Roger Letsch / 16.10.2016 / 14:00 / Foto: Tomaschoff / 5 / Seite ausdrucken

Lasst Gebühren regnen: Die ARD und das BIP

Leiten Sie ein Unternehmen? Machen Sie zu wenig Umsatz, weil Sie kostbare Zeit damit verschwenden müssen, den Markt zu beobachten, Angebote abzugeben oder einzuholen? Zwingt Sie der Kostendruck zu immer neuen Anstrengungen, Ihre Produktivität zu erhöhen und Ihr Angebot neu zu strukturieren? Brechen Ihnen Märkte weg, während sich neue nur mühsam öffnen? Kommt das Geld nicht von allein oder aus dem Automaten? Nun, ich weiß natürlich nicht, in welcher Branche Sie tätig sind. Auf keinen Fall jedoch sind Sie Chef eines Senders der ARD-Gruppe!

Nachdem unsere öffentlich-rechtlichen Medien erfolgreich das GEZ-System von einem Fahndungssystem gegen anarchische Totalverweigerer in eine egalitäre Kopfsteuer umgewandelt haben, müssen diese mal wieder angepasst werden. Am besten, so die ARD, täte man dies zeitgemäß mit einer Automatik – indem man die Steigerung der Gebühr (die sich wie eine Steuer anfühlt) an das BIP koppelt, weil das so schön flexibel ist und man nicht Jahr für Jahr bei der Politik um mehr Geld betteln möchte.

Dabei ist das Bruttoinlandsprodukt ein besonders delikater Kandidat für die Ehe mit öffentlichen Medien, nicht nur deshalb, weil dieser Index mit dem Sendeauftrag der ARD nichts zu tun hat. Das BIP ist kein Maßstab für Inflation, Wohlstand oder auch nur den Zustand eines Landes. Es zeigt lediglich die Summe aller Waren und Dienstleistungen an, die innerhalb eines Jahres erwirtschaftet wurden – alles, was sich mit Geld nicht ausdrücken lässt, ist nicht drin.

Wenn also die deutsche Export-Wirtschaft Rekorde feiert, steigt das BIP. Steigt der Rohölpreis stark an und das Tanken wird teurer, steigt das BIP. Das BIP steigt aber auch, wenn bei einem Massenunfall auf der A1 150 Autos zerdeppert werden, die umliegenden Kliniken Überstunden machen müssen und die Rettungskräfte danach psychologische Unterstützung brauchen. Ebenso nützlich für das BIP sind Erdbeben, Tornados, Sturmfluten, Selbstanzeigen von Steuersündern, ein Winter mit viel Eis, Schnee und Heizkosten sowie steigende Umsätze privater Medienunternehmen. Nur das Zeug, was man geraucht haben muss, um auf solche Finanzierungsideen zu kommen, das zählt ausgerechnet nicht zum BIP.

Die Ausgabenkurve im Öffentlich-Rechtlichen kennt nur eine Richtung: Nach oben

Überspitzt formuliert: Jede Stadionprügelei von Hooligans und die daraus resultierenden polizeilichen Maßnahmen, jede Eskalation bei einer Pegida-Demo, jeder Flüchtling, der untergebracht, versorgt und betreut werden muss, brächte der ARD Geld. Es ist der feuchte Traum jedes Geldverschwenders, dass automatisch jedes Jahr mehr Geld zur Verfügung steht. Einfach so, Quantität vor Qualität. Hauptsache mehr, egal woher.

Warum nur, werden Sie sich fragen, kommt die ARD auf solche Ideen? Geht es der ARD finanziell so schlecht, dass man sich dringend an einen steigenden Index anwanzen muss? Geht man vielleicht davon aus, dass bei steigendem BIP die Bevölkerung eher bereit sein wird, steigende Kosten für ARD und ZDF zu finanzieren? Und was wäre, wenn das BIP wie von 2008 auf 2009 auch mal wieder sinken würde? Gäbe es dann weniger Geld für ARD und ZDF, oder würde man sich dann eine andere ökonomische Kennziffer suchen, die in diesem Fall besser zu Sendungsbewusstsein und Finanzbedarf passt? Langfristig zeigt die Ausgabenkurve im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nämlich nur in eine Richtung: nach oben, egal welche Berechnungsgrundlage man für die Ermittlung des Finanzbedarfs anwendet.

