Es hat mich stets beruhigt, zu wissen, dass gemeinhin ein Unterschied zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung existiert. Dass es die Political Correctness und die damit einhergehende Angst vor sozialen Sanktionen sind, die den multikulturellen Traum oberflächlich aufrechterhalten und weniger die tatsächliche Überzeugung vieler Menschen.
Es ist beruhigend zu wissen, dass sich der gemeine Bürger abseits der akademischen Blase und linksgerichteten Parteien einen feuchten Kehricht um gendergerechte Sprache und Toiletten schert. Dass der Islam für manch einen Journalisten und Politiker zu Deutschland gehört, ganz sicher aber nicht zur Lebenswelt eines Großteils der Bürger. Kurzum: Dass die Bevölkerung normaler tickt als der alltägliche Wahnsinn, der sich in Politik und Medien offenbart, suggeriert.
Was beruhigt, kann jedoch genauso gut frustrieren, wenn das Pendel einmal in die andere Richtung ausschlägt. Die Debatte um die Echo-Auszeichnung für Farid Bang und Kollegah mag in den Medien noch nicht gänzlich verstummt sein, bei der betreffenden Zielgruppe ist sie nie angekommen. Während wir Medienschaffenden noch die Grenzen der künstlerischen Freiheit abstecken, bewirbt mein Lieblings-Onlineshop schon seit Tagen Kollegahs neue Klamottenkollektion, die bei den Fans einschlägt, wie Bananen in der DDR.
Das Problem sind die Fans
Und so zeigt sich einmal mehr, dass sich das Problem weder an Ausschlüssen oder Nicht-Ausschlüssen von Veranstaltungen, noch an den „Künstlern“ selbst manifestiert, sondern an den Fans, die ihre Musik, ihre Klamotten und Konzertkarten kaufen. Der Erfolg eines Künstlers am Markt bemisst sich eben nicht nach einer vorgegebenen Moral oder Kriterien des „guten Geschmacks“, sondern nach der Nachfrage. Nichts könnte das besser verdeutlichen als ein Musikpreis, der vorrangig nach Verkaufszahlen vergeben wird.
Sicherlich hätte man sich in einer Republik, in der sonst bei jeder Gelegenheit von Medienschaffenden, Prominenten und Politikern „Haltung gezeigt“ und „Zeichen gesetzt“ werden, schon vor der Echo-Verleihung so etwas wie einen „Aufstand der Anständigen“ gewünscht, der sich sonst bei jeder auch nur gefühlten Bedrohung „von Rechts“ ohne viel Aufwand zusammentrommeln lässt. Es hätte zweifelsohne das eigene Geschmacksempfinden geschont, wenn man diesen Proleten die öffentliche Plattform entzogen hätte, oder zumindest jemand der alten linken Socke Campino zur Seite gesprungen wäre, indem man geschlossen den Saal verlässt. Solche Aktionen setzen jedoch voraus, dass das eigentliche Problem erfasst wird. Dass dies bei einer Mehrheit der Verantwortlichen und Prominenten vor Ort nicht der Fall war, ließ sich u.a. an den geistreichen Kommentaren von bedeutenden Denkern wie Angelo Kelly und Fernsehkoch Nelson Müller auf der anschließenden After-Show-Party erkennen.
Die Zeit einer künstlerischen Avantgarde, die Kritik an den herrschenden Verhältnissen, ungeachtet von politisch korrekten Erwägungen, übt, scheint zumindest in der jungen, „hippen“ Generation ein für alle Mal vorbei. Mit Campino, Peter Maffay, Klaus Voormann und Marius Müller-Westernhagen zeigt ausschließlich die alte Riege im Musikgeschäft Flagge gegen den unsäglichen Opportunismus der Veranstalter, denen es wohl vorrangig darum ging, von diesem Skandal zu profitieren und die sich insofern nicht von jenen gewissenlosen Menschen unterscheiden, die mit der Vermarktung von „Künstlern“ wie Farid Bang und Kollegah ihr Geld verdienen.
Einstudierte Empörungswellen
Und dennoch: Schlimm sind nicht in erster Linie die Reaktionen auf das Ergebnis, auf die Nominierung, den Auftritt. Schlimm ist, welchen Erfolg Rapper wie diese vor allem bei der jungen Generation haben, die sie mittlerweile zu großen Teilen prägen und dass die Diskussion ausgerechnet an dieser Generation vollkommen vorbeigeht. Es sind vornehmlich jene jungen Muslime, deren rassistische und antisemitische Ausbrüche wir mittlerweile auf den Schulhöfen und auf den Straßen dieses Landes erleben dürfen.
Junge Männer, die von Gleichaltrigen umgeben sind, die entweder ihre Ansichten teilen oder denen schlicht das Bewusstsein dafür fehlt, um sich an ihrem Verhalten zu stören. Jahrzehnte des Ignorierens und Leugnens des muslimischen Antisemitismus haben Spuren hinterlassen, deren Früchte wir jetzt ernten. In diesem gesellschaftlichen Klima ist und bleibt „Kolle“, wie ihn seine Fans nennen, der „Boss“ – daran ändern auch zurückgegebene Echos, eine empörte Presse und schockierte Politiker nichts.
Es ist dies letztlich das Ergebnis einer Erinnerungs- und Geschichtskultur, einer gesellschaftlichen Debatte, in der es schon lange nicht mehr um Bewusstsein, um Strukturen von Rassismus, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Co. geht, sondern um einstudierte Empörungswellen, die sich nach nichts anderem als den Regeln einer dem Zeitgeist unterliegenden political correctness richten. Und Antisemitismus aus dem islamischen Kulturkreis gehörte bis jetzt eben nicht zu den politisch korrekten Kategorien, für die es Applaus gab, weshalb es all die Jahre vorher niemanden interessierte, was Farid Bang und Co. da fabrizierten.
Nein, ein Problem, das schon in den Familien, in den Moscheegemeinden, in den Schulen und im heimischen Kinderzimmer beim Hören der preisgekrönten Musik beginnt, endet nicht mit zurückgegebenen Preisen und zurückgetretenen Verantwortlichen. Genau genommen ist das, was gerade an blankem Hass in die Öffentlichkeit dringt, nicht zuletzt auch aufgrund der aktuellen Zuwanderungspolitik, die von nicht wenigen, die sich jetzt empören, ausdrücklich unterstützt wird, erst der Anfang. Deutschland wird vielfältiger und Kollegah und Farid Bang sind lediglich Ausdruck dieser Vielfalt.