Antje Sievers / 07.01.2016 / 11:00 / 8 / Seite ausdrucken

Köln: Ich hasse es einfach, immer Recht zu behalten.

Jedem Menschen, der schon mal Opfer sexueller Gewalt geworden ist, dürfte in den letzten Tagen beim Lesen der Nachrichten und Kommentare über die gewalttätigen Massenübergriffe auf Frauen in Hamburg, Stuttgart und Köln in der Silvesternacht schlecht geworden sein vor Ab-scheu. Jeder, der oder die so was schon mal durchgemacht hat – auch ich gehöre leider dazu – weiß wie erniedrigend und verletzend eine solche Erfahrung ist, wie lange man braucht, um sich nach einer solchen Traumatisierung wieder halbwegs angstfrei in der Öffentlichkeit bewegen zu können. Wenn ich den böswilligen Zynismus eines Martin Niewendick besäße, würde ich mich dazu aufschwingen, zu behaupten: In den bundesdeutschen Redaktionsräumen hat man nach Silvester gleich noch mal mitgefummelt. Zum Glück besitze ich diesen Zynismus nicht.

Selten mussten Verbrechensopfer, in diesem Fall von Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Freiheitsberaubung und Diebstahl, derart schamlos als Projektionsfläche für die Befindlichkeiten deutscher Profilneurotiker herhalten, wie in den letzten Tagen.

Es gäbe keinen Hinweis auf Flüchtlinge als Täter, freute sich die stets eloquente Kölner Oberbürgermeisterin Reker. Es sei ein klarer Fall von organisiertem Verbrechen zum Zwecke von Diebstahl gewesen, verhöhnte man im “Netz gegen Nazis“ die Opfer. Hauptsache keine Flüchtlinge – das ist für jede Frau ein echter Trost, da tut das gestohlene Handy und der Finger im Arsch glatt nur noch halb so weh. Und natürlich durfte auch die hysterische Angst vor dem „Erstarken des Rechten Randes“ und den „Wählerstimmen für die AfD“ nicht fehlen. Schneller, als man „Grapscher“ sagen konnte, waren die Damen und Herren Kulturrelativisten zur Stelle, so Bundesdjihadistenlehrerin Lamia Kaddor, die sich nicht entblödete zu behaupten, das Gleiche passiere schließlich auch auf jedem Oktoberfest. Auf der Ausländerhasserseite hingegen schwelgte man in den sozialen Netzwerken in rassistischen Ressentiments und Gewaltfantasien.

„Unglaublich“ nannte man im Kölner Stadtanzeiger die Vorkommnisse. Wieso? Wo haben die Journalisten in den letzten Jahren gesteckt? Solche Massenübergriffe debil grinsender notgeiler Jungmänner sind in Indien, Pakistan, Afghanistan, Saudi-Arabien und Dutzenden weiterer vor-wiegend islamischer Länder, wo Frauen nichts zu melden haben und, vom Koran abgesegnet, geschlagen und erzogen werden dürfen wie kleine Mädchen und keinerlei Rechte über den eige-nen Körper besitzen, an der Tagesordnung. Haben sie nicht mehr die Bilder vom Tahrirplatz in Kairo vor Augen, wo die Helden des arabischen Frühlings heldenhaft auf wehrlose Frauen ein-schlugen? Kennen sie aus dem Netz nicht die lustvoll mit dem Handy gefilmten Prügelorgien, die man im Orient oft und gern in der Öffentlichkeit an unartigen Frauen vornimmt?

Um die Opfer ging es selbstverständlich nirgendwo. Doch die melden sich jetzt zu Dutzenden zu Wort. Etliche berichten unabhängig voneinander, dass die Polizei bei den Belästigungen hilflos dabei gestanden, ja, sogar zugesehen habe. Diese Art von Übergriffen würde man künftig nicht hinnehmen, versprach Bundesjustizminister Heiko Maas. Ich bin jetzt schon gespannt, wie der Schutz von Frauen und Männern im öffentlichen Raum künftig aussehen wird. Achja, und hier kommt Frau Reker ins Spiel, die schon den ersten Schritt zurück in die Barbarei wagte, indem sie vorgeschlagen hat, als Frau einfach eine Armlänge Abstand zu halten. Na, wenn’s weiter nichts ist.

Als ich am Silvestermorgen eine große Tüte mit Eierlikör-Berlinern erstand, mein Mann ist mein Zeuge, orakelte ich schon wieder kassandrös, dass es in der Silvesternacht in den Großstädten bestimmt zu Gewalttätigkeiten von muslimischen Männern gegenüber Frauen kommen werde. Und dass dann als nächste Präventionsmaßnahem garantiert irgendein Vollpfosten sich erdreisten würde, den indigenen Frauen Verhaltensvorschriften zu machen. Oh Mann. Ich hasse es einfach, immer Recht zu behalten.

 

 

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Franck Royale / 07.01.2016

Geht mir genau so, Frau Sievers :-) Wobei man meist ja viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte warten muss, um “Recht zu haben”. Und freuen kann man sich dann auch nur selten.

