Meine Kanzlerin übernimmt die Verantwortung 

Von Robert von Loewenstern.

Angela Merkel macht es sich nicht leicht. Darüber bin ich froh. Ich wollte ganz bestimmt keinen Hallodri bzw. eine Hallodriin als Kanzlerin. „Ich mache es mir nicht leicht“, sagte sie am Sonntagabend zu Anne Will, „ich bin für die Dinge politisch verantwortlich.“ Das war schon ziemlich gut. Aber sie setzte noch einen drauf, weil sie nichts wegreden will, das ist ja bekannt: „Weil ich weiß und gar nicht wegreden will, dass letztlich bei der Bundeskanzlerin die politische Verantwortung für das Allermeiste, was in diesem Land passiert, liegt, nehme ich diese Verantwortung auch voll auf mich.“

Meine Kanzlerin. Ehrlich, mir wurde ganz wohlig.

Jetzt, nach einmal drüber schlafen, komme ich ein wenig ins Grübeln, zugegeben. Welche sind „die Dinge“? Was meint sie mit „das Allermeiste, was in diesem Land passiert“? Gehört dazu auch Sommer, Bahnverspätung und Saunaclub? Oder sind das die Ausnahmen? Gibt’s noch weitere? Blöd wäre zum Beispiel, wenn sie ausgerechnet für meine Angelegenheiten nicht zuständig wäre. Man weiß es ja nicht. Ein paar kleine Hinweise hätten weitergeholfen: „Sommer, Bahnverspätung und Saunaclub sind nicht mit drin, der Rest geht auf meine Kappe.“ Also ich hätte dann Bescheid gewusst.

Aber gut, die Details können wir sicher später noch klären. Grundsätzlich bin ich erst mal froh, dass meine Bundeskanzlerin Verantwortung übernimmt. Alles andere hätte mich auch ein wenig beunruhigt. Angenommen, sie hätte gesagt „Für das Allermeiste, was in diesem Land passiert, bin ich nicht verantwortlich“ oder „Mir egal, ich kann nichts für nichts“ oder „Ich will doch nur hier sitzen!“, dann hätte ich das medium gefunden. Höchstens.

Übernehmen hat so was Aktives, Freiwilliges 

Dass sie Verantwortung trägt, wusste ich natürlich. Sagt man so, wenn jemand ein Amt hat. Aber Verantwortung übernehmen, ist auf jeden Fall ein Tacken mehr. Und mehr ist besser. Übernehmen hat so was Aktives, Freiwilliges. Was ich mir ganz bestimmt nicht wünsche, ist, dass meine Bundeskanzlerin Verantwortung einfach nur hat, aber vielleicht gar nicht will. Da könnte nichts Gutes draus werden.

Früher hatte sie noch nicht so viel Verantwortung. Da war so einiges alternativlos. Wenn’s keine Alternative gibt, kann man nicht verantwortlich sein. Ist so. Verantwortung bedingt Handlungsfreiheit, das weiß ich noch genau aus dem Philosophiekurs. Oder andersrum. Auf jeden Fall stimmt es. Ist, wie wenn man grillen will und rein muss, weil Regen kommt. Oder wenn man zum Beispiel Griechenland retten muss, weil die Griechen es versemmelt haben. Da machste nix, sagt man da. Zu Recht. Auf jeden Fall ist man nicht verantwortlich.

Ich freue mich jedenfalls für die Kanzlerin, dass nicht mehr so viel alternativlos ist. Jetzt kann man auch mal sagen, hey, das und das war klasse, gut gemacht, Menschenskinder! Das ging ja vorher gar nicht. 

Ich finde auch gut, dass sie politische Verantwortung übernimmt. Erstens ist politische Verantwortung mehr als einfache Verantwortung. Eine Kugel Pistazie mit Sahne ist auch mehr als eine Kugel Pistazie. Versteht jedes Kind. Zweitens finde ich gut, dass sie speziell politische Verantwortung übernimmt. Es hätte auch rechtliche oder moralische oder soziale sein können, oder was weiß ich, was es da noch gibt. Aber sie ist mehr fürs Politische zuständig, und da passt das einfach. Eine gute Wahl.

Das Einzige, was mich ein bisschen stört, ist, dass politische Verantwortung auch was Negatives hat. Wie soll ich’s beschreiben, ist halt so ein Gefühl. Ich habe zum Beispiel noch nie gehört, dass jemand politische Verantwortung für einen großen Erfolg übernommen hat. Man stelle sich das mal vor: Herr Macron gewinnt die Wahl in Frankreich, und Frau Merkel sagt im Fernsehen, dass sie dafür die politische Verantwortung übernimmt. Da wär was los, holla, die Waldfee!

Mit politischer Verantwortung ist immer irgendein Tröt verbunden

Je länger ich darüber nachdenke, irgendwas ist eigentlich immer, wenn Leute von politischer Verantwortung sprechen. Und zwar nichts Gutes. Muss man nur mal googeln. Auf einmal kommen Wörter wie „Rücktritt“ und „abdanken“. Kein Spaß. Na ja, vielleicht haben die Russen das manipuliert. Trotzdem, mit politischer Verantwortung ist immer irgendein Tröt verbunden. Macht aber eigentlich nichts. Mir jedenfalls nicht. Denn egal, was es ist, und wer es in die Grütze geritten hat, eins weiß ich: Meine Kanzlerin war’s nicht. Sie kann es gar nicht gewesen sein. Hat sie ja selbst gesagt, ehrlich wie sie ist: Sie würde es auf jeden Fall wieder so machen. Und das wäre nun wirklich sackdoof, irgendwas wieder zu machen, wenn’s beim ersten Mal schon nicht gut lief. Also kann es nicht so schlecht gewesen sein. Logisch.

