Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 21.09.2007
Liebe Klimakatastrophe, wir glauben zwar nicht so recht an Dich, aber das wollen wir hier jetzt einmal beiseite lassen. Auch wenn es Dich nicht wirklich geben sollte, so bist Du in gewisser Weise eben doch real, schon alleine dadurch, dass so viele Menschen an Dich glauben. Die Politik schwört auf Dich, die Medien können nicht genug von Dir bekommen, tausende von Funktionären jetten in Deinem Namen durch die Welt und von Konferenz zu Konferenz. Du bist ein Wirtschaftsfaktor erster Güte, die Lobbyisten aller Seiten versuchen so gut es eben geht, Kapital aus Dir zu schlagen. Es werden Gesetze erlassen und Verbote ausgesprochen. Es wird viel Mist gemacht in Deinem Namen, das haben wir hier immer wieder geschrieben. Aber auch darüber wollen wir hier und heute einmal hinwegsehen.
Schuld daran ist ein Besuch in Frankfurt, Anfang der Woche auf der Internationalen Automobilausstellung. Als wir so durch die Hallen schlenderten überkam uns Dir gegenüber eine versöhnliche Stimmung. Egal ob Du nun ein Gespenst bist oder nicht, dein Auftritt zeitigte unter den Autoherstellern jedenfalls positive Nebenwirkungen, man könnte es auch Kollateralnutzen nennen. Mit einem mal waren dort Dinge zu sehen, die wir uns schon seit vielen Jahren gewünscht haben – bisher vergeblich. Auf dem Volkswagenstand entdeckten wir einen schicken kleinen Flitzer mit Heckmotor, „Up“ genannt, der nur noch drei Liter Sprit braucht und auch für Menschen mit knappen Mitteln erschwinglich ist. Am liebsten hätten wir ihn gleich einpacken lassen.
Der Käfer aus unserer Jugendzeit lässt grüssen und man fragt sich wie dessen Tugenden so gründlich ins Vergessen geraten konnten. Geringes Gewicht, Ressourcen-Effizienz und der unangepasste Schick der Reduktion machten ihn zu einem Welterfolg – und in den USA sogar zu einem Kultauto. In den siebziger Jahren setzte sich das moderne Bürgertum Kaliforniens im Käfer vom protzig-verschwenderischen Autogeschmack der Massen ab. Und der auf dem Käfer basierende VW-Bus wurde zum Dienstwagen der Hippie-Generation. Wenn uns nicht alles irrt, steht so ein automobiler Paradigmenwechsel gerade wieder an.
Der globale Ökoschick den die Trendsetter in Hollywood und anderswo kreieren bringt mancherlei Bigotterie hervor. Aber was soll’s, beim Auto läuft es auf eine Entkoppelung von Ressourcenverbrauch und Status hinaus. So ein „VW-Up“ könnte durchaus zu so einer Art i-Pod mit vier Rädern werden, genauso wie es der VW Käfer im Grunde vor einem halben Jahrhundert war (allerdings ein ziemlich lauter). Bei Mercedes, wo man die Produktion des pfiffigen kleinen Smart vor kurzem noch einstellen wollte, hätschelt man den Kleinen plötzlich wie einen ungeliebten Verwandten, der über Nacht den Jackpot im Lotto geknackt hat.
Liebe Klimakatastrophe, danke, dass Du die Autohersteller erschreckt hast. Im Grunde kann denen nämlich nichts Besseres passieren. Es ist schöpferische Zerstörung die sich in den Frankfurter Messehallen ankündigt. Jetzt wird wohl endgültig ernst gemacht, mit neuen Antriebskonzepten, ein Zurück gibt es nicht. „Weiter so“ und „immer mehr vom selben“ sind keine tragfähigen Zukunftsvisionen. In den Entwicklungsabteilungen dürfen die Mutigen, die etwas riskieren wollen, aufatmen. Es gehen plötzlich Sachen, die vor zwölf Monaten noch als Spinnerei abgetan worden wären. Wir kamen in Frankfurt jedenfalls gar nicht aus dem Staunen heraus. Es hat noch keiner Industrie geschadet, wenn Erfinder und Revolutionäre den Besitzstandwahrern das Terrain streitig machen. Kompliment, liebe Klimakatastrophe, Du hast das prima eingefädelt, auch wenn man Dich bei Licht betrachtet eigentlich nicht brauchen würde. Für die Bewegung Weg vom Öl gibt es ja viele gute Argumente. Uns fallen spontan gleich sechs ein: Ahmadinedschad, Al Saud, Assad, Chavez, Gaddafi und Putin.