Es sieht ganz danach aus, als hätte Donald Trump endgültig gewonnen. Oder sagen wir mal vorsichtiger: als hätte er das Schlimmste überstanden. Denn offensichtlich gehen seinen Feinden allmählich die Argumente aus. Jetzt stürzen sie sich auf seine Pressefrau und haben Schnappatmung, weil die im Oval Office auf dem Sofa kniend ein Handyfoto von einer erlauchten Professorenrunde machte. Genau dabei wurde sie fotografiert, und dieses Bild von der Entstehung eines Bildes dient zahllosen Journalisten als Beweis einer unerhörten Stillosigkeit.
Wer in seinem Leben ein paar Pressekonferenzen absolviert hat, weiß, daß Journalisten generell der Berufsstand mit den schlechtesten Manieren und der häßlichsten Kleidung sind. Mag der Anlaß noch so feierlich und offiziell sein, die Medienvertreter erscheinen in Blue-Jeans und Reißverschlußjacke. Insbesondere Fotografen steigen über Tische und Bänke oder kriechen während der entscheidenden Momente einer Zeremonie über den Boden, um ihren heiligen Berichterstattungsauftrag zu erfüllen.
Dass sich deutsche Journalisten über Kelly Conways Sofa-Foto-Foto ganz besonders echauffieren, liegt vermutlich daran, daß die Deutschen in Sachen Chic und Schicklichkeit bekanntermaßen Weltruf genießen. Gerade die Sphäre staatlicher Repräsentation ist bei uns zu Formen ästhetischer Vollendung erblüht, um die uns andere Völker nur beneiden können. Daher ist das Erschrecken über den Fauxpas einer Frau, die sich im Weißen Haus aufs Sofa kniet, ohne ihre High Heels abzulegen, so ehrlich und authentisch.
Eine bezaubernde Leichtigkeit in Kelly Conways Attitüde
Vielleicht liegt’s aber auch bloß an der Ahnungslosigkeit unserer Journalisten, die nicht wissen, wie oft Präsident Obama seine beschuhten Füße auf den Schreibtisch legte (wovon es zahlreiche Bilder gibt), oder Präsident Bush junior oder Präsident Ford. Selbst Präsident Reagan ließ sich im Büro fußballwerfend ablichten und von Präsident Kennedy ist ein Foto überliefert, auf dem sein kleiner Sohn im Fußbereich des Schreibtischs spielt. Der Würde des Amtes tut das jedenfalls in amerikanischen Augen keinen Abbruch.
Im Gegenteil, es liegt eine bezaubernde Leichtigkeit in Kelly Conways Attitüde, den festlichen Kreis universitärer Würdenträger mit Präsident Trump in der Mitte unter Verzicht auf protokollarische Steifheit mal eben durch einen Sprung aufs Sofa festzuhalten. Die fröhlichen Gesichter der Anwesenden zeigen keine Spur von Besorgnis über eine mögliche Respektlosigkeit, wie sie manche Kommentatoren in die Szene hineinzudeuten versuchten – sogar unter Zuhilfenahme des rassistischen Arguments, daß es sich bei Trumps Besuchern um „Afroamerikaner“ gehandelt habe und Kelly Conway sich nur deswegen getraut habe, auf dem Polstermöbel herumzuturnen.
Lässigkeit ist eine Kunst, die davon lebt, daß man sie ausstellt. Die Sofa-Szene im Oval Office wird als ein Dokument der Souveränität in die Geschichte eingehen, der Souveränität einer knienden Frau, was im Fall von Bill Clinton und Monica Lewinky sicherlich nicht zutraf.