Thomas Rietzschel / 12.07.2016 / 17:40 / 6 / Seite ausdrucken

Können freie Wahlen den Fortbestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bedrohen?

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Mehr noch als für vieles sonst gilt das für die kommende Bundestagswahl. Manchem scheint da bereits Himmelangst zu werden. Schließlich dauert es nur noch ein gutes Jahr, bis der Wähler, das unberechenbare Wesen, der Mensch draußen im Lande, an die Wahlurne tritt, um seine gültige Stimme womöglich den Falschen zu geben. Höchste Zeit also für die alteingesessene WG des Bundestags, andere Saiten im Kampf um den Erhalt ihrer Erbpacht aufzuziehen. Ist es doch noch immer nicht gelungen, die AfD zur Strecke zu bringen. 

Obwohl es an medialer Unterstützung nicht fehlte, hat das rhetorische Donnerwetter allein bisher wenig gebracht. Auch der Zusammenschluss aller etablierten Parteien zur Anti-Alternativen-Volksfront konnte die Alternativen nicht aus dem Feld schlagen. Nicht einmal das fieberhafte Bemühen um ihre Entzauberung als ein zerstrittener Haufen rivalisierender Greise, keifender Megären und nationalistischer Dumpfbacken zeigte den erhofften Erfolg.

Allzu oft erkannte man die Absicht der „Aufklärer“ und war verstimmt. Zwar schwanken die Zustimmungswerte für den Angstgegner bisweilen; gerade eben muss er in verschiedenen Umfragen wieder Abschläge von ein bis zwei Prozent hinnehmen, doch wurde er nie so ausgepfiffen, dass er den Ring hätte fluchtartig verlassen müssen. Vielmehr gerieten die anderen zunehmend in Panik. Mittlerweile zittern sie auffällig.

Thomas Strobl bittet den Verfassungsschutz um Hilfe

Dabei ist es keineswegs so, dass diejenigen, die sich vorstellen könnten, mit der AfD eine politische Kraft zu wählen, die aus der Reihe tanzt, auch bereit wären, ihr blindlings zu folgen. Oder alles gut fänden, was ihre Funktionäre so treiben. Sie sind es nur leid, weiterhin ein Parteien-Kartell durchzufüttern, das sich daran gewöhnt hat, das Volk vormundschaftlich zu beherrschen, gleich, ob es um den bürokratischen Ausbau eines zentralistisch regierten Europas, um die Flüchtlings- oder die Energiepolitik geht. Sie wollen sich nicht länger von denen in die Taschen greifen lassen, die von der Hand in den Mund regieren, um nur irgendwie an der Macht zu bleiben.

Dass die "wahren Demokraten" vor keiner Anschwärzung zurückschrecken, hat Thomas Strobl, Landesvorsitzender der CDU in Baden-Württemberg und untertäniger Koalitionsdiener des grünen Ministerpräsidenten Winfried Krteschmann, erst dieser Tage wieder bewiesen. Alarmierend verlangte er die Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz. Das haben zwar schon andere vor ihm erfolglos versucht. Aber der stete Tropfen höhlt bekanntlich den Stein, auch wenn Strobl wie seine Vorgänger jetzt noch einmal bei der  Behörde abgeblitzt ist. Die antisemitischen Einlassungen des AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon (unsägliche Äußerungen, auf die die AfD viel zu spät und ausweichend reagierte) gaben einfach nicht genug her.

Würden sie zum Anlaß einer Überwachung genommen, müsste sich der Verfassungsschutz am Ende mit allen Parteien befassen, deren Mitglieder in der Vergangenheit durch ihre Kumpanei mit den Palästinensern im Kampf gegen die Juden aufgefallen sind.  Als Generalsekretärin der SPD empfing Andrea Nahles 2012 eine Delegation der Fatah im Berliner Willy-Brandt-Haus. Verabschiedet wurde dabei eine Erklärung zum „Strategischen Dialog zwischen SPD und Fatah“, in dem unter anderem von „gemeinsamen Werten“ und „gemeinsamen Zielen“ die Rede war. In der CDU hielt Martin Hohmann, als er der Partei noch angehörte, obskure Reden, in denen er die Juden in die Nähe eines "Tätervolkes" rückte. Bei der FDP tat das einst Jürgen Möllemann, bei den Grünen unter anderem  Hans-Christian Ströbele. In einem Gespräch mit Henryk M. Broder sagte Dietmar Bartsch, wenn die Linke sich von allen Antisemiten in ihren Reihen trennen würde, verlöre die Partei die Hälfte ihrer Mitglieder. Eine Aussage, die der Vorsitzende der Links-Fraktion im Bundestag nie dementierte.

