Wolfgang Röhl / 19.07.2017 / 06:11 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 9 / Seite ausdrucken

Mehr Frauen braucht das Fernsehland

ZDF-Intendant Thomas Bellut zeigte sich „teilweise überrascht und geschockt“. Grund: Forscher der Uni Rostock hatten jüngst Erschütterndes publik gemacht. Ihre Studie über „audiovisuelle Diversität“ , angeschubst von der „Tatort“-Heroine Maria Furtwängler, belegt klipp und klar: Frauen sind im  Fernsehen „deutlich unterrepräsentiert“. Und zwar sowohl in Informationssendungen wie auch (mit Ausnahme von Soaps) bei fiktiven Inhalten. Dies gilt, schlimmer noch, besonders für das Kinderfernsehen. Dort sind die Auftritte von Moderatoren, Hauptdarstellern und Sprechern im Verhältnis 4:1 männerdominiert. Bei Tierfiguren steht es sogar 9:1 zugunsten der Männchen!

Nun hat der gemeine Glotzenjunkie, zappt er durch die Programme, oft einen ganz anderen Eindruck. Vom „Morgenmagazin“ der Öffis bis hin zum ARD-„Nachtmagazin“, auf staatlichen ebenso wie auf privaten Kanälen - Frauen sind überall dabei. Auch Frauen sagen ja Nachrichten auf (z.B. Catherine Vogel), auch Frauen stehen als politische Stimmungskanonen an der Front (Marietta Slomka), auch Frauen moderieren ultralinke Magazine (Anja Reschke) oder megadoofe Quasselshows (Anne Will).

Wer sich als Zuschauer nur im reinen Unterhaltungsbereich bewegt, kann Frauen erst recht nicht entgehen. Charity Ladys und Fußballer(ex)Frauen, klaftertief dekolletierte Schlagersängerinnen, tabufreie Feuchtzonenexpertinnen, Influencer Girls, Darmgesundheitsberaterinnen und Seriensternchen mit und ohne Mihigru geben sich an den TV-Studios die Klinke. Die sperrangelweite Gesichtsakrobatik der „NDR Talkshow“-Cannelloni Barbara Schöneberger steht für die kameraaffine Starkfrau sui generis. Barbara, Schutzpatronin der Schnatterliesen, erhältlich auch als Print-Erzeugnis.

Und wer auf Krimis steht, die den größten Einzelplatz der TV-Sendezeit belegen, muss ebenfalls nicht unter Damenknappheit ächzen. Ganze Divisionen von Kripokommissarinnen und LKA-Fahnderinnen (etwa Maria Furtwängler als alleinerziehende Spürnase) ermitteln quer durch deutsche Lande. Audiovisuelle Diversität, ja fast schon Parität, ist beim wichtigen Rollenmodell BullizistIn längst hergestellt.

Nicht nur zu wenige Frauen, auch die falschen

Was also will uns die Studie sagen? Na dies: Noch viel mehr Frauen müssen ins Fernsehen, auch ältere. Denn ab Mitte 30 kommen auf eine Fernsehfrau zwei Männer, ab 50 Jahren gar drei Männer! Seltsam, dass man dies vielen Sendungen nicht ohne Weiteres ansieht, aber es muss sich wohl rechnerisch so verhalten. Die Forscher der Uni Rostock haben immerhin eine gewaltige Erbsenzählmaschine angeworfen, haben 3000 Stunden TV-Programm und 800 deutschsprachige Kinofilme der letzten sechs Jahre ausgewertet.

Das vielleicht Erschröcklichste von allen Ergebnissen aber ist dies: Nicht nur werden zu wenig Frauen im Fernsehen gezeigt. Diese zu wenigen sind auch noch die falschen, weil zweitklassigen. Was weithin fehlt: die schlauen, mutigen, einflussreichen Frauen. Abgebildet wird „nicht die Weltenretterin, nicht die Pilotin, nicht die Erfinderin. Solche Vorbilder können sehr stark wirken auf Mädchen“, weiß Maria Furtwängler, die übrigens als Schauspielerin keineswegs nur einen einzigen Gesichtsausdruck drauf hat, wie ihre Verächter hämen. Sondern mindestens drei.

