Vera Lengsfeld / 09.11.2016 / 14:39 / 14 / Seite ausdrucken

Mauerfall in den USA

Es kam, wie Michael Moore in seinem Film „Trumpland“ es vorausgesagt hat: „Trump's election is going to be the biggest f— you ever recorded in human history and it will feel good.“ Dem politischen Establishment, das sich immer mehr als eine nach Weltherrschaft strebende Kaste sah, wurde, um es mit Moore zu sagen, der Stinkefinger gezeigt. Zivilisierter ausgedrückt: Dem internationalen Politiker-Netzwerk, das sich bis heute zu fest im Sattel sitzen sah, als dass es einen solchen Wahlausgang für möglich halten konnte, ist gezeigt worden, dass die Demokratie noch funktioniert. Wohl kein Präsidentschaftskandidat, nicht einmal Ronald Reagan, hat gegen eine solche Antipropaganda und falsche Umfragen die Schlacht gewonnen.

Die Überraschung des Politestablishments ist nur zu vergleichen mit der Überraschung der kommunistischen Nomenklatura, als sie 1989/90 hinweggefegt wurde. Wie tief die Fassungslosigkeit ist, wurde am Beispiel des ARD-Korrespondenten in New York Markus Schmidt deutlich, der nach dem Wahlsieg von Trump noch erklärte, die Wahl wäre entlang der Gender- und Rassengrenzen gewonnen worden. Für Trump hätten die weißen Männer und die Arbeitslosen gestimmt, für Hillary Clinton die Schwarzen, die Hispanics, die Gebildeten und die Frauen. Dass Hillary Clinton dann die Wahl mit Zweidrittelmehrheit hätte gewinnen müssen, fiel dem gestandenen Journalisten nicht auf. Solche Verheerungen können ideologische Vorurteile im Denken anrichten.

Schon in den ersten Minuten nach der Wahl hat Donald Trump gezeigt, dass man nicht Teil des Politikernetzwerkes sein muss, um als kluger Staatsmann aufzutreten. Er hat seine Anhänger warten lassen, bis der Anruf von Hillary Clinton kam, mit dem sie ihm zum Wahlsieg gratuliert hat. Als er dann in der Öffentlichkeit erschien, war sein Auftritt fein, bescheiden, demütig, dankbar, fern von allem Triumphgeheul.

Er bedankte sich als erstes bei Hillary Clinton für alles, was sie in den vergangenen Jahrzehnten für das Land getan hat, und fügte hinzu, dass es sein Wunsch sei, das zerrissene Land wieder zu vereinen. Er wolle der Präsident aller Amerikaner werden. Er bat alle, die ihn nicht gewählt haben, ausdrücklich um ihre Hilfe und Unterstützung. Sein Wahlkampf wäre kein klassischer Wahlkampf gewesen, sondern der Beginn einer Bewegung für eine bessere Zukunft.

Auch außenpolitisch schlug Trump versöhnliche Töne an

Er wolle dafür sorgen, dass der Staat wieder dem Willen des Volkes dient und versichert: „serve the people it will“. Trump will den amerikanischen Traum erneuern, das „Potential der Menschen zum Erblühen“ bringen. Die vergessenen Menschen würden nicht länger vergessen sein. Amerika würde wieder aufgebaut, die marode Infrastruktur erneuert. Den Veteranen, von denen er viele in den Wahlkampfwochen persönlich kennengelernt hätte, solle endlich die Anerkennung zukommen, die sie verdient hätten.

Auch was die Außenpolitik betrifft, schlug Trump versöhnliche Töne an: „Wir wollen mit allen gut zurecht kommen, die bereit sind, mit uns zurecht zu kommen. Wir werden mit allen fair umgehen“, versprach Trump, „keine Konflikte, sondern Partnerschaft“. Zum Schluss kam der besondere Dank für seine Unterstützer. Zuerst an seine Patchwork-Familie, denn außer seiner Frau hatten ihm alle Kinder aus seinen früheren Ehen geholfen. Politik sei hässlich und hart, sie hätten aber zu ihm gestanden.

Dann dankte er neben Rudolph Giuliani, dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister, auch Ben Carson, dem schwarzen Neurochirurgen, der sich als erster Mitbewerber in den Primaries für Trump ausgesprochen hatte. Außer bei seinen Unterstützern, zu denen auch 200 Generäle und Admiräle gehört haben, bedankte sich Trump bei den Polizisten, deren Arbeit zu wenig geschätzt werde. Nun, beendete er seine kurze Ansprache, müsse „gute Arbeit geleistet werden. Ich werde euch nicht enttäuschen!“ Nach vier Jahren sollen alle sagen können, dass etwas geschehen ist, worauf sie stolz sein können.

Was bedeutet die Wahl Trumps für Deutschland?

„Der Wahlkampf ist zu Ende, die Arbeit für die Bewegung beginnt. Ich liebe dieses Land“. Nach dieser klugen Rede war die Nörgelei der ARD-Wahlrunde, die nur aus Clinton-Anhängern bestand, einfach ätzend und peinlich. So führen sich nur die schlechtesten aller Verlierer auf.

