„Oh, Weimar, schöne Deutsche Stadt, die haufenweise Dichter hat - te;
Hättest Du Dir einen aufgespart, nur einen – für die Gegenwart“
Dies schrieb ein junger DDR-Liedermacher, dessen Namen ich leider vergessen habe, im Jahre 1977. Welch prophetische Zeilen für 2016. Damals, in den 70iger und 80iger Jahren der DDR hatten es die poetischen Revoluzzer leicht – es wimmelte von guten Feinden. Das Publikum war heiß auf jedes freche Wort, das andere riskierten. Und dann ging urplötzlich der erste sozialistische Staat auf deutschem Boden krachend pleite und der Feind war weg. Niemand wurde wegen Kritik an den Herrschenden mehr eingesperrt. Und so viel gab’s auch gar nicht zu kritisieren. Aufbau war angesagt und Wiedervereinigung. Alle, außer den westdeutschen Intellektuellen und dem zwangs-widervereinigten Günter Grass, waren einigermaßen entzückt.
Die rebellischen Ossi-Liedermacher verloren Lohn und Brot. Manche fingen an richtig zu arbeiten. Andere soffen. Andere plumpsten in die soziale Hängematte. Und viele siedelten sich dauerhaft in den Niederungen der bundesdeutschen Kunst-Subventionslandschaft an. Das kritischste, was in dieser Zeit gesungen wurde, war Gabriels – ich meine den intelligenteren, schlankeren Gabriel – „Hey Boss, ich brauch mehr Geld“. Es entstanden wüstenartig verödete Kulturlandschaften inmitten aufblühender Landschaften.
Gibt’s statt den Herrschenden zu huldigen, so gar nichts zu schmähen?
Wo seid Ihr heute, ihr Hofnarren, ihr Teufels Advokaten, ihr rebellische Schillers und Goethes, Georg Ludwig Weerths, Herwegs, Heines, Brechts und Biermanns? Alles bestens im Deutschland des Jahres 2016? Gibt’s statt den Herrschenden zu huldigen, so gar nichts zu schmähen?
Liebe Poeten, falls ihr nach Themen sucht - sie liegen auf der Strasse im 11. Jahr der deutschen, alles erdrückenden Merkelokratie. Oder sind Euch die Energiewender, Klimaretter, Euro-Falschmünzer, Willkommenheißer, Lichtausmacher, Packbeschimpfer, Genderer und Deutschland-Verächter wirklich so ans Herz gewachsen, dass es an ihnen gar nichts auszusetzen gibt? Habt ihr euch so verausgabt, wieder mal den letzten Platz beim europäischen Songcontest herbeizudichten, dass für die verkorksten Facetten der Gegenwart keine dichterisch-musikalische Energie mehr bleibt?
Doch halt! Eine einsame Hundeblume blüht ja, auf einem großen Haufen Ziegendung. Und siehe, es funktioniert! Mehr Bekanntheit für einen Dichter mit bescheidenem Wortschatz geht nicht. Selbst ferne Despoten machen ihm ihre Aufwartung.
Merkt ihr nichts, ihr unter Profilneurose leidenden Dichter und Sänger? Hier liegt die Zukunft der deutschen Dichtung brach – nicht neun Minuten zujubeln und Rosen beim Pförtner abgeben, nein schmähen. Es ist ehrenhaft, wegen Majestätsbeleidigung vor den Kadi gezerrt zu werden. Auch die Zuwanderung frischer Poeten und Sänger aus anderen Kulturkreisen wird das Problem nicht lösen, ist doch das weltliche Liedgut des Islam recht übersichtlich.
Sollten euch, liebe Dichter, die spröden Musen Thalia und Polyhymnia gerade nicht küssen, hier eine ganz kleine bescheidene Anregung, so als erste Strophe:
Ihr sollt das schaffen - Wir retten die Welt,
Freibier für alle hat Mutti bestellt...
Die Rechnung muss das Pack bezahlen,
Steuersenkung nach den Wahlen.