Der Streit um den Länderfinanzausgleich eskaliert. Nach Bayern will nun auch Hessen klagen. Tatsächlich ist das System ein sozialistisches Relikt und muss dringend reformiert werden.
Nun reicht es auch den Hessen. Im Streit um den Länderfinanzausgleich sind sie zusammen mit den Bayern fest zur Klage entschlossen. Der hessische Ministerpräsident heult schon seit längerem wie ein Sandkastenopferkind, dem man ständig seine Schäufelchen wegnimmt. Doch nun will er nicht mehr mitspielen, das Quengeln sein lassen und juristisch zurückschlagen. Ein “Akt politischer Notwehr” sei das, läßt er schon vor der großen Rauferei wissen, um sogleich anzukündigen, wann die denn losgeht: Wenn es bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember “keine substanziellen Änderungen” gebe, werde Hessen Anfang 2013 nach Karlsruhe gehen. Es braut sich also was zusammen, denn Bayern hatte bereits im Juli eine Klage beschlossen, und dabei Berlin wie Bremen finanzpolitisch mit Griechenland verglichen. Im übrigen sind weder Hessen noch Bayern weiter bereit, “für die unsoliden Haushalte von Hannelore Kraft auch noch das reiche NRW mitzufinanzieren”.
Nun mag die politische Rhetorik in Wahlkampfjahren entgleisen. Die wirtschaftliche Vernunft zeigt freilich auch, dass der deutsche Länderfinanzausgleich längst nicht mehr in der Spur ist. Tatsächlich hat sich ein System zementiert, in dem eine große Mehrheit von Nehmerländer drei große Geberländer ziemlich dreist ausplündern. Das jetzige Verfahren zementiert geradezu die unsolide Finanzlage der vermeintlich Schwächeren. Sie bekommen einfach keine Anreize, sich zu reformieren und die eigenen Finanzen zu sanieren. Sie werden vielmehr Nutznießer einer Dauersubvention, die ihrer inneren Logik nach Verschuldung auch noch belohnt.
Die jetzige Ordnung ist schlichtweg wettbewerbsfeindlich, weil sie die Sparsamen und Tüchtigen bestraft und die Verschwender belohnt. Das ordnungspolitische Dilemma, das wir im Eurosystem beklagen, spiegelt sich also auch innerhalb Deutschlands. So leistet sich eine Reihe von Nehmerländern Annehmlichkeiten, die sich die Geberländer aus Sparsamkeit verkneifen. Von kostenfreien Kindergartenjahren über Studiengebührbefreiung bis hin zu Opernhausmillionen. Ob Rheinland-Pfalz sich ein Steuergeldgrab am Nürburgrinmg leistet, das Saarland die Wandervogelförderung, Nordrhein-Westfalen ein teures Sportmuseum oder Schleswig-Holstein einen sagenhaft erfolglosen Erlebnispark “Sturmflutenwelt Blanker Hans”. Sie geben das Geld mit vollen Händen aus, das sich die Süddeutschen mühsam erarbeitet und erspart haben. Sanktionen für dieses Mißmanagement gibt es aber nicht.
Inflationsbereinigt haben die drei großen Geberländer bereits mehr als 100 Milliarden Euro gezahlt. Allein Berlin durfte hingegen 40 Milliarden Euro einstreichen, um nun mit seinem Flughafendesaster finanzpolitisches Negativ-Benchmarking zu zelebrieren – ohne dass auch nur ein Politiker zurückgetreten wäre. Man braucht gar nicht die legendären Dauer-Toiletten-Spülungen in Schleswig-Holstein, die Kunst an Verkehrsschildern in Berlin, die Spaßbaddichte in Ostdeutschland und die vogelwilden Genderprojekte in Nordrhein-Westfalen zu bemühen. Der Länderfinanzausgleich gehört dringend reformiert. Und zwar nicht aus Notwehr - sondern aus Vernunft.
Zuerst erschienen bei Handelsblatt Online