Gastautor / 19.07.2016 / 11:00 / 2 / Seite ausdrucken

Mein kleiner Merkzettel für Islam-Diskussionen

Von Haio Forler.

Eine Religion ist nicht besser als die Gesamtheit ihrer Anhänger.

Nach jedem Anschlag werden wir Zeuge eines Rituals: der Islam sei friedlich, dies sei nicht der wahre Islam. Terroristen missbrauchten ihn nur. Ja, sie schrieben sich nur seinen Namen auf die Fahne. Dies verlautbaren zumeist Personen, denen der Papst gefährlicher scheint als der Imam um die Ecke. Doch keine Frauenrechtlerin hätte nach einer Vergewaltigung je gesagt, dies habe nichts mit dem wahren Mann zu tun. Die Qualität einer Religion ist die all ihrer Gläubigen, auch der Terroristen, auch der Selbstmordattentäter.

Waren die Kreuzzüge etwa nicht christlich?

Wer den Islam-Kritikern entrüstet entgegnet, es gebe nicht „den“ Islam, der muss sich gerade darum sagen lassen, dass er sich nicht den besten Islam aussuchen kann – Gewalt gehört zur Vielfalt. Der wahre Islam ist der, wie er gelebt wird. Ich habe nie gelesen, die christlichen Kreuzzüge seien nicht das wahre Christentum gewesen. Wenn Gewalt nicht Teil von Religionen wäre, hätte es Religionskriege nie gegeben. Aber es war eben nicht so, dass muslimische Krieger vor 1000 Jahren in Nordafrika und Europa Weckmänner mit Tonpfeifen verteilt hätten. Nun gut, nach Methode der Frankfurter Schule könnten wir sie rückwirkend Atheistenkriege nennen. Eine Religion, insbesondere der Islam, ist eine Gemeinschaft, keine Insel. Andererseits hat Relativierung etwas Verlockendes: Zündet mein Sohn ein Haus an, sage ich, dass dies nicht meine wahre Familie sei, denn die ist friedlich; immer. Oder mein Sohn hat das Stammbuch falsch verstanden. Verantwortung kann ja vielfältige Formen annehmen.

Sicherlich ist nicht jede von einem Muslim verübte Tat Teil seiner Religionsgemeinschaft; sei es falsch parken oder eine beliebige Prügelei. Wenn aber jemand im Islam sozialisiert wurde, dort gelernt hat, den Glauben über Wissenschaft zu stellen, Bevormundung über Gleichberechtigung und Ausgrenzung über Ökumene, oder gar, Frauen, Christen und Juden nicht als gleichwertig zu betrachten und als Selbstmordattentäter Allahu Akbar brüllt, dann ist er sehr wohl Teil des Islam. Und seine Gewalt auch. Gar nicht zu sprechen von Tausenden Koranschulen, in denen der Hass auf andere Doktrin ist.

Seit wann können Kriminelle nicht gläubig sein?

Ein Muslim wird durch eine Gewalttat nicht zum Atheisten. Ein 30-jähriger ISIS-Kämpfer wird im Augenblick seiner Tat nicht areligiös, umso mehr als sich in keinem muslimischen Land Staat und Religion trennen lassen. Zugegeben, bequem wär’s, sich vor der Tat von der Religion loszusagen und am nächsten Tag wieder einzutreten. Mir ist kein Fall bekannt, bei dem einem Muslim während oder sofort nach einer Gewalttat Bart und Rosenkranz vom Körper gefallen wären oder sich sein Turban in eine Kippa verwandelt hätte. Man kann den Medien einiges an Unterschlagung vorwerfen, aber das hätten sie sich dann doch nicht entgehen lassen. Wäre ein mordender Atheist etwa kein „wahrer“ Atheist mehr?

Und also gehören zum Islam: Al Quaida, Boko Haram, ISIS, Abbu Sayyaf, Dschihadisten, Anschläge in London, Madrid, Deutsche Taliban-Mudschaheddin, „Die wahre Religion“ (DWR), AQAP, AQIM, Al Schabab, Hamas, Hisbollah, Abu Nidal, GIA, GSPC, Gama'a al-Islamiyya, Jemaah Islamiya und hunderte andere. Die Attentäter handeln als Muslime. Und obwohl Bush den Irakern nicht das Christentum bringen wollte und die Bomber nicht Kreuz und Schwert zeigten, redet die muslimische Welt immer noch von den Kreuzzügen (dabei wird gern vergessen, dass der 1. Christliche Kreuzzug unter Papst Urban II eine Reaktion auf zuvor über 70 muslimische Kriegszüge war). Wir müssen uns nicht mit der verlockenden Ausrede aufhalten, ob an allem wieder die USA, der böse Westen oder gar Uli Hoeneß schuld seien; nein, es genügt, wenn diese Gruppen handeln, morden und terrorisieren als Folge ihrer religiösen Erziehung. Ich für meinen Teil hasse nicht alle Westler, nur weil die Alliierten das Nazi-Deutschland bombardiert haben. Grund hierfür war ein Religionsunterricht, der im besten Sinne kritisch war. Ich wüsste auch nicht, dass uns 600 000 „traumatisierte“ Holocaust-Überlebende bis aufs Blut bekämpfen.

