Gastautor / 19.05.2016 / 06:15 / Foto: Tim Maxeiner / 2 / Seite ausdrucken

Auf dem Myfest in Berlin: Kultur ist dort, wo gegrillt wird

Von Peter Bereit.

Nach langer Zeit der Abstinenz hatte ich mich in diesem Jahre entschlossen, einmal wieder das MYFEST in Berlin Kreuzberg zu besuchen. So zog ich mit einigen Freunden los, traf gegen 11.00 Uhr am Görlitzer Bahnhof ein und machte mich auf einen Rundgang durch den Kiez. Das Wetter war toll, die Straßen gut gefüllt, auf unzähligen Grills dampften und brutzelten allerlei leckere Sachen, die nicht nach Schweinefleisch aussahen. Was mir sofort auffiel, war die Dominanz von Lebens- und Genussmitteln - gegenüber einem eher spärlichen Angebot an wirklicher Kultur.

Gleich zu Beginn überraschte eine Punkband mit dem üblicherweise wenig ausgeprägten Sinn für Harmonien und einem Titel, dessen Refrain mit den immer wieder gebrüllten Buchstaben A.C.A.B. endete, die, wir mir einige Jugendliche auf Anfrage mitteilten, ausgeschrieben, „All cops are Bastards“ bedeutet. Das muss man nicht ins Deutsche übersetzen.

Nun, die unweit entfernt stehenden Cops der Berliner Polizei und anderer Bundesländer nahmen es gelassen oder überhörten, was eigentlich eine Straftat darstellt. Vor einigen Jahren hatte u.a. ein Denis Cuspert hier die Massen erfreut, der später seine Liebe zum IS und zum Umbringen von Ungläubigen entdeckte. 

All die Brat-und Getränkestände passierend, traf ich auf keine weiteren musikalischen Highlights dieser Art, wohl aber auf eine Bühne, von der aus eine türkische Musikgruppe eine größere Menge von Menschen, dem Anschein nach alle Landsleute der Musiker, zum Tanz in der Art eines Sirtaki bewegte, was schön anzusehen war. Ich lief mit meinen Freunden weiter, um nach einem für mich geeigneten kulturellen Event zu suchen, blieb aber bis zum Schluss erfolglos.

"Antideutsch aber sexy" 

Trotz meines durchaus vorhandenen Interesses für andere Kulturen hätte ich mich über einen deutschen kulturellen Akzent gefreut. Nicht etwa, weil ich für bayerische Sepplhosen-Musik schwärme oder für das Feuerwehrblasorchester aus der nächsten Kreisstadt, sondern weil mir plötzlich einfiel, dass dieses Fest ja in einer deutschen Stadt und anlässlich eines Feiertages stattfand, der in Deutschland und in Kreuzberg eine Tradition besitzt.

Obwohl die Stadt Berlin nicht der Veranstalter ist, wäre es meiner Meinung angebracht, auch deutsche Akzente zu setzen, um so etwas zur praktischen Integration zu tun. Einige dem deutschen Gerstensaft zugeneigte Punker versuchten es zumindest, indem sie vor ihrem Straßenlager ein Schild präsentierten, auf welchem zu lesen war: "Antideutsch aber sexy". Sexy? Nun ja, das ist eine persönliche Frage des Geschmackes. Aber, antideutsch? Das ist zumindest eine Aussage, mit der man etwas anzufangen weiß.

Unweit des Ortes dieser Begegnung mit den Hoffnungsträgern der deutschen Gesellschaft traf ich auf eine gänzlich andere Art gesellschaftlicher Gestaltungsfreude. Uns kamen vier Personen, offenbar Syrer, entgegen, von denen einer ein Schild mit der Aufschrift „Rettet Aleppo“ in die Höhe hielt und es nach allen Seiten schwenkte. Das veranlasste andere Festbesucher, zumeist erkennbar Deutsche, anerkennend zu nicken oder dem Transparentträger anerkennend auf die Schultern zu klopfen.

Ich hatte ein Problem mit diesem Schild. Die Sonne schien, es gab genug zu essen und zu trinken, und allen schien es gut zu gehen. Wer sollte Aleppo retten? Die brüllende Punkband an der Ecke oder die sexy Punker, mit nicht einmal Sinn für Deutschland? Die anatolischen Musiker mit ihren quakenden Instrumenten oder gar die Syrer selbst?