Aber bleiben wir ruhig bei der Idee mit einer aussagekräftigen ökonomischen Kennziffer. Wir sollten aber eine wählen, die sich unmittelbarer als das Katastrophen-Affine BIP am Geldbeutel der Bürger orientiert. Koppeln wir die Rundfunkgebühren an den Verbraucherpreisindex in Deutschland. Aber bitte umgekehrt proportional!

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt hier.

Foto: Tomaschoff

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Leserpost

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Ralf Neitzel / 17.10.2016

Je mehr man sich davon entfernt, dass ein Kunde aus freien Stücken etwas kauft, wenn ihm der Preis zusagt, desto mehr Planwirtschaft hat man. Wo das hinführt, wissen wir. Wenn man gezwungen wird, für etwas zu bezahlen, sinkt die Leistung. Auch das ist nichts neues. Die Diskussion über “atmende” Gebühren soll davon lediglich ablenken. Mit freundlichen Grüssen Ralf Neitzel

Rolf Permeier / 16.10.2016

Na jetzt wo ja schon Schätzungen zum Bruttokokainkonsum mit in das BIP einfliessen wären das goldene Zeiten… fürs Näschen. Man muss den GEZ Ablassbetrieb mal an den hochgeladenen YouTube Videos pro Jahr vergleichen. Das sind so etwa 150 Mio Stunden (Tendenz steigend), wobei der dt. Markt wohl so 2% ausmacht und wenn man da nochmal die 98% Müll rausfiltert, dann enden wir bei um die 60.000 Stunden kostenlosem Qualitätsmaterial. Pro Tag wären das knapp 170 Stunden, oder 7 Sendeanstalten für ein 24h Programm. Nimmt man nun an, dass nur 16 Stunden Programm von Nöten ist, dann wären das ganze 10 Sender, die man dann sogar regional und thematisch ausrichten könnte. Die Frage ist, was es braucht, um täglich 10.000 Stunden Video durchzugehen. Als Laie würde ich sagen, dass drei Viertel der Videostunden auf den ersten Blick nichts sind und der Rest kann mit doppelter Geschwindigkeit durchgegangen werden. Man braucht also 1250/5=250 Rechercheure, 10 Redaktionen a 10 Personen und nochmal ein Viertel mehr an Mitarbeitern für den Rest: Alles in allem definitiv weniger als 1.000 Personen + Räumlichkeiten, die insgesamt nicht mehr als 200 Mio Euro im Jahr kosten würden. Zum Vergleich (Zahlen von Wiki): Das ZDF hat 3.600 feste Mitarbeiter (vermutlich nochmal die doppelte Anzahl an Pensionslastigen), ein Budget von 1,6 Mrd Euro und liefert in etwa genauso viel Müll wie YouTube, also 98%.

Judith Hirsch / 16.10.2016

Ich würde meine Demokratieabgabe lieber an die Achse oder den Einblick überweisen. Wenn so limitierte Personen wie Kaddor, Hayali und Reschke, deren hetzerischer Dilettantismus vor 3 Tagen in dem Satz “Niemand hat nachweislich mehr gelogen als Trump” gipfelte, mit einem Preis nach dem anderen belohnt werden, ist das nicht nur absurd, sondern gefährlich. Diese Zugpferde von ARD und ZDF sind von ihrem Auftrag so sehr beseelt, dass sie ihre Lügen selbst glauben. Einsicht, Selbstkritik oder gar eine neutrale Berichterstattung (wurde immerhin vom Gesetzgeber garantiert) ist diesen selbstgerechten Damen unmöglich.

Dietrich Herrmann / 16.10.2016

“Langfristig zeigt die Ausgabenkurve im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nämlich nur in eine Richtung: nach oben.” Und gleichzeitig zeigt die Qualitätskurve langfristig ganz, ganz steil nach unten. Immer blöderes Sendungsmaterial, immer mehr manipulierteres Moderatorenmaterial usw.

Peter Zentner / 16.10.2016

Es ist erst ein paar Wochen her, da forderte (wenn ich nicht irre) Sigmar Gabriel eine “atmende Mineralölsteuer”, die an steigende Benzin- und Dieselpreise gekoppelt werden, also automatisch mit diesen steigen oder sinken sollte., ohne erst gesetzlich verankert werden zu müssen. Die ARD- (und zweifellos auch ZDF-) Goldgräberei ist also nicht neu. Und mühelos dazu; denn das Programm darf so bescheiden bleiben, wie es ist, und die gewaltigen Gehälter und Betriebsrenten nicht minder. Eine Bonanza für mühelos erschürfte Nuggets.

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