Heute Morgen hatte ich das Vergnügen, im britischen Parlament zu frühstücken. Das China Media Centre an der University of Westminster hatte zu einem Frühstücks-Hearing eingeladen, bei dem es um die Auswirkungen des chinesischen Wirtschaftswachstums auf Umwelt und Ressourcen gehen sollte. Um es vorweg zu nehmen: Inhaltlich kam nicht viel dabei herum, denn dass China wächst und seinen Energie- und Ressourcenverbrauch in den vergangenen Jahren massiv gesteigert hat, war unter den ca. 120 Teilnehmern, darunter viele Unterhausabgeordnete, Lords, Wissenschaftler und Journalisten sowie Vertreter der chinesischen Botschaft, auch vorher schon bekannt.
Bemerkenswert fand ich zumindest aber die Rede des konservativen Unterhausabgeordneten John Gummer. Mr Gummer ist (mit einer kurzen Unterbrechung) seit 1970 Mitglied des britischen Parlaments und hatte unter Margaret Thatcher und John Major diverse Ämter in Regierung und Partei inne. Unter anderem war er Landwirtschafts- und Umweltminister. Unter dem jetzigen Parteichef David Cameron leitet er eine Parteiprogrammkommission zur Steigerung der Lebensqualität.
John Gummer sollte eigentlich über China und die Auswirkungen des chinesischen Wachstums auf die Umwelt sprechen. Dies gelang ihm allerdings nur bedingt. Tatsächlich ließ er jeder Bemerkung über China eine Attacke gegen die USA und speziell gegen Präsident George W. Bush folgen.
So stellte er etwa fest, dass die Chinesen zwar immer mehr Energie verbrauchten und entsprechend mehr CO2 emittierten. Aber dabei hätten sie auch ihre Energieeffizienz viel stärker steigern können als die USA. Eine solche Aussage ist irreführend, denn wenn er sich damit auf die absoluten CO2-Einsparungen etwa pro 1.000 Dollar des BIP bezieht, dann mögen die Chinesen tatsächlich mehr CO2 eingespart haben als die Amerikaner (und selbst das ist nicht klar, da die chinesischen Emissionen pro Dollar zwischen 1999 und 2004 sogar gestiegen sind, während sie in den USA fielen). Aber selbst wenn man die Emissionseffizienz über einen längeren Zeitraum betrachtet, dann wird man immer noch feststellen müssen, dass die USA 2004 pro 1.000 Dollar BIP nur 0,55 Tonnen CO2 emittiert haben, die Chinesen jedoch 3,14 Tonnen. Folglich gibt es bei der chinesischen Energieeffizienz einfach ein deutlich größeres absolutes Potential für Verbesserungen. Das verschwieg John Gummer jedoch.
Diese Art der Argumentation zog sich durch Gummers gesamte Rede (und die folgenden Punkte zitiere ich aus dem Gedächtnis): “Warum senken die USA ihre Emissionen nicht viel mehr? Sie haben doch einen großen Teil ihrer Industrieproduktion nach China verlagert.” Oder: “Warum stellen die USA China nicht ihre Umwelttechnologie zur Verfügung? So hat China doch gar keine Chance, grün zu wachsen.” (Indirekt gab er damit allerdings zu, dass die Amerikaner saubere Technologien entwickelt haben. Kein Wunder eigentlich: Für CO2-Einsparmaßnahmen stellt die US-Regierung jedes Jahr ein Budget von 5 Mrd. Dollar zur Verfügung.)
So wurde aus Gummers China-Rede eine einzige Anklage gegen Amerika. Was auch immer man den Chinesen vorwerfen könnte, die Amerikaner waren letztlich daran schuld. Am Ende trieb er seinen Antiamerikanismus auf die Spitze, in dem er die rhetorische Frage stellte, warum denn George W. Bush den Klimawandel immer noch leugne (wörtlich “Why does George Bush deny climate change?”). Dass damit Assoziationen mit Holocaustleugnern hervorgerufen werden konnten, nahm er wohl gerne in Kauf. Ebenso, dass diese Aussage falsch ist, da George W. Bush die Realität des Klimawandels längst mehrfach öffentlich anerkannt hat, aber das nur am Rande.
John Gummer ging jedoch noch weiter und beantwortete seine rhetorische Frage mit der Feststellung, dass der Klimawandel nur durch internationale Kooperation zu bewältigen sei. Folglich könne Bush gar nicht anders, als ihn zu leugnen, denn mit dem Eingeständnis des Klimawandels würde er gleichzeitig den “US-amerikanischen Imperialismus beenden” (auch dies ein wörtliches Zitat von Mr Gummer).
Mir blieb kurz die Luft weg, der Rest des Publikums jedoch nickte zustimmend. Dabei waren Gummers Vorwürfe an Dümmlichkeit kaum zu überbieten. Die Bush-Regierung hat nämlich nicht nur den Klimawandel anerkannt, sondern auch gleich internationale Kooperationen zur Steigerung der Energieeffizienz ins Leben gerufen, und zwar mit China. Gummers Generalangriff gegen Bush und Amerika war somit in der Sache vollkommen substanzlos.
Leider blieb zu einer Diskussion von Gummers Thesen keine Zeit, und er verabschiedete sich denn auch schnell nach seiner mit großem Applaus bedachten Rede.
Selten habe ich soviel offenen Antiamerikanismus in einer Rede gehört, und dann auch noch von einem führenden britischen Konservativen. Es war eine peinliche Vorstellung, die John Gummer heute Morgen abgeliefert hat. Nur leider scheint diese Art der plumpen Amerikakritik in Großbritannien nicht nur salonfähig geworden zu sein, sondern inzwischen zum guten Ton selbst bei Hearings im House of Commons dazuzugehören.