Die Mehrheit der Sachsen ist friedlich

Dass die Mehrheit der Muslime friedlich ist, wird von ernst zu nehmenden Islamkritikern nicht bestritten. Das trifft auf fast jede Gruppe zu: Christen, Muslime, Buddhisten, und – wenn auch bei Brandanschlägen nie ins Feld geführt - sogar Sachsen. Unser Problem aber ist nicht die friedliche Mehrheit. Unser Problem ist, dass die nicht-friedliche Minderheit immer größer wird. Nur ein einziger Sprengstoffgürtel auf einer Party mit 99 Gästen hinterlässt mehr als nur einen zwiespältigen Eindruck. Wenn Bernhard Hoëcker den „Populisten“ vielgelobt „genial“ den Spiegel vorhält indem er rhetorisch fragt, ob zwei Gäste angesichts der Mehrheit im Saal denn Besorgnis erregen könnten, möchte man ihm ebenso populistisch entgegnen: Herr Hoëcker, wenn bisher zwei Gäste zu Marxloh, Neukölln, no go areas und den Vorgängen auf der Kölner Domplatte führen, dann können Sie sich leicht ausrechnen, was die nächsten beiden Gäste verursachen.

Es geht nicht nur um Morde. Den Relativierern folgend, dürften auch Ehrenmorde, Steinigungen, Zwangsverheiratung, Frauenunterdrückung und anderes nichts mit dem Islam zu tun haben, immerhin handelt es sich hier um Gewalt. Und wenn nach Selbstauskunft 99.3 Prozent der Ägypterinnen angeben, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein, könnte sich Ayman Mazyek durchaus einmal fragen, ob dies mit dem Fluch des Pharao oder nicht doch etwas mit Erziehung, respektive mit dem durch die Religion vermittelten Bild der Frau zu tun hat. Und auch sexuelle Belästigung ist Gewalt. Ist Ägypten atheistisch?

Gab es vor Luther und Gutenberg etwa keine Christen?

Wir könnten behaupten, die NPD sei gar nicht so schlimm, weil deren Parteibuch nur Frieden propagiere (was sogar hinkommen dürfte). Wir würden zu Recht protestieren, sollte man doch Vereine nach Taten, nicht nach Texten bewerten. Gerade wir in Deutschland, die wir doch ansonsten immer recht feinsinnig werden, wenn wir ständig das „subtile Spiel mit Ressentiments“ beklagen.

Verkündet also nur der Koran den „wahren Islam“? Dann wäre niemand Muslim, der ihn nicht lesen könnte, falsch interpretierende Imame eingeschlossen. Diejenigen Suren aufzuzählen, die Gewalt gegen Ungläubige predigen, wäre müßig. Wichtig ist die Religion, wie sie gelebt wird. Koran und Bibel sind Versprechen auf Gewaltlosigkeit in der Zukunft; bis diese eintritt, bleibt der Glaubende Teil seiner Religion, mit all seinen Fehlern und seiner Gewalt.

Seit wann gilt überdies die Logik, dass nur derjenige Muslim sei, der lesen könne und somit den angeblich „wahren Islam“ des Koran verstehe? Die Analphabetenquoten berücksichtigt, blieben weltweit von den geschätzt 1,6 Mrd. Muslimen schlagartig nur noch 30 Prozent übrig. Bei 68.3 Prozent Analphabetenquote in Afghanistan dürfte sich nach dieser Interpretation die Anzahl der Muslime um etwa 68.3 Prozent verringern. Moscheen stünden leer und auf dem Minarett könnte sich der Muezzin Schnittchen machen. Fragen wir doch diese Menschen, ob sie sich dennoch als wahre Muslime fühlen. Die Antwort dürfte klar sein. Anders gefragt: Gab es vor Luther und Gutenberg etwa keine Christen?

Erst wenn die weltweite muslimische Gemeinde Gewalt als Teil ihrer Religion wahrnimmt, erst dann werden sich gemäßigte Muslime glaubwürdiger von ihr abgrenzen können. Hierzu aber ist kritische Selbstdistanz und Auseinandersetzung nötig (Freud hätte wohl vom „Es“ gesprochen), die Vorbedingung aller Verbesserung. Aber genau die ist nicht zu sehen, von einer Handvoll Repräsentanten einmal abgesehen.

Das „Wahre“ ist immer nur Ideal gewesen. Denn bedeutete eine Religion immer nur das Gute, dann bräuchte deren Glaubensgemeinschaft keinen Gott, der sie bessern und erleuchten möge.