Um so mehr bewundere ich sie dafür, dass sie die Verantwortung übernimmt. Für das Allermeiste – viel mehr, als man verlangen kann. Egal, wem da vielleicht das eine oder andere Fehlerchen passiert sein mag, sie stellt sich hin und sagt, komm, Schwamm drüber, geht auf mich. Einfach so. Das hat etwas unendlich Verzeihendes, Liebevolles, Großherziges. Fast schon übermenschlich.

So kenne ich sie. 

Meine Kanzlerin.

Robert von Loewenstern ist Jurist und Unternehmer. Er lebt in Bonn und Berlin.

Foto: Boston Traveller/ Harry Trask/AP via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Ulrich Armbruster / 12.06.2018

Verantwortung und “meine” Kanzlerin… Gerne denke ich an G20 in Hamburg zurück. Da hat sie auch schon Verantwortung übernommen! Wie? Mit meinen Steuern ...

toni Keller / 12.06.2018

Ja so ist sie, und ich frage mich immer mehr, warum keiner mit ihr mal Tacheles redet, warum alle nur immer nicken und ihr huldigen? Ist es wirklich weil sie gar so von der Natur benachteiligt daher kommt, und dabei es so lieb meint, dass man sich einfach nicht traut ihr zu widersprechen, sie könnte ja anfangen zu weinen und sie ist doch eh so arm dran, und kann nun mal nicht so klug daher reden und kann doch doch nichts dafür, dass sie keinen Gang hat, dass ihre Figur durch die Hosenanzüge so unvorteilhaft betont wird….......... In meiner Jugend (Ende der 60er Anfang der 70er) gab es noch massenweise alte Tanten vom gleichen Kaliber, die servierten schlechten Kuchen, machten ungemeines Gewese wegen schlechtem Kaffee, man konnte sich in ihren mit Nippes vollgestellten Wohnzimmern kaum bewegen und dennoch musste man “brav” sein, weil die Tante ja nichts dafür kann, dass ........... Ich persönlich fand den 68er Furor auch eine Möglichkeit mit dieser Art fürsorglicher Erstickung fertig zu werden, nur sind die 68er mittlerweile selber Teil des erstickenden Klimas geworden. Diese Frau hat was von der Dolores Umbridge aus Harry Potter und ich frage mich immer mehr, ob das Geheimnis ihrer Macht nicht ein Archetypus ist, der es einem unmöglich macht sich gegen diesen Muttertypus zu stellen, auch und wenn das was sie tut noch so verkehrt ist, und sie gerade in ihrer Unbedarftheit, ihren schlecht sitzenden Hosenanzügen irgendwelche vergessenen Urinstinkte antriggert, weil rational ist es nicht zu erklären, wie jemand das Land so lange so unwidersprochen ruinieren kann.

Wolfgang Lang / 12.06.2018

Nach Viersen muss endgültig Schluss sein, mit dieser bockigen Geistesgestörten im Kanzleramt. So viel Lernresistenz ist weltrekordverdächtig.

Michael Braun / 12.06.2018

Sehr geehrter Herr von Löwenstern, das “Allermeiste” kann man mit Humor ertragen. Leider ist die reale Konsequenz dieses Merkel-PlaPla verheerend. Bei aller Fokussierung auf Merkel muss aber gesagt werden, dass sie für mich ein Sympton des politisch gesellschaftlichen Wandels ist, auch wenn sie ihn zum durchschlagenden “Erfolg” mitverholfen hat. Aber viele Richter, viele hohe Vertreter der Amtskirchen, die gesamte CDU-Führung, SPD und Grüne sowieso stehen voll hinter Merkels Politik. Wenn Merkel gehen sollte, wird das alleine nicht ausreichen!

Anders Dairie / 12.06.2018

Bei “Anne Will” sah es so aus, als suche die Kanzlerin andere Dumme für eigene Dummheiten.  Es war der öffentlich-rechtliche Versuch der Reinwaschung. Da Frau Will die Firma “willmedia” betreibt und die Folgen an das Erste verkauft,  darf man von einem Deal sprechen?  Auf Bestellung des Kanzleramtes? Hat Will auf Kosten der Steuerzahler gearbeitet?

Patrick Kaufhold / 12.06.2018

Meine Oma sagte schon immer “Lach, wenn´s zum Heulen nicht reicht.”. Danke dafür!

Herbert Müller / 12.06.2018

“Wenn`s keine Alternative gibt, kann man nicht verantwortlich sein.” Da die Kanzlerin die berufsmäßig Alternativlose ist, dürfte sich das “Allermeiste”, für das sie die Verantwortung trägt,  im subatomaren Raum zu suchen sein.

Rüdiger Kuth / 12.06.2018

Verantwortung übernehmen heißt auch bei Schäden oder Problemen zu haften. Was hat sie aber bisher wirklich “übernommen”: Nichts! Das Aufräumen und Bezahlen bleibt für’s Wahlvolk.

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