Alexander Wendt / 17.11.2016 / 06:28 / Foto: Citanova / 21 / Seite ausdrucken

Kreuz ab zum Besuch – und nichts als Ärger mit den Juden

Vor kurzem produzierten der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm und der Münchner Kardinal Reinhard Marx bei ihrer Israel-Reise auf dem Tempelberg in Jerusalem ein Bild, das beide nie wieder loswerden dürften: Die Kirchenmänner legten bei ihrem Besuch auf dem islamisch verwalteten Tempelberg ihr Brustkreuz ab – „auf Bitte des Gastgebers“, einer islamischen Stiftung. Damit gaben sie dem Begriff Kreuzabnahme eine ganz neue Bedeutung – aber die Geschichte endet damit noch nicht.

Nach der heftigen Kritik von Kirchenmitgliedern an der Unterwerfungsgeste behauptete Bedford-Strohm nach seiner Pilgerreise, auch die israelische Seite habe sie bei dem Besuch der jüdischen "Klagemauer" (Western Wall) gedrängt, ihr Kreuz nicht offen zu tragen. Damit wäre wenigstes eine Äquidistanz hergestellt. Nur: offizielle israelische Stellen wissen davon nichts. „Fest steht, dass keine Sicherheitsbedenken bestanden haben und keine Polizei oder Armee etc. die Herrschaften aufgefordert hat, ihre religiösen Merkmale zu verstecken“, sagt der israelische Armeesprecher Major Arye Sharuz Shalicar auf meine Anfrage.

Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, und EKD-Sprecher Carsten Splitt räumen auf Nachfrage ein, von Sicherheitskräften nicht zur Kreuzabnahme aufgefordert worden zu sein, beharren aber darauf, ihre jüdischen „religiösen Gastgeber“ hätten darum gebeten. Die Frage, wer diese Gastgeber gewesen seien, und wie genau die Aufforderung lautete, wollen beide nicht beantworten. „Wir werden das nicht weiter konkretisieren“, so Kopp. Auch Splitt will „nicht weiter vertiefen“, welche jüdischen Geistlichen ihn angeblich gedrängt haben.

Und bisher meldete sich auch niemand aus Israel, um den beiden Oberchristen aus ihrer argumentativen Patsche zu helfen. Allerdings rief ein Mitarbeiter der Deutschen Bischofskonferenz bei der israelischen Botschaft in Berlin an, um sich über Armeesprecher Shalicar zu beschweren. Anders als bei den islamischen Gastgebern hat man als deutscher Bischof respektive Kardinal nichts als Ärger mit den Juden.

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Hermann Neuburg / 17.11.2016

Es riecht nach einer dreisten Schutzbehauptung von Bedford-Strohm - man kann es auch Lüge nennen, Denn im Mai 2014 war Papst Franziskus in Israel. Dort war es überhaupt keine Frage, dass der Papst an der Klagemauer sein Kreuz ablegen sollte. Schon vergessen: Jesus war Jude.

Henry Winter / 17.11.2016

Bei einem Schriftwechsel auf der Seite der EKD wurde mir gegenüber behauptet, die Aufforderung wurde durch das für die Klagemauer zuständige Rabbinat ausgesprochen. Allerdings entzieht sich meiner Kenntnis, wer die ominöse Frau Buck und Goeser sind.

Sepp Kneip / 17.11.2016

Hierzu nur ein Satz: Mir ist jeder Teinehmer an einer Pegida-Demonstration, der gegen die Islamisierung Europas protestiert, lieber als unsere Oberbischöfe, die bei einer Begegnung mit Muslimen ihr Kreuz verstecken.

Rudolf Dietze / 17.11.2016

Toll! Nun beschwert man sich in der israelischen Botschaft über eigenes Unvermögen. Diese beiden Kirchenführer werden durch diese Geste der Unterwerfung zum Beispiel für alle zukünftigen Besuche auf dem Tempelberg! Dass man das ablegen des Kreuzes vor der Klagemauer forderte, glaube ich nicht! Als ich, mit einer christlichen Gruppe, dort stand, wurde uns, von unserem Reiseführer Simcha, die Geschichte des Tempels erklärt und welche Bedeutung die Klagemauer für die Juden hat, aber sie ist für jedermann frei zugänglich.

Andreas Rochow / 17.11.2016

Mit seinem selbstverliebten und nassforschen Auftreten zeigt Oberhirte Bedford-Strohm, wie gleichgültig es ihm ist, dass seine Herde rasant schrumpft. Bei den von ihm gesetzten Prioritäten kann das als ein Segen gewertet werden.

J. Solcher / 17.11.2016

In Ländern wie Saudi Arabien sind christliche Kreuze verboten, ebenso wie Bibeln oder Gottesdienste. Auf Israel trifft dies bekanntlich nicht zu. Damit ergibt sich eine klare Plausibilität, wer hier flunkert. Wenn man darüber hinaus Bedford Strohms abseitige Ansichten zu anderen Themen bedenkt, passt die von ihm verwendete Symbolik genau ins Bild.

Andreas Vauh / 17.11.2016

Na hoffentlich sieht der liebe Gott nicht, dass hier vermutlich auf ganzer Linie gelogen wird

Bernd Schumann / 17.11.2016

Ich finde das Verhalten dieser beiden “Vertreter” der christlichen Kirchen in Deutschland zu tiefst beschämend, zumal wenn man es in den Kontext zu ihren Aussagen in Magdeburg und ihren ganzen Vorstellungen bzgl. dem Singen von islamischen Liedern zu Weihnachten in den Kirchen u.ä. stellt. Ich schäme mich für diese Beiden!

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