Gastautor / 06.02.2016 / 19:28 / 19 / Seite ausdrucken

Mainz wie es stinkt und lacht: Propaganda-Karneval im ZDF

Von Hans-Martin Esser

Wenn man sich ansehen will, wie weit sich Deutschland in seiner Medienberichterstattung von demokratischen Standards entfernt hat, wie man sich dies vor zwei Jahren nicht annähernd hat vorstellen können, dann verweise ich auf das ZDF. Und ebenfalls wenn man erstaunt zur Kenntnis nehmen will, was in diesem Land vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen für Humor gehalten wird.

Karnevalsfan, der ich bin, schaltete ich das ZDF gestern Abend am 5. Februar an (Mainz wie es singt und lacht um 20.15 Uhr), schnell verging mir der Spaß. Gegen 22.30 h – also pünktlich zur Heute-Show-Propaganda-Zeit, kam der Kabarettist Lars Reichow vor gewohnter Kulisse, die an eine ZDF-Nachrichtensendung erinnern sollte.

Er vermischte Politik und Bibel, führte die 10 Gebote an und verwechselte sie mit unserem Grundgesetz, keiner der anwesenden Politiker wirkte irritiert, alle klatschten, allesamt Minister und Ministerpräsidenten in unserem Land, keiner will Spielverderber sein. Nun sollte doch gerade im Karneval klar sein:  Ein Land wie Deutschland, das im Geiste jüdisch-christlicher Geschichte steht, ist kein Gottesstaat. Lustig war das jedenfalls nicht, sondern ein Tiefpunkt bemühten deutschen Dumpfgummi-Humors auf Kosten anderer.

Eines fand ich besonders geschmacklos. So warf er den Polen vor, in der Wahlurne wohl zu viel Wodka getrunken zu haben, naja, sonst hätte man ja kaum PiS gewählt. Polenwitze waren vor dem Zeitalter der political correctness schon abgestanden, heute sind sie offenbar salonfähig. Man braucht einen Bösen und da eignen sich im ZDF ja nicht die Krawallbrüder aus der Silvesternacht, sondern eher die friedlichen Polen, die unter deutscher Schikane schon oft litten.

Unsäglich war dann die folgende Einlassung: Jarosław Kaczyński sei ein eineiiger Zwilling. Und jetzt kommt es: sein Bruder („das andere Ei“) sei ja vor Jahren aus dem Nest auf den Boden gefallen, gemeint war der Flugzeugabsturz, der viele polnische Offizielle in den Tod riss. Seit 1945 hat man nicht so viel offene Polenfeindlichkeit in Deutschland gesehen. In so zynischer Weise über den Tod durch Flugzeugabsturz eines verstorbenen demokratisch gewählten Politikers zu reden, ist nicht nur widerwärtig, sondern tief verletzend.

So weit ist das ZDF gesunken.

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Leserpost

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Bernhard Böhringer / 07.02.2016

Beim Marsch durch die Institutionen war auch der Elferrat gemeint.

Astrid Schleicher / 07.02.2016

Ich fand es auch schlimm, gerade die von Ihnen erwähnte Geschmacklosigkeit war der absolute Tiefpunkt. Knapp drüber blieb der Gutenberg, der ebenfalls manche Boshaftigkeit völlig humorfrei und nur noch giftig präsentierte. Aber der Meßdiener und die Werbefuzzis haben mir gefallen, und die Hofsänger sowieso. Und daß die Sponheimer noch lebt, wußte ich gar nicht. Ich habe aus Termingründen seit Ernst Negers Zeiten nur noch selten Karnevalssendungen gesehen :) Zwar versucht man verkrampft politisch-korrekt zu bleiben, aber die Zahl der Sitzungsübertragen hat seit damals ja sogar zugenommen (zweimal Köln), so daß mir dabei zugleich in Zeiten wie diesen eine pegidesk-bodenständige Sehnsucht nach Heimat und Beständigkeit durchscheint. Ein “Jetzt erst recht” war in allen Sendungen für mich immer spürbar. Als in meiner Kindheit Tina York geträllert hat “Wir lassen uns das Singen nicht verbieten” habe ich immer gedacht “Mein Gott, wer will das denn?” Heutzutage wird Fröhlichkeit wohl tatsächlich etwas trotziger. Man ahnt, was man noch nicht zugeben will: Wir werden mit Spaßbremsen bereichert.

Robert Hagen / 07.02.2016

Bravo! Der angesprochene Teil der Sendung - man könnte weitere Passagen noch dazuzählen -, genauer: die “karnevalistische Darbietung”, waren schlicht schändlich.