Was die Weltretterei angeht, so trifft die sozial vielfältig engagierte Gattin des Schnittmusterkonzernerben Hubert Burda voll ins Schwarze. Tatsächlich ist die Chefetage der Firma Save the world Inc. mit männlichem Rettungspersonal wie Hans Joachim Schellnhuber, Mojib Latif, Bob Geldof oder Al Gore schwer überfrachtet. Nein, in diesen illustren Club kommt frau nicht rein. Aber dass es immer noch nicht genug bewegte Bilder von Pilotinnen gibt, hängt wohl hauptsächlich damit zusammen, dass es unter Piloten nicht sehr viele Frauen gibt – rund drei Prozent weltweit, nach Schätzung einer Gewerkschaft. Bei der Lufthansa sollen es sechs Prozent sein, auch nicht gerade volle Kanne.

Ob es daran liegt, dass Frauen ihr Recht streitig gemacht wird, eine Pilotenausbildung zu absolvieren und Verkehrsflugzeuge zu steuern? Klar! In Saudi-Arabien zum Beispiel. Aber hierzulande? Eher nicht. Warum sollte dann bei uns eine kleine Minderheit das Naturrecht genießen, ausgiebig im Fernsehen dargestellt zu werden? Affirmative action? Die Welt als Wille und Vorstellung? Sagen wir, es handelt sich um Voodoo. Indem man tapfer eine Fernsehfiktion beschwört, welche die Realität nicht mal ansatzweise hergibt, erwächst aus der hoffnungsfrohen Erzählung, so glaubt der deutsche TV-Gesellschaftsklempner, irgendwann Realität.

Warum das Fernsehen so selten Erfinderinnen zeigt? Ja, heilige Einfalt! Offenbar deshalb, weil nur wenige Menschen weiblichen Geschlechts was Handfestes erfinden. Wenn man in München lebt, wie Frau Furtwängler, kann man diesen Fakt leicht checken. Nämlich auf den dort ansässigen, für Deutschland und die EU-Länder zuständigen Patentämtern.

Zugegeben, es gibt auch andere Frauen, um die fernsehmäßig wenig Aufhebens gemacht wird. Zum Beispiel ist der Arbeitsalltag von Frauen bei der Müllabfuhr oder im Straßenbau bislang kaum beleuchtet worden; weder fiktiv noch non-fiktiv. Vielleicht, weil es etwas kompliziert ist, weibliche Müllabfuhr- und Straßenbaukräfte aufzutreiben und sie auch noch vor die Kamera zu bekommen? Ähnlich rar sind Frauen bei Formel 1-Übertragungen, abgesehen von gelegentlichen Schwenks auf die Boxenluder. Frauen in GSG 9-Kampfeinsätzen - so einen hammerharten Stoff würde man gerne mal anschauen. Da traut sich aber nicht mal die „Tatort“-Redaktion vom Hessischen Rundfunk ran, ansonsten Übersinnlichem nicht abgeneigt.

In der Antarktis sind Frauen krass in der Unterzahl

Haben Sie jemals einen Spielfilm oder eine Dokumentation über das Geschehen auf Ölbohrinseln gesehen, wo Frauen und Männer gleichberechtigt zu Wort oder zur Tat kamen? Auch in antarktischen Forschungsstationen sind Frauen von jeher krass in Unterzahl und schaffen es daher selten ins Fernsehen. In Rockergangs spielen sie allenfalls die dritte Geige – schlecht für eindrucksvolle TV-Präsenz. Wer im Fernsehen Frauen abseits von Herd, Hort und Trockenhaube erleben möchte, kann jedoch „Trucker Babes – 400 PS in Frauenhand“ (hier: http://www.kabeleins.de/tv/trucker-babes/bilder/trucker-babes-die-schoensten-bilder) auf Kabel 1 gucken. Tolle Brummer, da!

