Von Maxeiner & Miersch. Erschienen in DIE WELT vom 2.2.2007
Wir vermissen die Linke. Sind die alle zur Fortbildung in der evangelischen Akademie Loccum? Oder auf Kuba in Urlaub? Hallo, hallo! Es gibt was zu tun! Es geht um Großbanken und Kapital-Gesellschaften, denen von der internationalen Klimabürokratie ein neues Geschäft zugeschanzt wird: Das mit heißer Luft. Es trägt den Namen „Emissionshandel“ und operiert unter dem Tarnbegriff „Klimaschutz“. Dank undurchsichtiger Regeln, Buchhaltertricks und mangelnde Kontrolle werden Milliardenprofite gemacht - und dies alles auf Kosten der Arbeitnehmer, der Arbeitsplätze und der kleinen Leute. Warum lasst Ihr euch das gefallen? Muss der kritisch-linke Verstand nach Nennung der Vokabel „Kyoto“ wirklich ausgeschaltet werden? Viel besser wäre eine Empfehlung von Mediamarkt: „Lasst euch nicht verarschen!“
Und jetzt eins nach dem anderen. Laut Kyoto-Protokoll sollen die Kohlendioxid-emissionen um 5 Prozent unter den Wert von 1990 reduziert werden. Das ist ehrenvoll, macht aber laut Wissenschaft bis zum Jahr 2050 allenfalls ein paar hunderstel Grad unterschied aus. Und dieses Null-Resultat wird von Eurokraten, Regierungen und Großkapital als Vorwand benutzt, um eine gewaltige Reichtums-Umverteilungsmaschinerie in Gang zu setzen, die das Geld gleich kofferweise von unten nach oben schafft. Wie der neue Klassenkampf ausgetragen wird, sei am Beispiel des Emissionshandels erläutert.
Die Idee klingt erst mal verlockend: Um das Gesamtvolumen an Abgasen nicht zu überschreiten, werden an Kraftwerke und Industrieanlagen Emissionsrechte ausgegeben. Wer mehr CO2 ausstößt, muss Rechte zukaufen. Wer unter seinem Limit liegt, kann verkaufen. Dieser Marktmechanismus soll Kohlendioxid dort einsparen, wo es am wenigsten kostet. Und nun zur Praxis. In Deutschland wurden die Anteile im Hinterzimmer ausgekungelt. Anschließend kalkulierten die Energieriesen die geschenkten Zertifikate - buchhalterisch richtig - mit ihrem theoretischen Kaufwert in die Strompreiskalkulation ein, was ihnen vier bis sechs Milliarden Euro einbrachte. Bezahlt hat dafür das Volk mit der Stromrechnung - ohne dass auch nur ein Gramm Kohlendioxid eingespart worden wäre. Aus Kyoto wird mehr und mehr ein Armutsbeschaffungsprogramm. Und es wird noch viel dicker kommen.
Weil europäische Länder wie Spanien ihre Kyoto-Verpflichtungen nicht einhalten können, kaufen sie beispielsweise Emissionsrechte in China. Im größten Luftdeal aller Zeiten zahlen sie eine dreiviertel Milliarde Euro dafür, dass dort Produktionsanlagen von klimawirksamen und ozonschädigenden Kältemitteln heruntergefahren werden. Das wäre ja prima, wenn die Chinesen nicht an anderer Stelle wieder neue solche Anlagen aufbauen würden. Über solche Geschäfte freut sich der Makler und der europäische Arbeiter wundert sich: Mit seinen Klimaopfergaben subventioniert er die chinesische Konkurrenz - und damit den Export seines eigenen Arbeitsplatzes.
Von Morgan Stanley über Trinkhaus & Burkhardt bis Société Générale investieren alle großen Bankhäuser massiv in diesen Goldgräbermarkt. Die Dresdener Bank hat sich gerade mit - Überraschung! - Gazprom zusammen getan, um Emissionsrechte im geschätzten Umfang von 15 Milliarden Euro zu generieren. Der russische Staat und die herrschenden Oligarchen sind in dieser Hinsicht sehr kreativ. Das Land hat unlängst seine als Referenzwert verbindlichen Kohlendioxid-Emissionen von 1990 angemeldet. Und diese sind - Simsalabim - um 576 Millionen Tonnen höher als ursprünglich avisiert (laut Beratungsgesellschaft carbonpoint). Das bedeutet zusätzliche Emissionsrechte in Höhe des gesamten Jahres-Ausstoßes der deutschen Industrie.
Und was will man damit machen? Bingo: Die dumm gehaltenen Massen der Industriestaaten werden dafür bezahlen - häufig mit ihrem Arbeitsplatz. Der global agierenden öko-kapitalistischen Komplex hat mit fiktiven Emissionsrechten die finale Gelddruckmaschine erfunden. In den Villen im Tessin knallen die Champagnerkorken. Wie lange wollt ihr da noch zuschauen, Genossen?