Beide Gastgeber des Berlin- Aufenthalts von Papst Benedikt, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundespräsident Christian Wulff, haben sich bei der Begrüßung ihres Gastes jeweils mit ungewöhnlicher Deutlichkeit und in geradezu fordernder Weise zu Fragen der angeblich fälligen Kirchenreform geäußert.
Es war eine für Politiker, zumal in Deutschland, bemerkenswert freihändige Zitierung des Reformstammtisches. Beide sind im Übrigen Christdemokraten, und was sie gesagt haben, haben sie wohl gesagt, um dem Reformstammtisch zu gefallen. Wulff befindet sich ohnehin auf dem besten Weg, zum Todenhöfer des Schlosses Bellevue zu werden.
Dass Beide sich im Amt zu Kirchenangelegenheiten äußern, lässt uns vorübergehend an eine Erweiterung der Hermeneutik bei der Trennung von Kirche und Staat denken. Das Detail erkennt nicht immer das Ganze in sich. Aber wir wollen jetzt nicht pedantisch sein und statt dessen auf ein Kollateralglück hinweisen. Zahlreiche Befürworter der Trennung von Kirche und Staat waren gar nicht erst im Plenarsaal erschienen, und so blieb ihnen etwas erspart, was nicht wenigen ihrer anwesenden Kollegen schmerzlich anzusehen war: die Überforderung.
Volker Beck, Grüner und bekennendes Mitglied einer vom Vatikan mit den Instrumenten der Inquisition verfolgten Minderheit, kam zu dem Schluss, dass der einzig angemessene Ort für die Papstrede die Humboldt-Universität gewesen wäre. Herr Beck scheint eine gute Meinung vom Bildungsstand und der Auffassungsgabe unserer studentischen Jugend zu haben, oder wollte er sich bloß bei den Wählern der Piratenpartei einschmeicheln?
Die meisten aber, die sich in diesen Tagen gegen den Papst gewandt haben, beriefen sich auf die Aufklärung. Nur ist das im Deutschen ein allzu geschmeidiger Begriff. Das französische (siecle des lumieres) und das englische Pendant (enlightenment) meinen eher die Erleuchtung. Bei einer so gegebenen Unschärfe des Ausdrucks sollte man schon, wenn auch nur am Rande, ins Detail gehen. Die Aufklärung hat zwar die Enzyklopädie erfunden, und damit das Lesen beim Frisör, aber auch die französische Revolution, und diese wiederum hat das Verdienst, die allgemeine Erklärung der Menschenrechte auf den Weg gebracht zu haben, sie hat aber auch den inflationären Gebrauch der Guillotine zu verantworten.
Wenn ich mir die Liste der bei der Papstrede abwesenden Abgeordneten anschaue, habe ich allerdings nicht den Eindruck, approbierte Autoren der Enzyklopädie vor Augen zu haben, eher schon Frisierkundschaft. Und was den notorischen Ströbele angeht, der den Ort der Rede vorzeitig verließ, um sich bei einer bunten Klientel am Potsdamer Platz zu zeigen, bei den Freigängern des vatikanischen Gulag - er wollte den Opfern der brutalen Schweizergarde ein wenig Trost spenden.
Die in diesen Tagen viel beschworene Trennung von Kirche und Staat sollte nicht den öffentlichen Disput auseinander sortieren. In der Sache geht es vor allem um die institutionelle Trennung von Kirche und Staat. Kurzum, das Innenministerium wird nicht vom Vatikan aus geführt, sondern von der Bundesregierung und der Kanzlerin. Alles klar?