Einen wichtigen Punkt hat Maria Furtwängler als schöne, reiche, weiße, heterosexuelle Frau leider vergessen. Ihn benennt dankenswerterweise die „Zeit“-Autorin Vanessa Vu:

Wenn es um eine generelle Abbildung von Gesellschaft in Film und Fernsehen gehen soll, um Vorbilder für alle, dann kann es nicht das Ziel sein, einfach mehr schöne, junge, weiße Frauen vor die Kamera zu bringen. Dann muss es konsequenterweise auch dicke Frauen, hässliche Frauen, alte Frauen, böse Frauen oder Frauen mit ganz unterschiedlichen soziokulturellen Hintergründen geben, als Heldinnen und Antiheldinnen.

Uns fallen spontan ein paar dicke oder hässliche oder alte oder böse Frauen ein (auch solche, die sämtliche Kriterien erfüllen), welche gar nicht so selten auf dem Bildschirm erscheinen, zum Beispiel als Talkshowgäste. Aber darum geht es nicht. Es geht Frau Vu ums Ganze:

Auf der Bildfläche fehlen bislang völlig Menschen, die sich der binären Geschlechtervorstellung entziehen. Auch das anzuerkennen und abzubilden gehört zu Geschlechterdiversität.

Genau! Was ist denn mit den LGQT-Menschen (lesbian, gay, queer, transgender)? Und es gibt bekanntlich noch mehr Geschlechter. Bei Facebook kann man aus 60 Möglichkeiten auswählen. Sollen die etwa unter den Tisch fallen? Ausgegrenzt, totgeschwiegen, gesellschaftlich eliminiert werden? Nein, verehrte Maria Furtwängler, das kann nicht Ihre Intention sein. Lassen Sie die Studie bitte noch mal unter mindestens 60 Genderprämissen durchrechnen. Auch wenn die Uni Rostock dazu Jahre benötigt! Ganz unter uns: es pressiert nicht so.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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B.Klingemann / 19.07.2017

Chapeau, Herr Röhl! Vor dem Lesen Ihres Artikels fiel mir so viel ein zu dem alten, wirklich alten Thema in neuen Gewändern. Nach dem Lesen ist (fast) alles gesagt. Außer: “Männer sind… und Frauen auch! (...) Frauen haben auch Ihr Gutes.” (Loriot)

Rudolf George / 19.07.2017

Und die entscheidende Frage wird in jener “Studie” natürlich ausgeblendet: was will der Zuschauer eigentlich? Aber so wie sich Politik und Medien auch nicht die Frage stellen, was der Bürger denn will, sondern sich alleinig mit der Frage beschäftigen, was er zu wollen hat, so scheint auch Frau Furtwängler dem erzieherischen Impuls zu folgen. Das Schutzobjekt Frau scheint sich ja nach wie vor prächtig zu eignen, um “Forschungs”-Förderung zu ergattern, oder hat Frau Furtwängler die Privatschatulle für die Uni Rostock geöffnet? Aber trotz allen Eifers in der Herbeiführung von Geschlechterausgewogenheit, scheint auch diese Studie sich einen Diskriminierungslapsus zu leisten: hat eigentlich jemand die Schutzbefohlenen (d.h. Frauen) nach ihrer Meinung gefragt? Was ist, wenn gerade die gerne viele harte Kerle im Fernsehen sehen wollen?

P. Groepper / 19.07.2017

Herrlich im drittletzten Absatz der dezente Hinweis auf unsere unersetzliche Jutta Dittfurth

Dr. med. Christian Rapp / 19.07.2017

Ich will aber keine Dicken und Hässlichen sehen. Es reicht, dass ich für meine ör RFG Märchentanten und Erfinderinnen ala Slomka ertragen muss, ah nein, Samsung hat Mitleid: Ein Knopf zum abschalten, teilweise unerträglich das. Kein ÖRRF keine BTW, ich geh in den Garten.

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