Haio Forler arbeitet als freiberuflicher Berater weltweit in großen internationalen Unternehmen im Engineering-Bereich

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Bernhard Rülicke / 19.07.2016

Dem Artikel kann ich nur voll und ganz zustimmen und möchte hinzufügen. Was können wir vom Islam erwarten? Wenn eine Zündschnur am Turban des Propheten gezeichnet wird, ist die Gemeinschaft des Islam entrüstet, zu hunderttausenden wird weltweit protestiert, Botschaften werden angezündet. Seit mindestens zwei Jahrzehnten hören wir fast täglich morgens in den ersten Nachrichten von Anschlagstoten, die gestorben sind, unter dem Schlachtruf “Gott ist groß” und abends gehen wir nach eben solchen Nachrichten ins Bett. Die Verletzten werden kaum noch erwähnt, die Kinder, denen Arme oder Beine weggerissen wurden oder deren verletzte Eltern nie wieder arbeiten können. Es geht kein Sturm der Entrüstung durch die islamische Welt wegen dieser Gräueltaten im Namen ihrer Religion. Werden Hassprediger von wütenden Gläubigern aus den Moscheen verwiesen? Ich habe noch nicht davon gehört. Wo sind die Führer der islamischen Religion, die ganz klar sagen, wer unschuldige tötet oder überhaupt tötet wird nicht im Jenseits von Allah belohnt mit 20 Jungfrauen, dem ewigen Leben oder sonst irgendwie, weil Allah solche Taten verabscheut und die Religion dies nicht billigt. Eine Karikatur, die als Beleidigung des Islam empfunden wird, löst fast immer eine Fatwa aus, die oft eine religiöse “Freisprechung” Derjenigen darstellt, die den oder die Karikaturisten töten. Hat man je von einer solchen Fatwa gehört, die sich gegen Bombenleger richtet, egal wieviel Menschen getötet wurden? Offenbar wird, nach islamischen Glaubensgrundsätzen, Allah durch solche Taten nicht beleidigt. Würden junge Menschen ihr Leben einfach wegwerfen, wenn Sie nicht an Belohnung durch Allah selbst glauben würden? Wer bringt ihnen dies bei? Nur verblendete Imane, die eine Minderheit darstellen und dem berüchtigten …ismus verfallen sind? Es ist nicht der Islam-ismus, der verantwortlich ist für all die Gräueltaten sondern der Islam. Nur der Islam selber kann dem weltweiten Terror eine Ende setzen, nur aus der Religion selbst heraus ist der Wahnsinn zu stoppen. Unsere Politiker üben sich im Singen und Beten wie die Heilsarmee (ohne diese herabwürdigen zu wollen). Sie Predigen vom wundersamer Bekehrung aller Islamkläubigen zu den Werten unserer westlichen Demokratie und seinen moralischen Grundsätzen, wenn sie nur noch mehr Segnungen durch unsere Demokratie erfahren. Erdogan und sogar seine schon lange in Deutschland lebenden Anhänger (immerhin die Mehrheit der in Deutschland lebenden Türken) bewiesen jüngst das Gegenteil, durch ihre Bekundungen für Erdogan und seine Politik. Die Türkei galt bis vor wenigen Tagen als eher dem Westen zugewandt, als Vermittler zu den religiös Konservativen Nachbarstaaten. Machiavelli, ein früher italienischer Politiker, schrieb 1532: „Jemand der es darauf anlegt, in allen Dingen moralisch gut zu handeln, der muss unter einem Haufen, der sich nicht darum schert zugrunde gehen.“ Die Demokratie kann nicht anders als nach seinen hohen moralischen Grundsätzen zu handeln. Der weitaus größte Teil der islamischen Welt schert sich nicht nur wenig um Demokratie, sondern hält sie für schwach und ungeeignet oder lehnt diese ganz klar ab, und dies trifft wohl auch auf die meisten der in europäischen Staaten lebenden Gläubigen des Islam zu, wie jüngste Umfragen ergaben. Was haben wir, insbesondere unsere Kinder und Enkel, zukünftig im Namen des Islam zu erwarten? Bernhard Rülicke

Johannes Schewitz / 19.07.2016

Kluge Gedanken in dem Text. Trotzdem ein paar Denkfehler: z.B. Ehrenmord und &Zwanhsheirat;: Gabs bis vor kurzem auch auf Sizilien, Sardinien, Korsika und einigen griechischen Inseln. Auch bei christlichen Libanesen, Syren etc nicht ganz unüblich.  Lässt sich also nicht dem Islam zuordnen. Ist eher so, dass der Islam in den gegenden, wo Ehrenmorde am häufigsten sind, am weitesten verbreitet ist. Koran und Islam: Kaum ein Muslim kann den Koran lesen geschweige denn verstehen. Selbst wenn er gebildeter Saudi ist. Inwieweit die deiversen Prediger dazu in der Lage sind, darüber kann man streiten. Christentum und Gewalt. Hier wird aber auch allen durcheinadergeworfen. Dazu nur soviel: Christentum und Kirche haben soviel miteinander zu tun, wie Gerechtigkeit und Justiz. Mal mehr mal weniger. Und wer z.B. Frauen und Kinder tötet, ist kein Christ, getauft oder nicht. Ebenso wer zur Todestrafe verurteilt oder diese Vollstrckt.    

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