Lagerfeld, damit das Denken die Richtung ändern kann

Von Julian Tumasewitsch Baranyan.

Karl Lagerfeld zählt zweifelsohne zu den wohl bekanntesten Modeschöpfern Europas. Auch politisch äußert er sich gern scharfzüngig. Nach seiner Aussage zum Abschneiden der AfD bei der vergangenen Bundestagswahl sorgte er kürzlich im französischen TV mit einer Aussage zum importierten Antisemitismus aus der arabischen Welt für Furore.

Laut dem 84jährigen habe Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Million Einwanderer nach Deutschland einreisen lassen, um das "Stiefmutterimage" loszuwerden, das ihr das Verhalten in der Griechenlandkrise eingebracht habe. Dies sei nicht notwendig gewesen, weil bereits Millionen gut integrierter Migranten im Land lebten.

Für Zündstoff sorgte sein Satz, man könne nicht Millionen von Juden töten, um später Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land zu holen. Lagerfeld spielt unmissverständlich auf die Flüchtlingspolitik der deutschen Bundesregierung an. Er fügte seiner Aussage hinzu, er kenne jemanden, der einen jungen Syrer aufnahm, welcher den Holocaust als "die beste Erfindung Deutschlands" bezeichnet habe.

So gibt es die Le Monde Juif wieder, die bereits am Sonntagabend darüber berichtete.

Wie zu erwarten war, verurteilen ihn jetzt einige Chefideologen für seine Worte. Die üblichen Verdächtigen belegen ihn mit den üblichen, stereotypen Vorwürfen, er "hetze", sei "fremdenfeindlich", "rechtspopulistisch", "rassistisch", und dergleichen.

Man kennt diesen Beißreflex nach jeder Kritik an Negativerscheinungen der Einwanderung aus einem bestimmten Kulturkreis mittlerweile zur Genüge.

Daher weiß man auch, dass Vertreter und Anhänger bestimmter politischer Richtungen solche Vorwürfe inflationär verwenden und sie zu ihren Kampfbegriffen auserkoren haben. Folglich muss man sie nur noch in den seltensten Fällen überhaupt ernst nehmen.

Des Weiteren dürfen, wie man es ebenfalls kennt, persönliche Angriffe auf Lagerfeld nicht fehlen. Ihm wird unterstellt, er habe keine Ahnung, solle sich nicht einmischen, sei senil, et cetera.

Die erwartbaren Reaktionen hat er einkalkuliert

Das Gegenteil ist jedoch der Fall!

Nach der Bundestagswahl hat derselbe Karl Lagerfeld sich betroffen geäußert, als die AfD in den Bundestag eingezogen ist.

Damals sagte er, sich deshalb für Deutschland zu schämen, und setzte die künftigen Abgeordneten der Partei pauschal mit "Nazis" gleich. Nun sorgt er gut einen Monat später wieder für Furore, weil er allen Flüchtlingen pauschal Hass gegen Juden unterstellt.

Er weiß mit Sicherheit, dass die AfD nicht ausschließlich aus Nazis besteht und längst nicht alle Flüchtlinge und Zuwanderer per se Judenhasser sind.

Er weiß aber auch, dass man in Deutschland bisweilen übertreiben und pauschalisieren muss, um politisch überhaupt gehört zu werden.

Es ist nicht zu bestreiten, dass es innerhalb der AfD einige Rechtsaußen gibt, deren Machtfülle hoffentlich nicht allzu groß wird.

Ebenso ist es nicht zu bestreiten, dass im Schutz der massenhaften Migration und der damit verbundenen, vorübergehenden Grenzöffnung eine bedrohlich hohe Zahl gewaltbereiter, islamistischer Antisemiten ins Land gekommen ist.

Das prangert Lagerfeld durch bewusste Überspitzungen und Übertreibungen an. Die erwartbaren Reaktionen hat er wahrscheinlich ebenfalls einkalkuliert.

Lagerfeld stößt auf diese Weise wichtige Debatten an, an die sich andere nicht herantrauen. Allein das starke mediale Echo gibt ihm bereits Recht! Aus didaktischer Sicht ist das brilliant!

Chapeau, Monsieur Lagerfeld!

Julian Tumasewitsch Baranyan (31) hat Linguistik und Politologie in Gießen studiert und bereist als selbsständiger Handelsvertreter inbesondere die frankophone Welt. Dieser Beitrag erschien zuerst auf Fisch und Fleisch.

Foto: pixabay

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Leserpost

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Anders Dairie / 18.11.2017

Den selben Vorwurf hat L. seit Mitterand,  von den franz. Sozialisten,  allen franz. Regierungen gemacht.  Zweierlei ist in La Franze nicht in Ordnung:  Die lahmende wirtsch.  Dynamik in Verbindung mit der Lethargie eines Beamtenstaates   sowie   die Einwanderung aus ehem. Kolonien, die zu noch mehr Unregierbarkeit (Marseille) führte,  als das in Deutschland irgendwo der Fall ist.  L. hat seine Talente als Diplomat im Interview gepflegt.  Halb in der Politik, halb draußen, so kennt man ihn.  Das nimmt man dem bunten Vogel ab !  Und weil er den Roten Knopf fand und mit Risiko drückte , ist ein Anstinken dagegen kaum möglich.  Dem alten Knaben ist der Widerstand gegen ihn vermutlich “merde”.  Notfalls hat L.  die in La Franze “unangreifbare Marsellaise” in Petto.

M. Haumann / 18.11.2017

Auch wenn man etwas Gutes will, kann man es schaffen, dabei etwas Böses zu ermöglichen. Diese geradezu griechische Tragik sieht den Deutschen im Spiegel ins Gesicht, den Lagerfeld ihnen hinhält: im irrationalen Bemühen, sich vor der ganzen Welt als “Weltmeister des Guten” zu präsentieren und damit von der Schuld der Vorväter zu befreien, ist ausgerechnet die Möglichkeit eines erneuten Schuldigwerdens an den Juden mit geschaffen worden. Was an den fatalen Wiederholungszwang in der Individualpsychologie erinnert. Sie sind mit wütendem “Nie wieder” gegen praktisch alle Landsleute losgezogen, die die muslimische Massenzuwanderung ablehnen. Während sie bei den eigentlichen Addressaten des “Nie wieder” einen riesigen blinden Fleck hatten. Lagerfelds Spiegel zeigt Hochschmerzhaftes, aber wenn wir uns dem nicht stellen und einfach weitermachen, werden wir wirklich und ganz bewusst schuldig. Und genau das darf nie mehr “unser Land sein”.

Ulla Smielowski / 18.11.2017

Wunderbar auf den Punkt gebracht, was Karl Lagerfeld da sagte…und.. es musste mal so deutlich gesagt werden…

Bärbel Schmidt / 18.11.2017

Wirklich chapeau? Ich vermute, in Frankreich braucht es noch keine courage um seine Meinung zu sagen!

Steffen Kallinowsky / 18.11.2017

Sehr gut auf den Punkt gebracht!

Nathalie Nev / 18.11.2017

In Frankreich sagt man : ” jeter un pavé dans la mar” , das heisst : einen Pflasterstein in den Tuempel werfen. ...Sehr gut! ...es spritzt nach allen Seiten.

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