Annette Heinisch / 11.03.2017 / 15:58 / Foto: Tomaschoff / 6 / Seite ausdrucken

Klartext vom Bundesverfassungsgericht

Von Annette Heinisch.

Am 08.03.2017 hat das Bundesverfassungsgericht in einer heute veröffentlichten Entscheidung (Beschluss vom 08. März 2017, 2 BvR 483/17)  zu der Berechtigung türkischer Politiker, vornehmlich Minister der Regierung, ausgeführt, dass es der Zustimmung der Bundesregierung bedarf, wenn diese in amtlicher Funktion nach Deutschland kommen. Soweit Regierungsmitglieder in amtlicher Eigenschaft auftreten, könnten sie sich zudem nicht auf Grundrechte berufen, denn sie würden dann nicht als normale Bürger agieren.

Dazu die wesentliche Aussage des Gerichts im Wortlaut:

„…1. Zwar haben Staatsoberhäupter und Mitglieder ausländischer Regierungen weder von Verfassungs wegen noch nach einer allgemeinen Regel des Völkerrechts einen Anspruch auf Einreise in das Bundesgebiet und die Ausübung amtlicher Funktionen in Deutschland. Hierzu bedarf es der Zustimmung der Bundesregierung, in deren Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten eine solche Entscheidung fällt. Soweit ausländische Staatsoberhäupter oder Mitglieder ausländischer Regierungen in amtlicher Eigenschaft und unter Inanspruchnahme ihrer Amtsautorität in Deutschland auftreten, können sie sich nicht auf Grundrechte berufen. Denn bei einer Versagung der Zustimmung würde es sich nicht um eine Entscheidung eines deutschen Hoheitsträgers gegenüber einem ausländischen Bürger handeln, sondern um eine Entscheidung im Bereich der Außenpolitik, bei der sich die deutsche und die türkische Regierung auf der Grundlage des Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten begegnen…..(Hier)

Anzumerken ist, dass in derartigen Fällen, in denen die Sache nicht zur Entscheidung zugelassen wird, regelmäßig keine Begründung geschweige denn eine Veröffentlichung erfolgt. Nur 1,89 Prozent der knapp 6.000 Beschwerden im Jahre 2015 waren erfolgreich, jede Ablehnung zu veröffentlichen, würde den Rahmen daher bei weitem sprengen. Das heißt, das Gericht hat sehr bewusst diese Ausführungen in dieser Klarheit gemacht und an die Pressestelle gegeben. Es ist eine klare und bewusste Botschaft.

Es ist also nicht so, dass die Auftritte türkischer Politiker von unserer Verfassung geboten sind, sie können weder auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) noch auf das Versammlungsrecht (Art. 8 GG) gestützt werden. Entgegen weit verbreiteter Auffassung ist es nicht „selbstverständlich“ oder gar rechtlich geboten oder dem Demokratieprinzip geschuldet,  dass die Türkei in Deutschland Wahlkampf macht, wobei es grundsätzlich völlig unerheblich ist, für welches Thema dieser Wahlkampf nun erfolgt.

Ein Dankeschön wäre das Mindeste

Wenn dieses zugelassen wird, dann ist es ein rein freiwilliges Entgegenkommen der Bundesregierung. Angemessen wäre es, sich für ein solches Verhalten, das ein maximales Maß an Rücksichtnahme einer fremden Regierung gegenüber darstellt, zumindest zu bedanken. Demgegenüber wird dieses Entgegenkommen als vermeintliches Recht „gefordert“, Deutschland wird beschimpft, verunglimpft und müsse „lernen, sich zu benehmen“, so der türkische Außenminister Cavusoglu.

Das Sprichwort sagt: „Selbst ein Wurm krümmt sich, wenn man ihn tritt.“ Daran sollten Verantwortliche denken, wenn sie taktische Überlegungen anstellen, ob und in welchem Ausmaß man derartige Auftritte von Mitgliedern fremder Regierungen zulässt, die uns beleidigen. Die Rücksichtnahme auf die Gefühle (oder Angst vor Ausschreitungen) unserer türkischen Mitbürger führt dazu, dass sich der deutsche Wähler von seiner Regierung im Stich gelassen fühlt.

