Rainer Bonhorst / 19.01.2017 / 22:01 / 7 / Seite ausdrucken

Kurzer Nachtrag zu Höcke

Ist das Holocaust-Mahnmal in Berlin ein Mahnmal der Schande? Na, klar ist es das. In diesem Punkt hat Björn Höcke recht. Es erinnert an Deutschlands größte Schande. Ist Deutschland das einzige Land, das ein solches Mahnmal der Schande mitten in seiner Hauptstadt aufgestellt hat? Ich habe nicht alle Länder der Welt besucht, bin aber ziemlich sicher, dass es so ist. In diesem Punkt hat Björn Höcke auch recht.

Ist es nicht in Ordnung, die deutsche Geschichte auf die zwölf Hitler-Jahre zu reduzieren? Nein, das ist nicht in Ordnung. Auch da hat Höcke recht. Man kann diese drei Punkte als Lage-Analyse bezeichnen. Und da liegt Höcke nicht schief. Eine andere Sache ist die Kommentierung dieser Sachlage. Hier ist meine:

Dass Deutschland (vermutlich) das einzige Land ist, das mitten in seiner Hauptstadt in großem Stil an seine historische Schande erinnert, ist nicht bedauerlich und nicht ärgerlich sondern ein Grund, stolz zu sein. Wie viel besser wäre die Welt, wenn andere Länder sich auch so klar zu ihren historischen Verbrechen bekennen würden.

Zu stolz sollten wir allerdings auch nicht sein. Die massenhafte Ermordung der Juden war nun mal ein so unglaubliches Verbrechen, dass man schon ein Weltmeister der Verdrängung sein müsste, wenn man diese historische Bürde einfach abschütteln wollte und könnte. Und das ist auch das Problem mit der Übermacht der zwölf Hitler-Jahre. Ernst zu nehmende Historiker reduzieren Deutschland keineswegs auf die scheußlichen zwölf. Im Gegenteil: Gerade ausländische Historiker bemühen sich, die ganze deutsche Geschichte zu betrachten. Aber das ist wohl die Haltung einer Elite.

Schon wird’s unbehaglich

Im volkstümlichen Alltag sieht die Sache anders aus. Wer uns in Verlegenheit bringen will, und die Versuchung ist angesichts deutscher Siebengescheitheit oft groß, wer uns also in Verlegenheit bringen will, der muss nur das Wort Hitler erwähnen. Schon wird’s unbehaglich.

Und wer in einem amerikanischen oder englischen Buchladen die Abteilung „deutsche Geschichte“ betrachtet, den starren in peinlich großer Zahl die Hitlers an. Der bessere Rest ist eher seitliche Arabeske. Schön ist das nicht, aber es ist wohl unvermeidlich. Der Hitler wird uns noch Jahrhunderte anhängen. Große Verbrecher halten sich in der Erinnerung. Die wird man nicht los. Gegen Adolf hat selbst ein Goethe keine Chance. Zumal Hitler im internationalen Klub der Erzbösewichter einsame Spitze war. Björn Höcke kämpft mit seinen untauglichen Versuchen, uns aus diesem hässlichen historischen Erbe zu befreien, gegen die Macht der Geschichte.

Es wäre halt besser gewesen, unsere Altvorderen hätten den Schreihals aus Braunau damals nicht so bejubelt. Es wäre für uns besser gewesen. Und erst recht für sechs Millionen Juden. Und für die vielen Kriegstoten auch. Warum, verflixt nochmal, hat man den jungen Hitler seinerzeit nicht in die Kunstakademie aufgenommen! Vielleicht wäre er als harmloser Zeichenlehrer in Ruhe ergraut. Und wir hätten diesen Dreck nicht am Hals. Aber nein, er musste beschließen, Politiker zu werden. Und Deutschland musste in einen Hitler-Rausch verfallen. Wie blöd kann man sein!

Ja, es wäre schön, wenn man die Geschichte zurückdrehen und ungeschehen machen könnte. Aber vergessen kann man sie nicht. 

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Leserpost

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H.Roth / 20.01.2017

Ein schönes Antlitz kann durch eine häßliche Narbe sehr entstellt werden. Der Holocaust ist eine solche Narbe, die Deutschland entstellt hat. Damit müssen wir als Nation lernen, weiter zu leben und vernünftig umzugehen, ohne zerstörerischen Selbsthass oder Veharmlosung des Grauens. Es ist gut, dass wir ein solches Mahnmal “Nie wieder Holocaust!” im Herzen der Republik aufgestellt haben. Solche Mahnungen kann es nicht zu viele geben. Danke für Ihren ruhigen und sachlichen Kommentar, Herr Bonhorst.

