Wolfram Weimer / 27.01.2017 / 16:52 / Foto: Ra Boe / 5 / Seite ausdrucken

May als Ärztin, Merkel als Krankenschwester

Donald Trump nennt Theresa May bereits kumpelhaft “My Maggie”: eine Anspielung auf das prächtige Verhältnis zwischen Margaret Thatcher und Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Der neue US-Präsident hat die britische Premierministerin demonstrativ als ersten Staatsgast nach Washington eingeladen, und beide werden bei dem Treffen am Freitag die “special relationship” – die historisch so enge Beziehung beider Länder – demonstrativ zelebrieren, wie May in der BBC ankündigte. Der Vorgang hat hohe symbolische Bedeutung für die Weltpolitik, und zwar in dreifacher Hinsicht.

Erstens zeigt Trump damit, wem die USA in den kommenden vier Jahren am meisten trauen werden. Während Obama mit dem linksliberalen kanadischen Regierungschef Justin Trudeau und Angela Merkel besonders gut konnte, wird fortan Theresa May auf der weltpolitischen Bühne ganz oben stehen. Die britische Premierministerin löst damit die deutsche Kanzlerin in der Rolle als wichtigste Politikerin der Welt ab. Trump betont diesen Wechsel ganz gezielt, indem er Merkel in Interviews wegen ihrer Flüchtlingspolitik scharf attackiert, die Britin dagegen hoch lobt. Wenn sich nun Spanier oder Norweger fragen, wie es mit der Nato weiter geht oder mit der Ukraine oder mit der Syrienkrise, und was Europas Position dazu ist, dann werden sie erst einmal in London nachfragen und hernach vielleicht Berlin hören. In den letzten Jahren war das genau anders herum.

Zweitens schafft die Achse Trump-May realpolitisch neue Fakten. Beide haben angekündigt, dem Neo-Nationalismus einen neuen Ordnungsrahmen zu geben. Bilaterale Abkommen sollen dabei multilateralen Systemen bevorzugt werden. Darum steht für May nach dem Brexit ein großer Handelsdeal mit den USA ganz oben auf der Agenda. Ein solches Abkommen hat Trump, der die Entscheidung der Briten für den EU-Austritt mehrfach bejubelt hat, bereits in Aussicht gestellt. Die Angelsachsen schaffen damit ein Gegenmodell zu EU, TPP, TTIP oder Nafta. Auch über die Zukunft der Nato und den gemeinsamen Kampf gegen den Terror werden beide neue Modelle militärischer Allianzen erörtern.

In Brüssel und Berlin dämmert allmählich etwas

Vor kurzem noch bemitleidete Kontinentaleuropa Theresa May für den Brexit, man wähnte, sie wolle ihn nicht, habe keinen rechten Plan und müsse bei der EU um neue Abkommen betteln. Mittlerweile dämmert es in Brüssel, dass London mit seiner neuen Autonomie eng an die USA heranrückt und die EU nicht mehr braucht als umgekehrt die EU Großbritannien. Die Entscheidung Mays für einen “hard brexit” beim gleichzeitigen Angebot, eine gemeinsame Freihandelszone zu eröffnen, setzt Brüssel enorm unter Zugzwang. Denn an der Freihandelszone hat die EU (und insbesondere Deutschland) selber höchstes Interesse. Großbritannien aber kann nun mit Steuerdumping und Deregulierungen der EU mächtig Druck machen. Vor allem wird zusehends offenbar, dass die EU dringend reformbedürftig ist. Kurzum: May hat sich emanzipiert, amerikanisiert und einen cleveren Brexit-Weg gefunden.

Drittens wollen Trump wie May mit der Retro-Show “Donald & Theresa sind wie Ronald & Maggie” ihre Regentschaften symbolisch überhöhen und ins Bild einer neo-konservativen Zeitenwende einbetten. Da die achtziger Jahre für beide Länder eine erfolgreiche Comeback-Phase bedeuteten, soll das Spiel mit der Reminiszenz die strategische Linie einer neuen, goldenen Zeit zeichnen. May wird Trump rasch zu einem Staatsbesuch nach London einladen: roter Teppich, Queen, Pomp und Prunk: Das dürfte Donald Trump gefallen – zumal seine verstorbene Mutter, die aus Schottland stammte, ein großer Fan der Queen war.

Beide werden die neue Allianz also inszenatorisch stärken. Ihre Botschaft: Trump und May bilden auch eine zeitgeistige Achse, sind Teil eines historischen Megatrends: Der sanfte Multikulti-Wohltätigkeitsbazar der Obamas, Ban Ki-Moons und Merkels sei vorüber, nun formiere sich der Westen mit neuem Selbstbewusstsein, insbesondere mit einer wehrhaften Politik der Stärke gegen den allenthalben angreifenden Islamismus. Dieses Narrativ wird von linken Trump- wie Maykritikern unterschätzt. So wie weiland Reagan und Thatcher als Herolde des Antikommunismus historisch Statur gewannen und Geschichte prägten, so könnte sich auch hier eine neue Linie der Weltpolitik durchsetzen. Angela Merkel droht auch dabei plötzlich wie gestrig und an die Seitenlinie gedrängt zu wirken.

