Henryk M. Broder / 23.01.2007 / 22:27 / 0 / Seite ausdrucken

Lost And Found In Heidelberg

Im Star Coffee Shop kann man im Fenster sitzen, wireless surfen und den Heidelbergern beim Flanieren zuschauen. Man muss nix bestellen und bekommt trotzdem einen Zugangscode zum WLAN. Im „Schafheutle“ gegenüber dem Kurpfälzischen Museum sitzen die älteren Semester und surfen in Erinnerungen. 1933 aufgemacht, ist das Cafe noch immer im Familienbesitz, aber gewisse Minderheiten, denen damals der Zutritt verweigert wurde, sind heute als Gäste willkommen. Die Kuchen sind großartig und der Kakao wäre auch in Holland eine Sensation. Da will man weder kleinlich noch nachtragend sein.
Das Cafe/Weinstube Burkardt ist eine Kategorie für sich. Das Wort „gemütlich“ gibt die Einrichtung und die Atmosphäre so unzureichend wieder, als würde man Anna Nicole Smith nur als „scharf“ beschreiben.  In dem Haus wurde Friedrich Ebert geboren, aus der Weinstube führt eine Tür direkt zur Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, die von einer Stiftung des Bundes unterhalten wird.
Gleich daneben die „Sonderbar Betreutes Trinken“, ein Biotop der 6oer Jahre, der Wirt ist jünger als das Mobiliar. Gegenüber im „Grünen Engel“, established 2oo1,  gibt es die „weltgrößte Auswahl“ an „Absinthe & Accessoires“,  sogar eine Absinth-Torte aus Italien.  Die „grüne Fee“, die schon Baudelaire, Manet, Rimbaud, Verlaine, Wilde, Gauguin und van Gogh berauscht hat, war rund 8o Jahre fast überall in Europa und den USA verboten, bevor der psychodelische Kräuterlikör 1998 von der EU wieder legalisiert wurde.
Links um die Ecke der einzige Sex-Shop der Stadt. An der Kasse sitzt eine junge Frau und liest im Bürgerlichen Gesetzbuch. Sie hat BWL studiert und eine Ausbildung als Verwaltungsfachfrau abgeschlossen. Um den Job haben sich 5o, 6o Leute beworben. Ob sie von den Kunden angemacht wird? „Nicht öfter als sonst auch.“ Das Sortiment ist überschaubar, Kreditkarten werden nicht angenommen, die Kasse und die Einrichtung stammen aus den 8oer Jahren. Es ist nicht viel los, die Studenten und Professoren sind mit Klausuren zum Semesterende beschäftigt.
Die tischtennisballgroßen „Energiebällchen“, die Regina daheim herstellt und auf der Straße verkauft, bestehen aus Haferflocken, Butter, Zucker, Kokos und Carob.  Hat man sich an den Geschmack gewöhnt, möchte man sie nicht mehr missen. Wenn sie nicht mit den kleinen Kalorienbomben unterwegs ist, arbeitet Regina als selbständige Finanzberaterin.  Als derzeit sichere Anlage empfiehlt sie ihre „Energiebällchen“, vier Stück zu zwei Euro.

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