Dirk Maxeiner / 14.12.2006 / 11:05 / 0 / Seite ausdrucken

Kosmische Konkurrenz

Ein Portrait des jungen israelischen Astrophysikers Nir Shaviv, der am Dogma der vorwiegend vom Menschen gemachten Klimaerwärmung rüttelt. Erschienen in ”“Jüdische Allgemeine” vom 7. Dezember. Von Dirk Maxeiner

Der Klimawandel und die Auseinandersetzung um seine Ursachen hat alle für einen guten Krimi notwendigen Bestandteile. Da ist die globale Erwärmung und da sind Tatverdächtige wie das Kohlendioxid, aber auch natürliche Schwankungen. Da es keine direkten Beweise gibt, sind die Wissenschaftler bei der Suche nach den Schuldigen wie Kriminalkomissare auf eine möglichst vollständige Indizienkette angewiesen. Tatsächlich glauben Fahnder mit Hilfe ihrer Computer den „menschlichen Fingerabdruck“ in Form unserer Kohelendioxid-Emissionen nachweisen zu können, andere sprechen ganz wie im Krimi von einem „Smoking Gun“ . Ferner wirken Politiker mit, die den Fall auch für ihre eigenen Interessen instrumentalisieren. Nicht zu vergessen hysterische Medien, die ebenfalls ihre eigene Agenda haben. Welch ein Thriller! Hier soll von einem jungen Fahnder die Rede sein, der sich mit unverstelltem Blick auf die Suche nach der Wahrheit machte - und eine Überraschung nach der anderen erlebte.

Sein Name ist Professor Nir J. Shaviv,  er ist 33 Jahre alt, Astrophysiker und ein hoffnungsvoller Spross der Universität von Jerusalem, die wir hierzulande als „Elite-Uni“ bezeichnen würden. Als intellektuelles und wissenschaftliches Zentrum Israels und der Stadt Jerusalem ist die Hebräische Universität der Vision ihrer Gründerväter verpflichtet: die höchsten Standards innovativer wissenschaftlicher Forschung mit den Ideen von Toleranz, Pluralismus und intellektueller Freiheit zu verbinden. Sie spielt eine herausragende Rolle in der internationalen Wissenschaft. Albert Einstein war einer der Gründer der Universität, die fortlaufend bis in jüngste Zeit eine ganze Reihe von Nobelpreisträgern hervorbrachte.

Nir Shaviv forscht am „Racah Institute of Physics“. Schon als Postdoktorant, damals an der Universität Toronto,  hatte er in dem angesehenen Fachblatt „Physical Review Letters“ die Idee publiziert, dass sich während der Reise unseres Sonnensystems durch die Spiralarme der Milchstrasse der kosmische Strahlenfluss verändert. Das war eine ziemlich kühne These, weil diese Strahlung nach einer Grundannahme der Wissenschaft bis dahin als konstant galt. Doch die hartnäckige Suche nach Indizien war schließlich von Erfolg gekrönt. Mit einem raffinierten gedanklich-wissenschaftlichen Ansatz entlockte er Eisenmeteoriten Hinweise auf eine Periode von 143 Millionen Jahren, in der sich die Strahlung ändert. Und dieser Rhythmus stimmt auffallend mit dem Aufkommen von Eiszeiten überein. Die kosmische Strahlung muss man sich wie einen unsichtbaren Sandsturm vorstellen. Sie stammt von explodierenden Sternen in der Galaxie und enthält winzige Partikel, die beim Auftreffen auf die Erdatmosphäre Kondensationskerne und in der Folge Wolken bilden. Jeder hat schon auf der eigenen Haut erfahren, welchen Temperatur-Unterschied es ausmacht, wenn sich im Sommer ein Wolke vor die Sonne schiebt. Eine Änderung der Wolkenbedeckung um nur wenige Prozent, hat enorme Auswirkungen auf das Erdklima.

Und deshalb stand für Nir Shaviv sogleich auch die Frage im Raum: Gilt das, was sich über erdgeschichtliche Zeiträume verfolgen lässt, auch für kurzfristigere Klimaveränderungen, möglicherweise sogar für die in den letzten Jahrzehnten beobachtete Erwärmungsphase der Erde? Diesmal kam ihm Kommissar Zufall zur Hilfe. Shaviv fiel eine Veröffentlichung der Zeitschrift „nature“ in die Hände, die von dem Geowissenschaftler Jan Veizer stammte, der an den Universitäten in Bochum und Ottawa forscht. Veizer wurde er von der Royal Society of Canada mit als einer der „kreativsten, innovativsten und produktivsten Geowissenschaftler der Welt“ gewürdigt und hatte den hochdotierten Leibniz-Preis der deutschen Forschungsgemeinschaft zugesprochen bekommen. Von dem Geld hatte er eine aufwendige Sammlung paläoklimatischer Klimadaten erstellt. Seine ursprüngliche Intention war dabei, einen Nachweis für den „menschlichen Fingerabdruck“ in jüngster Zeit zu finden. Doch er konnte das verdächtige Kohlendioxid nicht dingfest machen: Wäre Kohlendioxid in der Erdgeschichte Antreiber des Klimas gewesen, hätte seine Konzentration teilweise 1.000 bis 10.000 mal größer sein müssen als heute, sagt Veizer.

