Frieden fängt beim Frühstück an, hat der unvergessene Hanns Dieter Hüsch einmal gesagt. Diese kluge Feststellung erhält am Sonntagabend eine neue Wendung: Frieden fängt im Fernsehen an. Denn in einem Berliner Fernsehstudio treffen sich der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Manfred Schell, die Personalchefin der Bahn AG, Margret Suckale, der Chef der Eisenbahnergewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, sowie der Schlichter im Bahntarifkonflikt, Kurt Biedenkopf. Kurz: In Anne Wills Sonntags- runde (ARD, 21.45 Uhr) kommen vor laufender Kamera all jene zusammen, die sich zu einer Tarifverhandlung derzeit nicht einmal hinter verschlossenen Türen an einem langen Tisch voller Thermoskannen zusammensetzen wollen. Die Mediendemokratie hat die Macht ergriffen!
Die Frage, mit welchem Ver- kehrsmittel die Beteiligten wohl anreisen werden, drängt sich auf. Aber sie ist platt. Auch der kulturpessimistische Seufzer, wo das alles hinführen soll, ist längst beantwortet: Ins Fernsehen. Und zum Guten. Denn wir Streikopfer bekommen eine Folge von der Schell-Zankstelle geboten, die eine halbe Stunde Extra- Reisezeit allemal wert ist. Es sind so viele Rechnungen zu begleichen, dass man mehr als ein Aus-dem-Studio-Stürmen erwarten darf. Vielleicht sogar eine Keilerei. Wichtig ist nur, dass Will psychotherapeutisch unterstützt. Hier ein “Jaaaa, lass die ganze Wut mal raus, Manfred”, dort ein “Du darfst weinen, Margret, mach dich ganz frei” - eine solche befreiende Supervision führte alsbald zum Tarifabschluss und zu tiefen Freundschaften. Vielleicht passiert aber auch nichts dergleichen, und alle Beteiligten wollen beweisen, dass sie die Guten sind. Ergebnis: Tarifabschluss und tiefe Freundschaften.
Anne Wills Coup darf nur ein Anfang sein. Übernächste Woche treffen sich N. N. (El Kaida), Nuri al-Maliki, George W. Bush und Rupert Neudeck bei Kerner zur Lösung des Nahostkonflikts. Und alle kommen mit der Bahn!