Alter Mann mit Sinn für Tradition

Ich fand keine zufriedenstellende Antwort, wenngleich ich es doch irgendwie merkwürdig fand, dass sich junge Syrer zuhauf in Berlin und anderswo aufhalten und in der Sonne Kaffee trinken, während andere Landsleute ihren Kopf gegen den IS oder Assad hinhalten. Wäre es nicht anständiger, sich den Anständigen im eigenen Lande anzuschließen, als mit einem Plakat herumzulaufen und, wen auch immer, zur Rettung von Aleppo aufzufordern? Doch wer sind dort die Anständigen? Auch so eine Frage.

Ich fand, wie gesagt, keine Antworten. Auch nicht bei dem alten Mann, der ganz ruhig in einer Hausecke saß und mit einem Schild dazu aufforderte, ihn nach Jesus zu befragen. Obwohl er aussah, als hätte er ihn noch persönlich gekannt, schenkte ich mir die Fragestunde, nickte ihm aber ehrlich anerkennend zu.

Für mich hatte dieser alte Mann auf diesem Myfest etwas ganz Wichtiges getan. Er hatte einen Akzent gesetzt, der auf unsere, immer wieder gebetsmühlenartig beschworenen christlich-jüdischen Traditionen verwies und darauf, dass sie es wert sind, gepflegt und erhalten zu werden. Ein Akzent, den zu setzen die Stadt Berlin und wohl auch viele Menschen nicht mehr fähig und gewillt sind. 

Wir sollten uns wieder daran erinnern. Nicht um uns ab- und andere auszugrenzen. Sondern weil die Deutschen und ihre Kultur ein Teil der Integration sind und Feste dieser Art wieder zu Veranstaltungen werden sollten, wo sich Deutsche nicht mehr oder weniger als Zaungäste fremder Veranstalter und Kulturen fühlen. 

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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Bernd Morgenstern / 19.05.2016

Sehr geehrter Herr Bereit! Sie haben ein wichtiges Grundproblem unserer Gesellschaft benannt. Das anerzogene Geringschätzen der eigenen Kultur und Tradition. Die alleinige Konzentration auf unsere Kollektivschuld ist nicht immer nur hilfreich. Es gibt auch positive Traditionen die es zu erhalten gilt! Das hierzulande übliche anbiedern an fremde Kulturen erzeugt bei Außenstehenden eher Befremden oder gar Verachtung. Viele der Immigranten die zu uns kommen stehen sehr zu ihren Traditionen. Mit Recht. Man muß seine Wurzeln kennen. Ein Baum ohne Wurzeln kann keine Früchte tragen. Jedoch warum sollte sich ein Ausländer in unsere Kultur integrieren, wenn wir selbst diese ablehnen. Gelingen kann Integration auf dem Land, beim täglichen miteinander mit ganz normalen Deutschen Landeiern, denen der Multikultihype schon immer auf den Senkel ging. Das ist bestimmt nicht einfach aber auch Integration gibts nicht umsonst und nur in Maßen. Mit garnicht so optimistischen Grüßen !

Patrick Kühnel / 19.05.2016

Vielen Dank für den entspannt-amüsanten Bericht. Er bestätigt meinen Verdacht, dass es sich bei einem Großteil der Muliti-Kulti-Jünger tatsächlich um Menschen handelt, die gerne Weltbürger wären, denen es aber sowohl an Bildung, als auch an Lebenserfahrung und internationaler Biographie mangelt, um es auch tatsächlich zu sein. Wer weder seine eigene Kultur kennt, noch in der Lage ist, einen fremdkulturellen Blickwinkel einzunehmen, ist eigentlich ein armes Würstchen, das allen Grund hätte, frustriert zu sein: Das wirklich bunte Leben läuft ja an einem vorbei. Aber wer gesteht sich und anderen gerne ein, dass die eigenen intellektuellen Kapazitäten überstrapaziert sind? In Deutschland leider viel zu wenige. Statdessen: Die einen werden provinzielle, alles fremde ablehnende Volkstümler (wenn es die in Reinkultur überhaupt noch gibt), die anderen genauso provinzielle allesverstehenwollende Gutmenschen, die tatsächlich gar nichts verstehen - Spießer sind sie alle, ob sie es zugeben oder nicht.  Und weil beide insgeheim ahnen, dass ihnen die jeweils andere Spielart des Provinzspießers den Spiegel der eigenen Armseligkeit vorhält, hassen sie einander und dreschen aufeinander ein. Journalisten und Politiker sind da keine Ausnahme, wie mir scheint…

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