Shavivs Interesse war schlagartig geweckt und er schlug Veizer deshalb vor, dessen Daten mit seinen Analysen des kosmischen Strahlenflusses zu vergleichen. „Wir trafen uns in einem Hotel in Toronto und tranken ein Bier“ erinnert sich der israelische Forscher. Und beim vergleich ihrer Erkenntnisse waren sie schon nach kurzer Zeit elektrisiert. Shavivs Rekonstruktion der kosmischen Strahlungsänderungen und Veizers paläoklimatische Klima-Rekonstruktion zeigten eine verblüffende Übereinstimmung. An diesem Abend wurde die Basis für eine Freundschaft und für ein neues wissenschaftliches Papier gelegt. Das veröffentlichte im Jahr 2003 die Zeitschrift der „Geological Society of America“ (GSA). Darin kamen die beiden - grob gesagt - zu dem Schluss das sich bis dato etwa zwei Drittel der Temperaturschwankungen der Erde mit der kosmischen Strahlung erklärbar sind. Sie könnte somit der „Hauptmotor für Erwärmung und Abkühlung“ sein.

Die Kausalkette dafür scheint plausibel und lässt sich physikalisch schlüssig erklären: Auf kurzen Zeitskalen wird die auf die Atmosphäre treffende kosmische Strahlung von der Sonne moduliert. Je stärker das Magnetfeld der Sonne ist, desto mehr schirmt sie die Erde gegen den Partikelsturm ab. Nun hat sich das Magnetfeld der Sonne im 20. Jahrhundert verdoppelt (!). Weil die Erde dadurch besser abgeschirmt wird, bilden sich in den unteren Schichten weniger kühlende Wolken: Es wird wärmer.

Das ändert nichts an einem durch Kohlendioxid intensivierten Treibhauseffekt - hieße aber, dass er in seiner Wirkung möglicherweise überschätzt wird. Und so etwas hören die Gralshüter der reinen Kohelndioxid-Lehre nicht gerne. Shaviv und sein Freund Veizer waren jedenfalls ziemlich erstaunt über den Sturm der Entrüstung, der ihnen von manchen etablierten Klimaforschern ins Gesicht blies. Anstatt sich in einem wissenschaftlichen Journal seriös mit der Hypothese auseinanderzusetzen, griffen 15 deutsche und Schweizer Klimaforscher zum Mittel der Unterschriftensammlung und Adhoc-Presse-Mitteilung, in der sie die Arbeit der Kollegen als „fragwürdig“ „unhaltbar“ und „zweifelhaft“ schmähten.

Nir Shaviv sieht es gelassen: „Erstens haben sie uns und unserer Arbeit viel Publizität gebracht. Zweitens kann sich jeder qualifizierte Wissenschaftler selbst ein Bild von der Qualität unserer Forschung machen. Und drittens: Wenn jemand unbedingt auf mich einteufeln will, um später einmal als Narr dazustehen, bitte!“ Um in der Welt der Krimis und Gerichts-Filme zu bleiben: Auch hier müssen Prozesse mitunter neu aufgerollt werden, weil die Fahnder nur Beweise zur Kenntnis genommen haben, die die Schuld des Angeklagten nachweisen, entlastendes Material jedoch unter den Tisch fallen ließen.

Shaviv ist überzeugt, dass die größere Bedeutung der kosmischen Strahlung auf das Klima langfristig mehr und mehr Akzeptanz finden wird: „Es braucht oft etwas Zeit, bis neue Ideen anerkannt werden“.  Er hat inzwischen weitere einzelne Aspekte vertiefende Studien veröffentlicht. Darüber hinaus akkumulieren in der wissenschaftlichen Literatur der letzten Jahren weitere interessante Hinweise für die Tragfähigkeit der Hypothese. So stellte das dänische „National Space Center“ im Sommer in den „Proceedings“ der Royal Society ein neues Experiment vor, bei dem es erstmals gelungen war, auch praktisch-physikalisch nachzuweisen, wie die kosmischen Strahlung Wolken bildet. Forscher aus 18 Instituten und neun Ländern haben sich inzwischen zu einem Großprojekt „Cloud“ (Wolke) zusammengetan, um mit einem Experiment am europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf zu überprüfen, ob und wie der diskutierte Erklärungsansatz für den Einfluss der Sonnenaktivität auf unser Klima funktioniert.

Nir Shaviv ist übrigens nicht nur in der Wissenschaft ein gefragter Mann: Nach Feierabend fordern die beiden drei und siebenjährigen Söhne den ganzen Papa - genau wie Mama, eine Ingenieurin. Die junge Familie unternimmt am Wochenende gerne Ausflüge und Wanderungen in der Umgebung. „Ich bin ein Naturliebhaber und betrachte mich als Umweltschützer“, sagt Shaviv , „Dinge wie Luftverschmutzung, Nachhaltigkeit oder Energiesparen liegen mir sehr am Herzen“.  Wobei er Wert darauf legt, dass man auch auf diesem Gebiet vor lauter Herz den Verstand nicht vergisst: „Bevor ich mich für oder gegen etwas engagiere, versuche ich die Zusammenhänge genau zu verstehen, anstatt dem hinterherzulaufen, was die Medien gerade propagieren.“ Diese Haltung wurde ihm von den Eltern vorgelebt: Die Mutter war Architektin, der Vater Physiker - und sein Elternhaus in Haifa ein Experimentierfeld für Solararchitektur.  Mit einem Thermometer bewaffnet sammelte Sohn Nir akribisch Daten, damit die Wirkung der solartechnischen Ideen richtig beurteilt werden konnte. Der Mann will es eben wirklich wissen.

 

 

 

 

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