Dass Thomas Strobl von alledem nichts mitbekommen haben soll, kann nicht sein. Immerhin ist er seit Jahrzehnten aktives CDU-Mitglied, politisch in führenden Ämtern tätig. Wenn er dennoch versucht, die AfD mit Verweis auf den rhetorischen Unflat eines Wolfgang Gedeon - übrigens ein altes Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxismus-Leninismus (KPD/ML) - verfassungsrechtlich zu kriminalisieren, dann spürt man auch hier die Absicht und ahnt, worauf das hinauslaufen soll: Auf ein förmliches Verbot der Partei noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2017.

Der Notstand wird schon geübt

Wozu, mag sich der Merkel-Mann gesagt haben, wozu haben wir schließlich einen parlamentarisch kontrollierten Verfassungsschutz, wenn wir ihn nicht gegen jene einsetzen, die einem die Wähler abspenstig machen könnten. Dass Thomas Strobl nicht der einzige ist, dem solche Strategien durch den Kopf gehen, scheint eher wahrscheinlich als ausgeschlossen. Die Parteien (CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne und Linke) , deren Mitgliederzahl von 1990 bis heute um die Hälfte schrumpfte, von 2,4 auf 1,2 Millionen, haben im Kampf um ihre Existenz längst blankgezogen.

Mittlerweile ist ihnen nahezu alles zuzutrauen. Am Ende sogar die Erklärung eines Notstandes, der es nicht zulässt, die nächsten Bundestagswahlen überhaupt noch wie geplant durchzuführen. Ein Probelauf dafür war, allerdings technisch begründet, ja schon für die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus in diesem Herbst erwogen worden. Im nächsten könnte uns dann die Bundeskanzlerin womöglich erklären, die rechtspopulistischen Kräfte seinen derart erstarkt, dass freie Wahlen den Fortbestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bedrohen würden, dass man vorerst darauf verzichten müsse, um nicht zu gefährden, was sich die etablierten Parteien über Jahrzehnte aufgebaut haben: eine höfische Demokratie, in der sich der Bürger als umsorgter Untertan wohlfühlen darf.

Wer jetzt den Kopf schütteln möchte und dagegen hält, dass kein demokratisch gewählter Politiker, schon gar nicht in Deutschland, einen derartigen Verfassungsbruch wagen würde, dem ist nicht nur ein Großteil unserer Geschichte entfallen, er hat vor allem vergessen, was sich die amtierende Bundeskanzlerin in den letzten Jahren schon alles leistete. Auch ihre selbstherrlich verfügte Grenzöffnung aus „humanitären“ Gründen hätte noch vor zwei Jahren niemand für möglich gehalten, nicht zu reden vom Bruch der europäischen Verträge im Zuge der Euro-Krise oder von der diplomatischen Kumpanei mit einem diktatorisch herrschenden Sultan und anderen Autokraten mehr.

Große Ereignisse werfen lange Schatten voraus, auch wenn sie diesmal nur auf eine baden-württembergische Knalltüte der CDU gefallen sind. 

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Leserpost

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Thomas Schenk / 13.07.2016

Der Druck im Dampfkochtopf steigt. Ein Verbot der AfD wäre sicher manchen willkommen, würde jedoch das Problem der festgefahrenen Altparteien nicht lösen; Es entstünde sofort eine neue Gegenbewegung. Alles in allem kann man feststellen, dass die „Blockparteien” den Veränderungen im Land hilflos gegenüberstehen. Der Druck wird weiter steigen, das Gegenhalten wird immer undemokratischere Züge annehmen. Am Ende wird der Block aus CDU, SPD, Grünen, und Linken Unruhen und Gewalt bis hin zu bürgerkriegsähnlichen Szenarien auf den Straßen zu verantworten haben.

Dumbo / 13.07.2016

Möglich wär’s schon, dass es Merkel auch bei diesem Problem gelingen könnte, die Bürger mit wohlfeilen Worten (und Taten) davon zu “überzeugen”, dass diese “rechtspopulistische AfD” verboten werden sollte…...mittlerweile traue ich ihr alles zu.

Michael Rhein / 13.07.2016

Exzellent auf den Punkt gebracht, Herr Rietzschel! Es scheint, dass die Mehrheit in diesem Land, die wahren Motive hinter diesen unsaeglichen Forderungen nach Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht erkennen. Die permanente Einlullung in den Medien scheint ihren Beitrag zu leisten. Ich beobachte, im Ausland lebend, mit Schrecken was in meinem Heimatland passiert. Dieses Mitlaeufertum und der vorauseilende Gehorsam haben freiheitliche Bestrebungen in Deutschland mehrfach verhindert, nicht erst 1848 oder nach dem 1. Weltkrieg. Es gibt gute Gruende warum es eine Magna Charta oder eine erfolgreiche Revolution wie in Frankreich auf deutschem Boden nie gegeben hat. Die Angsthasen und Obrigkeitshoerigen haben in Deutschland die Oberhand und pfeifen auf den Wert der Freiheit wenn sie im Gegenzug eine Erhoehung der Fahrtkostenpauschale steuerlich geltend machen koennen.

