Letzteres setzt voraus, dass man sich die Leute aussuchen kann, die kommen und die Einwanderung sich in Grenzen hält. Bekanntlich war das in Frankreich nicht wirklich der Fall, noch schlimmer ist es jetzt in Deutschland. Es kommen Hunderttausende vor allem junge Männer, die absolut nichts können, die Europa einfach nicht gebrauchen kann. Das ist eine Lebenslüge für beide Seiten, die Katastrophe ist vorprogrammiert.
Es waren nicht nur die im Artikel geschilderten jahrzehntelangen Bemühungen der ganzen französischen Gesellschaft, welche auf einen Erfolg der Integration der Einwanderer hoffen ließen. Auch die Anfangsbedingungen zur Lösung der Aufgabe, die hierzulande im Slogan „Wir schaffen das“ umschrieben wird, waren in Frankreich ungleich günstiger als sie es heute bei uns sind. Die Zuwanderung setzte dort etwa Anfang der sechziger Jahre ein. Die Zuwanderer sprachen französisch; sie hatten die französische Staatsangehörigkeit oder konnten sie leicht erwerben; sie kamen aus einem geographisch eng begrenztem Gebiet, nicht aus der ganzen muslimischen Welt – die Auseinandersetzungen in unseren Aufnahmezentren geschehen durchweg zwischen Angehörigen verschiedener Volksgruppen. Überhaupt waren Aufnahmeeinrichtungen überflüssig: Die Zuwanderer konnten direkt in die damals als modern geltenden Hochhäuser einziehen. Die französische Politik war damals und sie war viele weitere Jahre lang ausgesprochen araberfreundlich. Und all diese guten Voraussetzungen und die folgenden intensiven Bemühungen haben nicht die angestrebte Integration bewirken können. Wie muss in französischen Ohren im Vorjahr der Slogan geklungen haben: „Wir schaffen das, wer denn sonst, wenn nicht wir Deutsche“ ?
Die „Flüchtlinge“ in die Mitte der Gesellschaft zu holen, wird ein unerfüllter Wunsch bleiben. Zunächst müssten wir die Betroffenen fragen, ob Sie überhaupt dorthin wollen. Es ist zu befürchten, dass die Einwanderer eine ganz andere Vorstellung von Gesellschaft und Gemeinschaft haben als die deutsche Kernbevölkerung. Ein weiterer Aspekt scheint mir in der Diskussion völlig zu kurz gekommen zu sein: Wie sollen die Herkunftsländer je wieder auf die Beine kommen, wenn alle jungen Leute von dort fliehen, und nicht zurückkehren? Es wird nur über Integration bei uns, und nicht über die Rückkehr in die Heimatländer gesprochen. Die Politiker, die uns die „Beseitigung der Fluchtursachen“ als Lösung verkaufen wollen, glauben offenbar selber nicht daran, sonst könnten sie ja die Rückkehr der geflüchteten in die dann befriedeten Länder vorschlagen. Denn dort werden Sie dann sicher dringender gebraucht als bei uns.
Meinen Sie, Frau Lengsfeld, unsere derzeitige Politmornarchie ist lernfàhig? Haben wir mitunter nicht schon französische Verhältnisse? Haben alle sogenannten Integrationsprogramme etwas gebracht? Ja, Frau Lengsfeld, ich bin auch so, ein Buch kann begeistern, vor allem, wenn einen möglichen Ausweg aus einer komplett verfahrenen Situation zu bieten scheint. Leider muß wohl jeder seine Erfahrung selber machen, auch Länder die denken, sie haben die Weisheit mit Löffeln gefressen, natürlich Bio.
Klingt vielleicht etwas pessimistisch: Vor vielen Jahren hat die Integration doch schon nicht geklappt und Parallelgesellschaften gibt es schon sehr lange. Warum sollte das ausgerechnet jetzt klappen, wo irgendwas zwischen 1,1 und 1,5 Mio neue, genauso wenig oder noch weit weniger integrierwillige Leute kommen?
Ich hoffe, Frau Lengsfeld, Sie haben sich zu dem Thema auch vergewissert, welche Weltsicht einige derzeit um das Präsidentenamt der USA konkurrierende Kandidaten verkaufen. Sie verkaufen uns hier permanent die Illusion, die hiesigen fundamentalen Christen würden etwas besseres anzubieten haben als eine „faschistoide, rückwärts gewandte Weltsicht“. Die sich vielleicht in dem Umgangsformen, kaum aber von der geistigen Radikalität der Muslime unterscheidet. Glauben Sie ernsthaft, da bleibt etwas von der Ihrerseits so überreichlich gepriesenen Freiheit des Individuums übrig? Ich bin schon gespannt darauf, was Sie hier schreiben werden, wenn sich die diktatorisch orientierten christlich-fundamentalen Kräfte hier mit Rückenwind aus den USA gestärkt fühlen. Was da als AFD derzeit so heftig kritisiert wird, ist nur ein bescheidenes Echo von 1989. Es sind Leute, die ihr “gefühltes” lokales Selbstbestimmungsrecht übergangen sehen. (Man hat einfach übersehen, dass das nirgendwo geschrieben steht.) Aber was da auf uns zu kommt, ist eine grundsätzliche Bereitschaft, jeden Kritiker oder Atheisten in Verwahrung zu nehmen. Herr Cruz würde das “mit großer Freude” tun und er würde sich nicht einmal die Mühe machen, das Kürzel KZ zu vermeiden. Unsere heuchlerischen christlichen Zeitgenossen und Nachbarn haben sich seit 1933 nicht sehr verändert, sie wissen das nur noch nicht, es ist unter den obligatorischen Gutmenschen-Tabus verschüttet. Ich hoffe sehr, Sie, Frau Lengsfeld schaffen es, sich von den diktatorischen Paranoia-Religionen zu distanzieren. Die Staatsmacht sollte in den Händen von Leuten sein, die einen klaren Verstand haben. Das sollte in der Verfassung stehen.
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.