Im nächsten Satz verweist sie auf „diese Polarisierung“ in dem „Land, aus dem ich komme“, ohne die Polarisierung zu beschreiben und ihre Verantwortlichkeit zu benennen. Sie tut so, als sei die Polarisierung irgendwie vom Himmel gefallen, wie die Eurokrise und die Migration. Aber sie „darf“ dem Publikum sagen, dass Deutschland gedenke dazu beizutragen „in der Welt die Probleme der Zukunft zu lösen“. Eine Nummer kleiner geht’s nicht.
Merkel, die weder willens noch in der Lage ist, die Probleme Deutschlands, die sie an führender Stelle mit verursacht hat, zu lösen, gibt ihre Lieblingsrolle, die Weltretterin.
Außer Phrasen hat sie aber nichts zu bieten:
„..wir glauben, dass dann, wenn wir untereinander der Meinung sind, dass die Dinge nicht fair zugehen, dass die Mechanismen nicht reziprok sind, dass wir dann multilaterale Lösungswege suchen sollten und nicht unilaterale, die letztlich die Abschottung und den Protektionismus nur befördern.“
Sätze von dieser Qualität gibt es in der „großen Rede“ zuhauf:
„Die Frage, was kann ich jetzt noch verteilen und was investiere ich in die Zukunft, beschäftigt uns zum Teil sehr in unseren Gesprächen. Wir wissen, wenn wir das Wohlstandsversprechen für alle in der Zeit der Digitalisierung leisten wollen – auch für unsere Menschen in Deutschland – dann bedeutet das, wir brauchen eine soziale Marktwirtschaft 4.0, nicht nur eine Industrie 4.0.“
Soziale Marktwirtschaft 4.0 heißt also, denen, die den Wohlstand erarbeiten, soll noch mehr weggenommen werden. Da ist tatsächlich noch viel Spielraum nach oben.
Wenn Merkel ins Außenpolitische abschweift, hört sich das so an:
„Wir haben im Grunde die sunnitisch-schiitischen Konflikte vor unserer Haustür, wir haben den IS vor unserer Haustür, unser Nachbar ist Afrika – nur wenige Kilometer getrennt von den südlichen Teilen Europas. Syrien ist der Nachbar von Cypern. Das heißt, die Tatsache, dass Europa außenpolitisch nicht der aktivste Kontinent war, sondern wir uns oft auf die Vereinigten Staaten von Amerika verlassen haben – die sich aber jetzt auch mehr auf sich konzentrieren – muss uns dazu bringen zu sagen, wir müssen jetzt mehr Verantwortung übernehmen. [...] Wir sind mitverantwortlich für die Entwicklung des afrikanischen Kontinents, wir sind mitverantwortlich für die Frage, wie geht’s im Irak weiter. Wir sind mitverantwortlich für die Frage, wie geht es in Libyen weiter [...].“
Abgesehen von dem fatalen Irrtum, dass wir den IS nicht nur „vor unserer Haustür“, sondern mitten in Europa und speziell in Deutschland haben, wo durch die unkontrollierte Einwanderung mehr und mehr Terroristen einsickern, ist Merkels Rede ein Ausdruck von Kolonialismus 4.0. Der Gedanke, dass die Afrikaner für die Entwicklung ihres Kontinents verantwortlich sind und die Libyer entscheiden müssen, wie es mit ihrem Land weiter geht, ist Merkel offensichtlich fremd.
Dann hängt sie noch die altlinke These an, dass Europa schuld sei am gegenwärtigen Zustand Afrikas, als wären es nicht seit Jahrzehnten die mit westlichen Entwicklungsgeldern korrumpierten afrikanischen Eliten, die verantwortlich sind für die Entwicklung des Kontinents seit dem Rückzug der Kolonialstaaten.
Am Ende ihrer „großen Rede“ kam sie dann noch auf das Thema Rechtspopulismus. Rechtspopulismus sei, wenn der Eindruck entstünde, „andere würden auf unsere Kosten leben und uns etwas wegnehmen“. Wenn eine Million junge Männer in unsere Sozialsysteme einwandern, in die sie nie eingezahlt haben und vermutlich zum größten Teil auch nie einzahlen werden, wird natürlich niemandem etwas weggenommen, denn es handelt sich lediglich um ein Umverteilungsproblem. Wenn eine Million junge Männer auf Steuerzahlerkosten medizinisch versorgt werden, stabilisieren sie lediglich die Krankenkassen, jedenfalls wenn man glaubt, was in deutschen Medien so kolportiert wird. Und wenn diese eine Million junge Männer demnächst auch noch ihre Großfamilien nachholen dürfen, dann wird sich diese Zahl der Leistungsempfänger nochmals vervielfachen, und zwar dauerhaft und irreversibel.
Merkels „große Rede“ war zwar ein Produkt aus dem Bullshit-Generator, aber man muss sie dennoch ernst nehmen. Sie enthält eine Kampfansage an alle Bürger Deutschlands, die in wachsender Zahl der Politik ihrer Kanzlerin kritisch gegenüberstehen. Sie sind gemeint, wenn Merkel ankündigt, das „Gift“ Rechtspopulismus „unter Kontrolle zu bekommen“.
Zwei Tage nach Merkels Rede liegen in Davos derweil deutsche Spitzenmanager einem rechtspopulären amerikanischen Präsidenten zu Füssen. An der Seite von Siemens-Chef Joe Kaeser und SAP-Boss Bill McDermott hat US-Präsident Donald Trump am Donnerstag in Davos mit Unternehmern aus Europa zu Abend gegessen – und Lob geerntet. "Glückwunsch zur Steuerreform", sagte Kaeser. Angesichts der erfolgreichen Reform habe Siemens entschieden, eine neue Generation von Gasturbinen in den USA zu entwickeln.