Was bedeutet die Wahl Trumps für Deutschland, abgesehen von der „totalen Überraschung, Fassungslosigkeit, Ratlosigkeit“? Wenn Clinton gewählt worden wäre, hätte das automatisch die vierte Kanzlerschaft für Merkel bedeutet. Das ist jetzt keineswegs mehr sicher. Kanzlerin Merkel und ihr Lager täten gut daran, die Signale zu hören, die von der US-Wahl ausgingen. Nicht nur die Amerikaner haben von einem Politiker-Establishment die Nase voll, das sich wie Feudalabsolutisten aufführt.

Ich war, nachdem ich ihn in den Primaries selbst erlebt hatte, anfangs sehr gegen Trump. Meine Meinung habe ich revidiert, als ich vor ein paar Wochen seine außenpolitische Rede hörte. Immer wenn Beifall aufbrandete und in Trump-Trump-Rufe überging, stoppte der Kandidat seine Anhänger und fuhr fort. Ich dachte, dass mir ein Präsident, der sich nicht im Beifall sonnt, lieber ist, als eine Kanzlerin, die sich einen zehnminütigen Beifall bestellt und ausführen lässt. Dass die deutsche Kanzlerin, die mitgeholfen hat, Recep Tayyip Erdogan auf den Schild zu heben, nun den kommenden amerikanischen Präsidenten indirekt ermahnt, "demokratische Grundwerte zu achten", lässt nichts Gutes ahnen. Frau Merkel, es ist Zeit, zu gehen.

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Leserpost

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Jochen Brühl / 10.11.2016

Ich könnte mir vorstellen, dass sich Trump die selbst zurechtgezimmerten “Grundwerte” der Politnomenklatura in Deutschland für eine Zusammenarbeit nicht diktieren lassen wird. Der kann warten, bis die hier was wollen. Alle Hinweise zur Verhinderung von Terroranschlägen, deren Entstehungsgefahr wir ganz alleine zu verantworten haben, kamen aus den USA, nicht von unseren eigenen Diensten. Wenn Mutti jetzt aus ihrem moralischen Imperativ heraus nicht mit Trump zusammenarbeiten will, kommen bald keine Hinweise mehr und hier macht es BUM, nicht in Amerika. So einfach ist das.

Johanna Greger / 10.11.2016

BRAVO - klasse geschrieben! Was für eine wohltuende Abwechslung zu all dem Trump-Bashing in den deutschen Printmedien und den öffentlich-rechtlichen Sendern! Erst gestern wieder bei Maischberger die Kampflesbe der Nation Alice Schwarzer, die ihren ganzen Hass auf ihr Feindbild “Männer” im Allgemeinen und “ganze Kerle” im Besonderen nur mühsam zügeln konnte und schließlich den Satz “Die weißen Männer sind ein Problem.” von sich gab. Das muss man sich mal vorstellen. Auf das erste Treffen von Trump mit Murksel oder Steinmeier bin ich sehr gespannt, es dürfte alles andere als herzlich ausfallen.

JF Lupus / 10.11.2016

Danke für diesen Beitrag! Solche Texte und die Kommentare zeigen mir, dass ich nicht alleine bin, dass es noch Hoffnung gibt, solange nicht alle Vernunft “vermerkelt” ist.

Franz Platz / 10.11.2016

Dass Frau Merkel sich erkühnt, den neuen amerikanischen Präsidenten an demokratische Richtlinien zu erinnern, halte ich für arrogant. Sie sollte ihr Augenmerk viel mehr darauf richten, was zur Zeit in “ihrem” Land zum Beispiel bezüglich der Meinungsfreiheit geschieht. Dazu findet sie leider keine Worte.

Dr. Jesko Matthes / 10.11.2016

Thank you, Mrs Lengsfeld, that’s the point.

Anna Kasperska / 10.11.2016

Sehr geehrte Frau Lengsfeld vielen Dank für Ihren, wie immer so treffenden Artikel, diesesmal zur Wahl von D. Trump als den neuen Präsidenten der USA. Es ist mir immer wieder ein Vergnügen, Ihre Artikel zu lesen und dabei ein wenig “Antidot” und Trost zu dem geistigen Gift der öffentlich-rechtlichen, obrigkeitshörigen Meinungsmachern in diesem Land, zu erleben. Ich bin voller Bewunderung für Ihre Ausdauer und Kosequenz, sich über so viele Jahre schon gegen die Auswüchse der politischen Macht publizistisch einzusetzen. Danke.

Thomas Brosius / 09.11.2016

Aber er hat doch sowenig außenpolitische Erfahrung.Killary hat die. In Syrien z.Bsp. .Abertausende könnten das bezeugen.Wenn sie noch lebten.

Hans-Peter Kimmerle / 09.11.2016

Frau Lengsfeld, Sie schreiben mir aus dem Herzen. Die Gratulation mit ihren Bedingungen von Frau Merkel an den neu gewählten Präsidenten der USA ist an Selbstgerechtigkeit und Respektlosigkeit nicht zu überbieten. Es ist höchste Zeit: Die Frau sollte mit ihrer Unerträglichkeit einfach abtreten.

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