Wolfgang Röhl / 21.08.2013 / 18:33 / 11 / Seite ausdrucken

Lasst die „taz“ in Ruhe

Jetzt hacken alle auf der taz rum. Sogar der kluge FAZ-Medienredakteur Michael Hanfeld. Was hat sie denn angestellt, die Grünen-Umschau? Also, ein taz-Schreiber hat einen Artikel zum Thema Grüne & Pädophilie verfasst. In dem steht sinngemäß, Kindesmissbrauch habe quasi zur DNA der Grünen gehört. Die Chefredakteurin der taz hat das Stück aus dem Blatt gekegelt. Nun schreien alle: Zensur! Die taz wolle verhindern, dass das Kinderfickerthema noch stärker auf die Tagesordnung gerät und den Grünen womöglich ihr Wahlergebnis ein Stückchen weit vermasselt.

Diese Sichtweise ist natürlich richtig. Aber wo ist der Skandal?

Die taz ist doch keine Zeitung, wie die FAZ, die „Süddeutsche“, die „Welt“ oder der „Trierische Volksfreund“. Richtige Zeitungen müssen bis zu einem gewissen Grad ehrpusselig sein. Müssen so tun, als berichteten sie ausgewogen, nach allen Seiten kritisch, „objektiv“ eben. Einfach deshalb, weil sie mit reinem Kampfblattgedöns nicht genügend Leser außerhalb ihrer Kernklientel fänden. Nicht mal die Prantl-Prawda könnte überleben, würde sie einzig und allein the world according to Heribert ausbreiten.

Ganz anders die taz. Sie wird im Wesentlichen von einer Genossenschaft am Leben gehalten. Neuntausend Genossen, die meisten wohl Parteigänger der Grünen, wenden zum Teil nicht unerhebliche Summen dafür auf, dass ein auf ihre Bedürfnisse maßgeschneidertes Produkt erscheinen kann. Für ihre Kohle bekommen sie einen Content geboten, den es so woanders nicht gibt. Eine eigene, ganz aparte Welt, in der friedliche Völker sich gegen kriegslüsterne Amis und Israelis wehren, sympathische Biobauern gegen die Allmacht der Agrarlobbyisten aufstehen, Windräder und Solardächer schon heute die Stromversorgung sicherstellen könnten und Multikulti kein Problem wäre, gäbe es nicht überall Nazis.

In dieser kurz geschorenen grünen Spießeridylle wuchern ab und zu auch mal Blumen des Bösen (etwa, als sich ein Taz-Kolumnist wünschte, Sarrazin möge gefälligst verrecken, was manchen taz-Lesern dann doch zu weit ging). Aber im Allgemeinen ist die Welt der taz ordentlich, berechenbar, ja optimistisch. Gut und Schlecht sind zuverlässig sortiert, Lösungen für alles und jeden vorhanden. Debatten finden in der gedruckten taz (mit manch unerbetenem Beitrag in seinen online-Foren hat das Blatt allerdings ein Problem) gewöhnlich im ideologisch exakt umzäunten Raum statt. Ungefähr so, wie Rosa Luxemburg ihre „Freiheit des Andersdenkenden“ verstand. Für den Klassenfeind galt sie ja keineswegs, die Freiheit der famosen Rosa.

Wer aber den Grünen unterstellt, diese hässliche Kindernummer von damals sei weit mehr gewesen als ein bedauerlicher Ausrutscher - was ist der denn wohl?

Die taz ist die privateste Zeitung, die wir haben. Vergleichbar höchstens mit dem von ADAC-Mitgliedern finanzierten Clubmagazin „Motorwelt“. Kann man der Motorwelt vorwerfen, dass sie keine Artikel druckt, welche zum Ergebnis kommen, das Automobil sei die größte Scheiße, die je erfunden wurde?

Lasst die taz in Ruhe. He who pays the piper calls the tune.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/gruene-und-paedophilie-die-taz-kippt-einen-artikel-12538638.html

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Leserpost

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Klaus Metzger / 22.08.2013

Ganz zu recht wird die TAZ als Parteizeitung beschrieben. Neues Deutschland gekreuzt mit Greenpeace Magazin quasi. Solange niemand gezwungen wird sie zu lesen, ist das auch nicht schlimm. Was allerdings nachdenklich macht, ist, in wie vielen Talkrunden im öffentlich rechtlichen Rundfunk Vertreter der TAZ ihre Parteimeinung zum Besten geben dürfen. Was sagt das über die Objektivität und Neutralität in den durch Demokratieabgabe finanzierten Redaktionen aus? Und warum ist diese Zeitung in allen öffentlichen Bibliotheken präsent, meist neben dem Freitag, der Hobby-Zeitung dieses millionenschweren Salonsozialisten Augstein, der im übrigen auch ständig durch alle Talkshows geistert. Wie sieht die politische Gesinnung im steuerfinanzierten öffentlichen Sektor aus? Ist Luc Jochimsen vielleicht nur die Spitze des Eisbergs?

Walter Schwer / 21.08.2013

Eigentlich müsste ich H. Röhl vollkommen recht geben, gäbe es da nicht ein kleines Problem. Kaum eine andere Zeitung wird so oft im DLF “zitiert” wie eben diese kleine “TAZ”. Beginnt man nun zu fragen, “warum?” dem so ist, besteht die Gefahr, dass man am Ende der vielen Fragen (und Antwort) im übertragenen Sinne zu dem Ergebnis wie ein gewisser Herr Kohlhaas kommen kann und sich aktualisiert fragt: “Wer hat eigentlich 1989 wirklich gewonnen?”.

Werner Scholz / 21.08.2013

BEIFALL! :- ) Es ist ein Genuss, zu lesen, wie diese ideologische Spießigkeit der “taz” mal mit deutlichen Worten offengelegt wird. Dass die heile Welt der Grünen im Allgemeinen und der “taz” im Besonderen dummerweise so kurz vor den Wahlen von kleinen Erdbeben - verursacht durch die Konsequenz eigener Verlogenheit - leicht erschüttert wird ... äh ... das passt schon! Inzwischen ist der grüne Haufen mit seiner endlosen Moralisiererei und seinem ständigen Verbotsgeplärre der Gipfel der Kleinkariertheit.

Mareen Berger / 21.08.2013

Wäre es auch nicht an der Zeit ein wenig auf der CDU zu hacken ? Schließlich sind dort noch heute Leute aktiv, die bis spät in die 90er Vergewaltigung in der Ehe als Kavaliersdelikt betrachteten.

Dirk Jäckel / 21.08.2013

Nun, nicht alles im Beitrag ist gerecht. Sicher, was z.B. Asylpolitik betrifft, existiert eine geradezu unfassbare Naivität (oder was auch immer). Ähnliches gilt z.B. für die so genannte Energiewende oder Euro-Fragen. In anderen Bereichen sind die Artikel oftmals aber doch recht pluralistisch. Übrigens betrifft dies nicht zuletzt den (nicht genannten, aber gemeinten) Deniz Yücel, der sich z.B. ebenso gegen Israelhass stark macht wie gegen das Verschweigen von Migrantengewalt. Darüber hinaus existiert bei der taz kaum Zensur der Leserbeiträge (wie etwa in teils ungaublicher Penetranz von der pseudoliberalen Zeit praktiziert). Insgesamt habe ich bei der taz nicht in demselben Maße den Eindruck, für dumm verkauft zu werden zu werden wie - Extrembeispiel - bei der FR.

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