Zu den vielen schönen Seiten, die das Leben im Freistaat Bayern bietet, gehört die Munterkeit seiner Politik. Hier ist wenigstens was los. Und lustig geht es zu, wie das neue Kapitel des alten Kulturkampfes zeigt. Ich meine die Sache mit dem Kreuz. Sollen in den staatlichen Amtsgebäuden Kruzifixe hängen oder nicht? Neu-Ministerpräsident Markus Söder will sie überall hängen sehen. Und wer empört sich über Söders Kreuz-Zug? Die Kirche! Wirklich? Die Kirche mag die Kreuze nicht? Stimmt. Diverse Geistliche bis hin zum Kardinal Marx finden es empörend, dass in Bayerns staatlichen Amtsgebäuden Kreuze hängen sollen. Christliche Kreuze? Da sei der Teufel vor, rufen die Oberchristen entsetzt.
Also ich kann mir nicht helfen, aber ich finde das komisch. Saukomisch sogar. Es ist etwa so, als wettere Angela Merkel dagegen, dass es mehr Frauen in der Politik gibt. Oder als demonstriere ein Imam gegen den Bau von Moscheen. Oder als protestiere ein Stürmer gegen den Schiedsrichter, der ihm gerade einen Elfmeter zugesprochen beziehungsweise zugepfiffen hat.
Nun erlebt Deutschland seit vielen Jahren eine Komiker-Schwemme. Das Land, das lange als humorlos galt, ist ein Land der Stand-up-Comics, ein Land der Witze-Erzähler geworden. Da hat es eine gewisse Logik, wenn sich Reinhard Marx, der Münchener Kardinal, den Scherz erlaubt, heftiger als jeder Atheist oder Agnostiker gegen Söders Kreuze zu wettern. Es ist natürlich ein unfreiwilliger Witz, denn der Kardinal meint es bitter ernst.
Was stört ihn und seine Kollegen an den Kreuzen? In erster Linie Söder. Der hängt zwar nicht persönlich am Kreuz, aber er hat es sich unter den Nagel gerissen. Und das, ohne den Kardinal vorher zu fragen. Dabei ist der doch zuständig. Kreuzfragen gehen nur die Kirche etwas an und nicht irgendwelche dahergelaufenen Ministerpräsidenten. Da ist man – ganz wie der oberste Chef – ausgesprochen eifersüchtig. Auch der Christengott ist nach eigener Aussage ein eifersüchtiger Gott. Er duldet keine anderen Götter neben sich, was er mit Jahwe und Allah gemein hat.
Eine Art geistliche Lederhose
Und dann kommt der Söder daher und will plötzlich überall Kreuze aufhängen. Ist der denn so viel frommer als die Kirchenfürsten? Das wohl nicht. Er denkt – o Gott! – eher an seine Wähler. Seine Kreuze sind nicht so sehr Kreuze zum anbeten als vielmehr Brauchtumskreuze. Er will den Leuten zeigen, dass das Christentum quasi bayerisches Kulturgut ist. Eine Art geistliche Lederhose also. Und das ärgert die Kirchenherren am meisten. Sie wollen nicht, dass das Kreuz eine Art geistliche Lederhose wird. Dann lieber gar kein Kreuz.
Aber was sie noch mehr ärgert, ist der tiefere Grund für Söders Kreuz-Zug. Der neue Ministerpräsident will nämlich – na sowas! – bei den Landtagswahlen im Herbst die AfD-Wähler zurück holen, die seinem Vorgänger Seehofer auch dank Angela Merkel bei der Bundestagswahl weggelaufen sind. Die meisten AfD-Wähler sind vor dem Islam davongelaufen. Darum sollen Söders Kreuze jetzt zeigen, dass der Islam zwar irgendwie in Deutschland zugegen sein mag, aber Herr im Haus ist immer noch der Gott, der schon länger hier wohnt.
Aber auch damit gerät er bei den Gottesmännern an die falsche Adresse. Die wollen versöhnen, nicht spalten, und im Zweifel die andere Wange hinhalten. Schon gar nicht wollen sie die Moslems im Land vor den Kopf stoßen. Da ist Söder anders gestrickt. Er neigt nicht dazu, die andere Wange hinzuhalten, und er schreckt nicht davor zurück, den einen oder anderen Moslem vor den Kopf zu stoßen, wenn er damit seine absolute Mehrheit retten kann.
Tja, ein kaum lösbarer Konflikt. Besteht Hoffnung, dass sich die Berufschristen und die Christlich-Soziale Union irgendwann doch wieder vertragen? Bis zu den Wahlen im September sehe ich da schwarz. Und danach? Nun, Söder könnte Buße tun und die Kreuze wieder abhängen lassen. Darüber würden sich die Männer mit dem Kreuz um den Hals sicher freuen. Aber ob das reicht? Wäre die Buße nicht vollkommener, wenn Söder statt der Kreuze elegante Halbmonde in Bayerns Amtsgebäuden aufhängen ließe? Das ging den Kirchenvätern dann vielleicht doch ein bisschen zu weit. Dann schon eher beides nebeneinander. Kreuz links, Halbmond rechts. Oder alternativ Lederhose links, Burka rechts.
Ich weiß nicht, welche Variante den Bischöfen, die sich so heftig gegen das Kreuz wehren, am liebsten wäre. Ich finde sie alle gut. Denn mit dem Kreuz als Lachnummer festigt Deutschland (auch dank Bayern) weiter seinen Ruf als Komiker unter den Nationen des Westens.