TheCal / 13.07.2016

Tja, und dann folgt der Aufstand… Ein Bürgerkrieg wird folgen, da bin ich mittlerweile fest überzeugt von. Kein Mensch braucht Merkel und ihr Verräterkabinett…. ._. Ich wünschte nur, es ginge auch ohne Kriegsakt.

Ralf Schmode / 12.07.2016

Sehr geehrter Herr Rietzschel, ich glaube nicht, dass ein Verbot der AfD jetzt schon zur Debatte steht. Die Parteien der sperrangelweit offenen Grenzen und der schrankenlosen Willkommenskultur aus der Brieftasche der Bürger haben bisher bei keiner Wahl weniger als 70 % erhalten. Es sind also allenfalls ein paar noch ungewohnte koalitionäre Farbenspielchen erforderlich, und es besteht kein Zweifel, dass Frau Merkel, sollte es notwendig werden, nicht nur mit den Grünen, sondern auch mit der SED-Fortsetzungspartei ins Bett steigt, um ihren Kurs gegen die Wand fortsetzen zu können, zumal ja auch noch der eine oder andere Friedensnobelpreis zu vergeben ist. 2017 wird es wohl für das politische Establishment reichen, dann hat man erst einmal vier Jahre freie Bahn. In dieser Zeit lässt sich vieles auf die Schiene bringen, hier oder in Paraguay. Wenn sich in dieser Zeit, wie zu erwarten, die wirtschaftliche und soziale Lage sowie die innere Sicherheit hierzulande katastrophal verschlechtert - dafür wird schon der stete Nachschub an geschenkten Fachkräften sorgen - wird die AfD dramatisch zulegen. Dann erst wird man ihr Verbot betreiben, ggf. mit der einen oder anderen false-flag-Operation. Vom Bundesverfassungsgericht ist dann keine Gegenwehr mehr zu erwarten, das ist bis dahin komplett gleichgeschaltet. An die Abschaffung der Wahlen glaube ich eher nicht - nicht einmal die DDR hatte das nötig, und es würde in den Augen unserer Partner in der EU und jenseits des Atlantiks das Maß (Maas) der Entdemokratisierung endgültig voll machen. Was aber sehr schnell im Zusammenhang mit einem AfD-Verbot kommen wird, ist das Bargeldverbot in Verbindung mit Ausreisebeschränkungen und möglicherweise auch dem Einzug von Vermögen. Denn es gibt zu viele Bürger, die - gut ausgebildet und (noch) mit etwas Erspartem - in der Lage wären, auszuwandern und dem von ihnen maßgeblich finanzierten bunten Spektakel den Rücken zu kehren. Dem wird man dann einen Riegel vorschieben wollen. Die Deutschen werden sich noch wundern, wie gut die Sicherung unserer Grenzen plötzlich klappt, wenn die Politik es so will.

Wolfgang Richter / 12.07.2016

So lange es nur eine tatsächliche und funktionale Partei als Opposition zum Konsenz-Einheitsblock der sich an den politischen Fleischtöpfen festkrallenden gibt, die sich sinnigerweise auch noch “Alternative” nennt (im nachhinein der einzige wirkliche Lichtblick eines Wirtschaftsprofessors aus dem Norden), wird jede Aktion der selbst ernannten Meinungsführer dieser Opposition zugute kommen. Und je dümmlicher die Gutsherren agieren, je offensichtlicher und fadenscheiniger diese vorgehen, um so besser und zählbarer für die Zielgruppe, erstaunlich immer wieder, daß dies angeblich intelligenten Politführern nicht aufgeht. Und so hochherrrschaftlich, wie Frau Merkel den Briten Cameron vor dem Brexit hat abblitzen lassen, statt auf ihn hinsichtlich seiner EU-Reformwünsche einzugehen und sich medial auf seine Seite zu stellen, was vielleicht am Stimmungsbild bei den Briten etwas geändert hätte, so hochherrschaftlich präsentiert man sich im Lande als alternativlos und erkennt nicht, daß sich inzwischen eine große Schar von Bürgern (neusprech “großer Teil der Bevölkerung”) vor Grausen abgewandt hat, woraus sich ein erheblich höheres Wählerpotential für die “Alternativen” ergeben könnte. als es irgendwelche Demoskopen-Umfragen in ihren Zahlen abbilden. MacPom, Berlin -sofern die Wahl stattfinden sollte- und im Frühjahr 2017 NRW werden anhand der Verteilung der Stimmen, aber vor allem der jeweiligen Wahlbeteiligung (die immer so schön versucht wird auszublenden) zeigen, was der Bürger von dem bis dahin amtierenden politischen Personal hält. Man darf gespannt sein.

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