In solchen Situationen wird der Ruf nach einem „starker Mann“ laut, der mal auf den Tisch haut und Grenzen setzt. Gerade in einer Zeit, die immer unruhiger wird, schwindet selbst bei Anhängern der Kanzlerin das Vertrauen in ihre Methode, Probleme zu moderieren. Bei Bürgern, die schon länger nicht mehr von der Führungsweise von Frau Merkel überzeugt sind, ist das ein weiterer Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. So ist die Regierung momentan der beste Mehrheitsbeschaffer von Martin Schulz, der mit seiner polternden Art dem derzeit ungestillten Bedürfnis nach klarer Führung noch am ehesten gerecht wird.

Die Autorin ist Rechtsanwältin in Uelzen

Foto: Tomaschoff

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Leserpost

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Dirk Jäckel / 12.03.2017

Lassen wir mal den Schwafler aus Würselen beiseite. Das bedauerlichste Missverständnis der letzten 12 Jahre (lange Zeit auch meines) war ja, Merkels völlige Würdelosigkeit mit Bescheidenheit zu verwechselnd und Merkels völlige Entscheidungsunfähigkeit (wie wir nun wissen, war ja auch der September 2015 keine Entscheidung, sondern eine ängstliche Nichtentscheidung) mit bedächtigem Abwägen zu verwechseln.

Sepp Kneip / 11.03.2017

“So ist die Regierung momentan der beste Mehrheitsbeschaffer von Martin Schulz, der mit seiner polternden Art dem derzeit ungestillten Bedürfnis nach klarer Führung noch am ehesten gerecht wird.” Martin Schulz? Mein Gott. Gehört er nicht der Partei an, deren Fraktionsführer Oppermann sich explizit für ein Auftreten türkischer Politiker in Deutschland stark gemacht hat? Dies alles ist doch ein gefundenes Fressen für die AfD. Hoffentlich schnappt sie sich den Brocken. Unser Establishment versinkt in der eigenen Soße, die es angerührt hat. Und Erdogan macht den Deckel zu.

Wilfried Cremer / 11.03.2017

Wenn Frau Merkel das liest bzw. zugetragen bekommt, wird sie hoffentlich so schlau sein, zu reagieren und sich ihr ängstliches Kuschen vor Erdoğan fürderhin verkneifen.

Ralf Orth / 11.03.2017

da bin ich doch verwundert wenn ausschliesslich Herr Schulz (mit der SPD) durch seine Art dem Wünsch nach klarer Führung gerecht werden soll. Ich nehme andererseit mal an, dass man sich als Rechtanwalt mit dieser Aussage schon weit aus dem Fenster gelehnt hat. Jeder Leser kann ja selbst entscheiden ob es überzeugendere Alternativen für Ihn gibt.

Damian Vollmert / 11.03.2017

“Die Rücksichtnahme auf die Gefühle (oder Angst vor Ausschreitungen) unserer türkischen Mitbürger führt dazu, dass sich der deutsche Wähler von seiner Regierung im Stich gelassen fühlt.” Genau vor diesem Hintergrund verstehe ich das Rumgeeiere der Regierung sowieso nicht, denn wen träfen denn in erster Linie solche Ausschreitungen?! Richtig - den Bürger! Wieso interessiert es auf einmal die Regierung wie es dem Bürger mit ihren Entscheidungen geht?!? Fadenscheinige Argumentationen seitens der Regierung nur um auch hier keine unpopulären Bilder ertragen zu müssen!

Ulla Smielowski / 11.03.2017

Über die türkische Regierung kann ich nur sagen “Ein Fisch fängt vom Kopf her an zu stinken”, leider aber ist es in diesem Fall auch so, dass sie aus der Mitte heraus stinkt. Leute, die nicht ganz bei sich sind, erkennt man daran, dass sie sich über alles beschweren, sich zurückgesetzt fühlen und sehr viel protestieren welche Ungeheuerlichkeiten ihnen zugemutet werden… Dies bemerke ich besonders häufig bei Muslimen, vor allem aber bei Türken. Auswüchse davon sind auch die Angriffe auf deutsche Zivillisten.

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