Dagegen steht die Beliebtheit der Kanzlerin. Sie hat zwei Gründe: Mit ihr sind die Deutschen, das glauben sie jedenfalls, bisher gut durch die Euro-Krise gekommen. Und deshalb glauben viele, das Land sei auf dem richtigen Weg. Also erwarten sie von Merkel weder Aufbrüche noch Visionen. Das kommt Angela Merkel entgegen. Sie, die Physikerin und Pragmatikerin, hat keine Visionen, und vermutlich hat sie auch keine Grundsätze. Sie besetzt einfach Politikfelder, egal, wem sie bisher gehört haben. Darum ist sie von der SPD auch so schwer zu packen – der Sozialdemokrat als solcher betrachtet die Welt immer sehr grundsätzlich.
Vor diesem Hintergrund entscheidet auch nicht das wachsende Heer der Nichtwähler die Bundestagswahl. Wahrscheinlich macht sich Merkel wenig Sorgen um diese Gruppe, weil sie von allen etablierten Parteien gleichmässig abfällt. Merkel ist es egal, wie sie Kanzlerin bleibt, ob bei einer Wahlbeteiligung von 80 Prozent oder 60 Prozent. Die Entfremdung breiter Teile der Bevölkerung von der praktizierenden politischen Klasse wird das Problem künftiger Generationen, nicht mehr das der Angela Merkel, höchstens ihre Erblast. http://www.nzz.ch/meinung/debatte/die-neue-deutsche-farbenlehre-1.17972109