Gestalterin einer neo-konervativen Zeitenwende

Mit dieser Woche wird sich also das internationale Bild von Theresa May ändern. Bislang galt sie als die zaudernde “Theresa Maybe”, die wider Willen zur getriebenen Brexit-Gouvernante wurde. Fortan wird sie als Gestalterin einer neo-konervativen Zeitenwende wahrgenommen. Zunächst verkündigt sie den “hard brexit”, dann sucht sie den Schulterschluss mit Donald Trump, verkündet das Prinzip “Global Britain” und beschließt die Erneuerung der britischen Atomwaffen im Schulterschluss mit der US-Regierung.

Angela Merkel wird das alles mit Argwohn verfolgen. Merkel und May sind die beiden mächtigsten Frauen der Welt. Doch während Merkels weltpolitischer Stern eher sinkt, überrascht May die Welt mit einem neuen Narrativ. May findet ihre Rolle als Ärztin des Westens, die von Merkel als Krankenschwester der Globalisierung verliert an Einfluss.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European hier.

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Leserpost

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Wieland Schmied / 28.01.2017

Zitat Weimer: “May findet ihre Rolle als Ärztin des Westens, die von Merkel als Krankenschwester der Globalisierung verliert an Einfluss.” Gott sei Dank. Die Befreiung Deutschlands und damit letztlich ganz Europas kommt - so sieht es aus - wieder einmal von Außen - selbst schaffen es die obrigkeitshörigen Deutschen ja nicht sich der eigenen Vernichter zu entledigen.

Marc Bisop / 28.01.2017

Krankenschwester Merkel? Eher die Pflegehilfskraft, die mit Medizin-Überdosen über die Gänge schleicht. Irgendwann wird man auch sie erwischen…

Karla Kuhn / 27.01.2017

“Wie soll Gorbatschow gesagt haben ? “Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.”  Das war bei Honecker so und jetzt muß Frau Merkel dran glauben. Seltsamerweise beide aus der ehemaligen DDR, was für ein Omen.  Theresa May ist eine sympathische Frau und sie ist schlau. Ich habe sie nicht als zaudernd empfunden. Dieser Brexit war und ist ja eine total neue Erkenntnis, niemand konnte im Vorfeld wissen, wie er sich entwickeln würde. Auch Frau May hatte keinerlei Erfahrung damit. Daß er sich jetzt wahrscheinlich für England zum Guten entwickeln wird, sehe ich als einen Verdienst von ihr. Sie hat sich zu nichts treiben lassen und sie hat sich auch nicht entmutigen lassen, denn mit Kritik und Häme wurde ja wirklich nicht gespart. Der Erfolg des Brexits könnte übrigens andere EU Länder animieren, ebenfalls die EU zu verlassen. Wörter, wie “mächtigste Frau” oder “mächtigster Mann” sollten nicht verwendet werden. Das sind für eine bestimmt Zeit gewählte Volksvertreter, die zum Wohle des Volkes regieren müssen (sollten). Darum werden sie auch vom Volk bezahlt. Unter “mächtig” verstehe ich, wenn sich eine Person mit seinem (oft nicht ehrlich verdientem Geld) alles, auch Menschen kaufen kann. Allerdings ist das eine sehr traurige Macht.

Peter Zentner / 27.01.2017

Sehr geehrter Herr Weimer, Sie schreiben: “Angela Merkel wird das alles mit Argwohn verfolgen.” Der Argwohn wird ihr nicht helfen; zu lange hat sie sich auf den europäischen Karpfenteich konzentriert und den Atlantik mit seinen weit appetitlicheren Lachsen ausgeblendet. Die deutsche Kanzlerin hat nicht nur außenpolitisch irreversible Fehler begangen, was den ihr von “Time” einst verliehenen Titel der “mächtigsten Frau der Welt” reichlich abblättern ließ. Von ihr haben wir Narrative aller Art vernommen; das waren stets Sprechblasen ohne brauchbare Konsequenz, außer dass sie regelmäßig die Bürger um viel Geld erleichterten, wetterwendisch nach demoskopischen Daten formuliert. — Theresa May hat einen weiseren, realitätsnäheren Weltblick. Sie mit Margaret Thatcher zu vergleichen mag voreilig sein, aber sie ist eine Chefärztin, keine Krankenschwester der Globalisierung und ihres Landes.

Caroline Neufert / 27.01.2017

Wenn Sie nicht nur auf das Heute, sondern auch auf das Gestern schauen würden, wäre Ihnen erinnerlich, dass die Beziehung Merkel/ Obama nun gar nicht von “friendship” geprägt war. Und Amerikas Nähe zu UK sieht man schön im Informationsaustausch der Geheimdienste, auch vor May ;-). Also nix Besonderes.

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