Deutschlands Politik schaltet auf heißen Wahlkampfmodus, und plötzlich fordert Peer Steinbrück gesetzliche Preisbindungen von Mieten bis Bankenzinsen. Der sozialistische Traum von Befehlspreisen ist populär – und doch barer Unsinn.
Erst brachte ihn die Nebenverdienstaffäre an den Rand der Kapitulation, dann schwächten Scharmützel um Schachspenden, Billigweine und Heuschreckenberater seinen Wahlkampf, schließlich verlor er eine völlig unnötige Schlacht um Kanzlergehälter. Da nun auch die Hausbesuch- und Eierlikör-Offensive von Peer Steinbrück zu scheitern droht, wird eine Uralt-Waffe aufs Wahlkampfeld geschleift: die sozialistische Dampframme.
Ausgerechnet der Pate der Agendapolitik, Marktwirtschaftsversteher und Bankenfreund Peer Steinbrück fordert plötzlich sozialistische Befehlspreise. Man reibt sich die Augen, aber der SPD-Kanzlerkandidat will auf einmal mehrere Verbraucherpreise staatlich reglementieren. Und zwar immer dort, wo er Volkes schnelle Zustimmung wittert.
Einmal ruft er nach einer “Mietpreisbremse”, damit Wohnen auch für kleine Leute erschwinglich bleibe. Ein anderes Mal fordert er die gesetzliche Deckelung von Dispo-Zinsen bei Banken. Die Linkspartei jubelt ihm zu und Sahra Wagenknecht lobt im saftigen Gestus eines sozialistischen Bruderkusses: Steinbrück zeige, dass “eine gemeinsame Politik von SPD und Linken zum Wohle der Menschen” möglich sei. Das rot-rote Koalitionsangebot steht damit, denn Steinbrück hat mit seinem Vorstoß das Zentralstück der sozialen Marktwirtschaft angegriffen: die freie Preisbildung.
In seiner Not greift der einst so wirtschaftsorientierte Kandidat einen neo-sozialistischen Trend linker Zirkel auf, die in vielen Branchen weitreichende Preisreglementierungen für Deutschland fordern. Von Energiekosten über das Benzin bis zu Mindestlöhnen und Arzneimitteln wollen sie staatliche Preisregime einführen.
Mit Steinbrücks Vorstoß zu “gesetzlich gedeckelten” Befehlspreisen bei Zinsen und Mieten greift er tief in die ideologische Mottenkiste. Weder Helmut Schmidt noch Gerhard Schröder hätten mit Preisstopp-Forderungen Wahlkampf gemacht, schon weil beide wissen, dass die nicht funktionieren, wohl aber Schaden anrichten können.
Wird nämlich – egal ob bei Mieten, Autos oder Brot – ein Preisstopp bestimmt, so führt das zu Angebotsverknappung, zur Entstehung schwarzer Märkte und zu Qualitätsverschlechterung.
Die SPD-Legende Karl Schiller wehrte sich bereits vor vierzig Jahren gegen solche Ideen aus der linken Ecke und warnte, die „Leiche der Sozialisierung“ wieder auszubuddeln. Schiller lehnte jeden Mietstopp ab, weil er wußte man dass die Zentralmechanik von Angebot und Nachfrage besser nicht außer Kraft setzen sollte – insbesondere nicht, wenn man Wohlstand für möglichst viele schaffen will.
Die Preisbildung ist das Herzstück der Marktwirtschaft, sie sorgt für das ökonomische Informationssystem, macht Knappheiten und Bedürfnisse transparent und steuert Ressourcen zielgenau. Die sozialistische Idee staatlich regulierter Preise schadet letztlich immer genau denen, denen sie helfen sollte. Das weiß Peer Steinbrück nur zu gut. Er wähnt sich seit Jahren in einer direkten Traditionslinie zu Karl Schiller und Helmut Schmidt, und bis vor kurzem wären ihm solche Vorschläge nie und nimmer über die Lippen gekommen. Insofern ist die sozialistische Dampframme der Befehlspreise weder ein vernünftiger Vorschlag noch ein aussichtsreicher Wahlkampfschlager. Sie ist ein Verzweiflungsakt.