Marion Köhler / 07.01.2016

Sehr geehrte Frau Sievers, der Chef der Thüringer Polizeigewerkschaft rät Frauen in Not ” Feuer” zu rufen. Ich bin nun bestens informiert, wie ich mich in brenzligen Situationen zu verhalten habe. Man hält auf Armeslänge Unbekannte von sich fern, während man gleichzeitig ” Feuer” ruft und versucht aus der Handtasche, die einem geklaut wird , das Pfefferspray zu ziehen. Ich übe noch!!!!! Viele Grüße und ein gesundes Neues Jahr Marion Köhler  

Theo Tippler / 07.01.2016

Liebe Frau Sievers, Gestatten Sie mir zwei Anmerkungen zu Ihrem Artikel. Frau Reker gab kürzlich eine Pressekonferenz, zusammen mit zwei Herren. Zumindest auf dem Bild, das ich gesehen hatte, scheint der Frau Oberbürgermeister*in ihre Eloquenz zwischen die Mikros gerutscht und dann auf den Boden gefallen zu sein. Geistesgegenwärtig lässt Frau Reker ihren nonverbalen Audruck sprechen. Dabei ist ihre Hilflosigkeit allerdings nicht zu toppen. Mehrfach durfte ich zur Kenntnis nehmen, wie Frau Kaddor - in gewohnt professioneller Weise - das Münchner Oktoberfest und seine “Begleiterscheinungen” argumentativ verwurstelt. Nachdem ich mich dort recht gut auskenne, erlaube ich mir den Hinweis, dass es auf der “Wies’n 2014” insgesamt 12 (!) Sexualdelikte gegeben hat. Zwei (!) davon waren Vergewaltigungen. Das Oktoberfest dauert zwei Wochen. Ca. 6 ooo ooo Millionen Besucher frequentieren die Festivität in dieser Zeit. Darunter befinden sich stets sehr viele - gern gesehene - ausländische Gäste. Es wäre natürlich traumhaft, wenn das Geschehen ganz ohne Straftat ablaufen würde - wir sollten allerdings die Lebenswirklichkeiten nicht ganz aus den Augen verlieren. Übrigens, nun zu schlussfolgern, dass alle zwölf Sexualdelikte von “indigenen” deutschen Männern begangen worden wären, wäre fehlerhaft! Mit solchen Kleinigkeiten befasst sich Frau Kaddor allerdings eher nicht - wie wir wissen

Klaus-Peter Kubiak / 07.01.2016

Der Vorschlag der Bürgermeisterin Reker war sicher ein konstruktiver Beitrag zur Problemlösung. Aber es könnte sein, dass er scheitert, weil sich die Straftäter möglicherweise nicht an die “Armlänge” halten. Vielleicht wäre es konsequent, wenn die belästigten Frauen sich in einem sicheren Land (z.B. Australien) um politisches Asyl bewerben würden. Schließlich werden sie in unserem eigenen Land ja verfolgt, und da dürfte einer Aufnahme dieser Flüchtlinge nichts im Wege stehen.

Christian Horst / 07.01.2016

Bravo, großartig, pointiert und mir aus der Seele gesprochen. Danke für diesen Artikel…

Joachim Neander / 07.01.2016

Ich auch. Wie schön, in Polen zu leben, wo meine Frau und meine Schwiegertöchter noch ohne Problem nachts allein von einem Kino-, Club- oder Feten-Besuch zu Fuß heimkommen können.

Gerald Radek / 07.01.2016

Sehr geehrte Frau Sievers! Möglicherweise stammt der Präventionstipp der Kölner OB Frau Rekker gar nicht mal von ihr selbst. Möglicherweise hat sie die Idee von ihrem Polizeipräsidenten, der während der Pressekonferenz daneben gesessen ist.  In Polizeikreisen sind derartige “Tipps” weit verbreitet. zB. hier:  Präventionstipps der Berliner Polizei (authentisch, Kein Fake, keine Satire!!!) https://www.berlin.de/polizei/aufgaben/praevention/gewalt/artikel.148262.php ” Verhalten bei Gewalt und Aggression [...] Täuschen Sie z.B. Telefonate mit dem Handy vor. Simulieren Sie Krankheiten, Übelkeit oder fangen Sie laut an zu singen, um dadurch die Täter aus dem Konzept zu bringen. ...”

Anna Kah / 07.01.2016

Das Verhalten dieser marodierenden Männer von Köln etc., woher auch immer sie kommen mögen, ist Ausdruck tiefster Verachtung gegenüber selbständigen, freien, emanzipierten Mädchen und Frauen, die ein selbstbestimmtes Leben führen (können). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Freund sie begleitet, auch er wird verachtet, weil die gesamte Gesellschaftsordnung mit der ihnen unbekannten Freiheit (an die projizierten sexuellen Phantasien mag ich gar nicht denken) als Sünde angesehen wird.

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