Gestern war einer dieser Tage, von denen man im Nachhinein gerne sagt, sie seien groß gewesen. Gestern also war ein großer Tag. Wir, die deutschen Zuschauer, haben das Fußball-Länderspiel gegen die Niederlande mit drei zu null gewonnen und Angela Merkel hat auf dem Parteitag in Leipzig das Bad Godesberger Programm der CDU durchgesetzt. Wenn man jetzt noch wüsste, wer die V-Männer in der rechtsextremen Szene sind, und vor allem wessen V-Männer sie dort sind, wären, aus der Sicht der Beobachter der Innenpolitik, so gut wie alle Probleme gelöst.
Trotzdem sind wir nicht zufrieden. Wir können es gar nicht sein. Als Deutscher blickt man gerne in die Zukunft. Dort findet man jenen Abgrund, der der Gegenwart fehlt. Während Angela Merkel zur mächtigsten Parteivorsitzenden in der neueren Geschichte der Christdemokraten gewählt worden ist, fällt uns dazu nichts weiter ein, als die Feststellung, sie habe weit und breit keine Rivalen mehr. Und was das für die Zeit nach Merkel bedeuten könnte, beschäftigt uns wieder einmal mehr, als die Tatsache, dass sie nun mächtig genug ist, um ihre Regierung stabil zu halten.
Und das vor dem Hintergrund einer europaweiten Krise, die wir uns tagtäglich bereits mit dem Frühstücksfernsehen anzueignen versuchen, trotz der vergleichsweise geringen Europa-Krisen-Erfahrungen, die wir haben. Es sei denn, Sie besitzen Staatsanleihen aus Frankreich und Belgien, die zehnjährigen. Die sollten Sie jetzt verkaufen. Haben Sie solche Staatsanleihen nicht, können Sie sich auch heute ruhig auf die gute Laune der jungen Frühstücksdirektoren im öffentlich-rechtlichen Raum einlassen. Sie können sich erklären lassen, wie man mit 20 Liter Wasser pro Tag auskommt und Graffiti strickt statt sprayt.
Der Fernsehtag hat zwei ausgewogene Hälften. Am Morgen sind die gut gelaunten jungen dran, Ben Wettervogel und die Balkonpflanzenexperten. Am Abend in den Talkrunden sitzen dann die Kandidaten aller Altersgruppen für das Burnout, und zu ganz besonderen Anlässen ist auch schon mal der Rebell Nummer eins der Republik, Altkanzler Schmidt, zu sehen und zu hören, der einzige Mann der im öffentlichen Raum raucht.
Er ist der Philosoph der Republik, der stellvertretend rauchende. Der eigentliche Denker, der die gute Stimmung trotz Ratingagenturen am Leben erhält, ist aber ein ganz anderer, es ist Joachim Löw, der Fußballbundestrainer. Er ist nicht nur der große Stratege des Spielverlaufs, ihm ist etwas gelungen, was in dieser Gesellschaft sonst eher ein Problem darstellt: Er hat seine Mannschaft verjüngt und gleichzeitig verbessert.
Löw erweckt in seinen Presseerklärungen stets den Eindruck, dass es nicht um Probleme geht, ja sogar, dass es diese gar nicht gibt, stattdessen aber Optionen. Bei Optionen ist es so: Man kann die richtige finden, und die falsche. Löw findet die richtige.
Das ist seine Botschaft. Wenn Angela Merkel eines Tages scheitern sollte, weil beispielsweise verirrte V-Männer im Garten des Bundeskanzleramtes womöglich den Rasen mähen, statt in Zwickau nach dem Rechten zu sehen, nach rechtsgedrehten Mördern, wäre – dies nur als kleinen Blick in die Zukunft - der einzig richtige Nachfolger der Mann, der im Stadion die Niederländer besiegte. Ich bin mir sicher, er könnte auch mit den Ratingagenturen fertig werden.
Was aber wird dann aus dem Abgrund? Müssen wir tatsächlich ohne ihn auskommen? Und schaffen wir das?