Rainer Hoffmann / 06.02.2016

Ja, zutreffender Kommentar. Es war regelrechtes Fremdschämen vor dem Fernseher angesagt gewesen, um diesen peinlichen Trash im ZDF ertragen zu können. Und wie falsch und dumm die Witz-Einlagen des Lars Reichow gewesen sind, ist auch schon daran erkennbar gewesen, dass YODA (!) in “STARWARS 7” gar nicht mehr mitgespielt hat. Da wollte wohl witzig sein jemand.

Günter H. Probst / 06.02.2016

Die Zwangsfinanzierung des Staatsfernsehens sollte politisch abgeschafft werden. Die übrig bleibenden Sender können sich dann, wie die Bezahlsender, von den verbleibenden Kunden freiwillig bezahlen lassen.

Andreas Donath / 06.02.2016

Ich habe ganz ähnlich empfunden und verspürte danach keine Lust mehr auf die polemische Gutmenschelei des erklärten, heiß glühenden Merkel-Fans Reichow, die dieser offenbar mit Humor verwechselt, weil die versammelte Honoratiorenkaste es artig beklatscht und er auf dem Lerchenberg damit Pluspunkte sammelt. Dieser eklige Ton Polen, Ungarn und auch Russen gegenüber treibt mir die Zornesröte ins Gesicht. Er kommt in letzter Zeit zunehmend von Protagonisten und Verehrern der europabesoffenen und mittlerweile doch überall isolierten Merkel-Regierung und mutet dreist, schulmeisterlich und herabsetzend an. Alle, die ihre Völker und Nationalstaaten für etwas Schützenswertes halten, ziehen den Zorn der deutschen Bessermenschen auf sich, die in grober Geschichtsverkennung meinen, alles Nationale sei rückständig und böse und würde den Segnungen der wunderbaren, gottgewollten neuen Weltordnung, in der alle gleich und manche noch gleicher sind, entgegenstehen. Früher nannte man das “am deutschen Wesen soll die Welt genesen” -  und ich will nicht, dass irgendwer auf dem Globus an meinem/unserem Wesen genesen soll. Lasst doch um Gottes Willen alle nach ihrer Fasson glücklich werden und respektiert das Eigene, Spezifische und Unaustauschbare. Nein, Herr Reichow, das war nicht lustig, sondern einfach nur geschmacklos.

Georg Vosen / 06.02.2016

Danke schön. In meinen Augen war Lars Reichows Beitrag das erbärmlichste Zeugnis einer nicht mehr vorhandenen Diskursbereitschaft und eines zentral geführten Medienstaates. Wer unsere allerverwandtesten und noch dazu freundlich-kritischen Nachbarn derart niveaulos vor den Kopf schlägt, der hat nicht im Entfernstesten begriffen, worum es in den nächsten Jahren gehen wird.

Josef Kneip / 06.02.2016

Die „politisch-literarische“ Fassenacht in Mainz hat mit Narrenfreiheit nichts mehr zu tun. Das Privileg der Narren lag immer darin, der Obrigkeit kritisch den Marsch zu blasen. Davon war in der jüngsten Sitzung „Mainz wie es singt und lacht“ aber auch gar nichts zu hören und zu sehen. Im Gegenteil. Dafür wurde auf ausgesuchte, der Obrigkeit lästige Subjekte und Parteien teilweise unfair eingedroschen. Von Regierungskritik keine Spur. Und das in Zeiten, in denen gerade von unserer, dem Recht und Gesetz verpflichteten Führungs-„Elite“ diese Werte, einschließlich der Verfassung, in krimineller Weise mit Füßen getreten werden und die Demokratie nach und nach demontiert wird. Wo zudem eine verantwortungslose und diktatorisch betriebene Flüchtlingspolitik Merkels Deutschland finanziell und kulturell ins Chaos treibt. Kein Wort oder Reim darüber. Schafft sich auch die närrisch-literarische Fassenacht ab, weil sie solche Steilvorlagen nicht nutzt? Oder darf sie es nicht, weil die öffentlich-rechtlichen Sender es nicht zulassen? Da Integration laut offizieller Lesart keine Einbahnstraße sein darf, erklingt in Sitzungen der nächsten Jahre sicher neben dem Helau auch der Ruf Allah und der Imam macht dem Kardinal den Platz streitig. Wir schaffen das? Das schaffen wir ganz sicher, und uns selbst - ab.

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