Michael Lorenz / 20.01.2017

“Ernst zu nehmende Historiker reduzieren Deutschland keineswegs auf die scheußlichen zwölf.” Soweit ich Höcke verstanden habe, beschwert er sich auch nicht über Historiker, sondern z.B. über linksgrüne Lehrer und Journalisten. Falls Sie Kinder / Enkel im schulpflichtigen Alter haben, schauen Sie doch mal nach, womit die sich so im Unterrichtbeschäftigen: Namen tanzen, Klima retten, Schuld haben. (Für Physik und Mathe ist dann natürlich leider keine Zeit mehr.) Das gibt es gefühlte 80% der Zeit nur die bekannten 12 Jahre, rauf und runter. Plus natürlich: Besuch in einer KZ-Gedenkstätte (komischerweise so gut wie nie das Berliner Mahnmal!). Dort sehen die Schüler sich dann dem gegenüber, was ihre Väter oder Großväter angerichtet haben - und es kapiert auch der letzte Langsam-Merker, was die Lehre ist: Sie, die Schüler, haben jetzt die Schuld daran zu übernehmen - außer, Sie haben Bock auf Außenseiterrollen und schlechte Noten. Nicht umsonst nannte H.M. Broder so etwas: Gruselpädagogik! Und genauso sieht jetzt unser Land auch aus: eine einzige Riesengemeinschaft verkrüppelter Seelen!

Jürgen Althoff / 20.01.2017

Lieber Herr Bonhorst, dass das Thema Hitler im Ausland noch Generationen von Schriftstellern, Historikern, Regisseuren etc beschäftigen wird, ist vermutlich von uns nicht zu verhindern. Schon als ich 1962 als Austauschschüler in meine US-Familie kam, war eine der ersten Fragen, ob es denn stimme, dass alle Deutschen immer noch Nazis seien. Dass für immer mehr Deutsche die deutsche Geschichte erst 1933 beginnt, ist ein Ergebnis unseres rotgrünen (Un)Bildungssystems, und wenn Herr Höcke das als Geschichtslehrer anprangert, kann ich ihm nur zustimmen. Und den linksgrünen Politikern und Journalisten kann man gar nicht oft und öffentlich genug unter die Nase reiben, dass ihre Kommunismus-Affinität die Millionen Opfer des UdSSR- Kommunismus und der Massenmörder Mao, Pol Pot und Che Guevarra offenbar als Kollateralschaden einer an sich guten Sache hinnimmt. Unter “anständigen Menschen”, zu denen sie sich ja zu zählen pflegen, wäre es also angezeigt, den Ball flach zu halten. Aber offenbar übertönt die Angst vor der AfD alles.

Dr. Ralph Buitoni / 20.01.2017

Sehr geehrter Herr Bonhorst, das Problem besteht aber leider darin, dass die offizielle und öffentliche Geschichtspolitik keineswegs von seriösen Historikern bestimmt wird, sondern von linken Ideologen mit extrem verkürzten und verengten Perspektiven auf die (nicht nur deutsche!) Geschichte. Gerade Schüler werden nicht umfassend historisch gebildet, sondern vor allem durch Lehrer regelrecht indoktriniert. Das kann ich Ihnen nicht nur als Historiker, sondern auch als jemand versichern, der viele Jahre lang in der geschichtsvermittelnden Öffentlichkeit gewirkt hat.

Jochen Brühl / 20.01.2017

Eine erfreulich nüchterne Betrachtung zu Höckes Ausführungen und weshalb sie dennoch unangebracht waren.

Alexander Damaskinos / 20.01.2017

Der Beitrag hebt sich wohltuend von der ganzen Anti-AfD-Hetze in den Mainstream-Medien und z.T. hier in der Achse ab. Er weist allerdings einen gravierenden Fehler auf: Hitler war nicht Spitzenreiter bei den Erzbösewichten. Gegen Mao, Stalin oder Pol Pot nimmt er sich geradezu harmlos aus. Für die schämt sich scheints niemand. Und wenn man Kriege führen hier negativ anrechnet, dann ist er in guter Gesellschaft mit Napoleon, Wallenstein oder Cäsar. Die bezeichnet niemand als Bösewichte.

Jahn Hörrle / 20.01.2017

Sehr guter Text, danke. So erwarte ich das auf Achgut. Die 12 Jahre sind tatsächlich überpräsent im volkstümlichen Alltag. Man muss nur auf z.B. N24 kucken, da kommt, überspitzt gesagt, von Hitlers Unterhosenschneider über Hitlers Wunderdrogen bis hin zu Hitlers Wunderwaffen den ganzen Tag irgendetwas zum dritten Reich. Nicht anders sieht es an den Schulen aus. Als ich in den späten 90er und frühen 2000er in der Schule war, ging ab der siebten Klasse kein Monat rum in dem nicht in irgendeiner weise das dritte Reich behandelt wurde. Egal ob im Fach Deutsch, Geschichte, Religion, bin mir nicht mehr sicher, aber ich glaube auch Erdkunde wurde missbraucht. Später gesellte sich dann natürlich noch Gemeinschaftskunde hinzu. Es hatte Ausmaße angenommen, das alle Schüler in der Klasse, auch die weiblichen, das Thema nicht mehr allzu ernst nahmen (Unisono: “Ohhhhh mal wieder Hitler, was ganz Neues”). Im letzten Jahr habe ich eine Deutschlandrundfahrt gemacht, ganz nach Nordost, ganz nach Nordwest und über den Teutoburger Wald wieder heim nach BW. Das an den ausgestellten U-Booten, im V1- und V2-Museum oder am Marinedenkmal in Laboe auf die Nazivergangenheit hingewiesen wird ist richtig, da gibt’s nichts auszusetzen. Aber, dass an den Externsteinen und am Hermannsdenkmal ebenfalls entnazifiziert wird, halte ich für absolut übertrieben.

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