Eugen Sorg, Gastautor / 04.01.2017 / 06:29 / Foto: Vít Baisa / 12 / Seite ausdrucken

Kindische Toleranzrituale der Besiegten

Von Eugen Sorg.

Als im Jahre 1950 chinesische Spezialeinheiten in die tibetische Hauptstadt Lhasa einmarschierten, stand die einheimische Bevölkerung an den ­Strassen und klatschte wie betäubt. Mit Klatschen verscheuchte man böse Geister. Die Priester hatten auf den Berggipfeln auch Gebetsfahnen und Gebetsmühlen aufgezogen und das Orakel befragt, welches die Auskunft gab, man solle den heiligsten aller Mönche, den damals 15-jährigen Dalai Lama, zum Staatsoberhaupt ernennen. Es half bekanntlich alles nichts. Tibet wurde in zwei Wochen militärisch unterworfen und ist bis heute ein Teil Chinas.

Die Beschwörungen der wehrlosen Tibeter erinnern an die Reaktionen westlicher Medien und Politiker auf Terroranschläge radikaler Jungmuslime. Wann immer einer dieser Fanatiker mit Axt, Bombe oder Lastwagen losgezogen ist, um möglichst viele Ungläubige zu töten, wie neulich wieder auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin, wird reflexartig abgewiegelt und zur Mässigung aufgerufen.

Und wer soll sich mässigen?

Die Anhänger des salafistischen Todeskultes? Nein, deren Jagdobjekte: die Menschen der westlichen Kultur. Kerzen werden angezündet, Gottesdienste abgehalten, vor Pauschalverdächtigungen gewarnt. Letzteres befeuere die «Denkweise der Extremisten». «Hass und Terror haben keine Religion, kein Geschlecht, kein Herkunftsland», fasste Eurokrat Juncker nach dem jüngsten Berlin-Massaker die grosse Verleugnung der politischen Eliten zusammen. «Zusammenleben im Miteinander und in Offenheit» seien die «besten Waffen» gegen den Terror.

Diese rhetorisch flatternden Gebetsfähnchen müssen den Jihadisten wie das Gnadengewinsel eines in die Knie gezwungenen Gegners vorkommen. Es ist Zeit, dass sich der Westen von einigen Illusionen verabschiedet. Was die wirkliche «Denkweise der Extremisten» ist, zeigt sich beispielsweise bei Khalid Sheikh Mohammed, Mastermind der 9/11-Anschläge, ein «Genie des Bösen» und ein tiefreligiöser Muslim. Er schilderte einem CIA-Agenten, wie er 2002 dem Wall Street Journal-Reporter Daniel Pearl eigenhändig den Kopf abgeschnitten hatte. «Am schwierigsten war es, durch den Halswirbel zu kommen. Die Tötung war eine Offenbarung von Allahs Herrlichkeit und Macht.» Einen solchen Feind besiegt man nicht mit kindischen Toleranzritualen.

Zuerst erschienen in der Basler Zeitung

Foto: Vít Baisa Eigenes Werk CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Jochen Fischer / 04.01.2017

Im Umgang mit dem Islamismus zeigt sich das Seltsame, dass nach einem islamischen Attentat in unserer Gesellschaft der erste Blick nicht in Richtung Islam und Muslime geht, sondern in Richtung des politischen Feindes im eigenen Land, dem man Zugewinne zu verhindern trachtet, indem man präventiv zum Schweigen bringen will, bzw. den man in seiner Naivität vorführen will, um ihm zu schaden. Auf der linken Seite bis in das gemäßigt konservative Lager hinein ist es ein Tabu, den eigentlichen Feind in den Blick zu nehmen, man floskelt von „Terrorismus“ bekämpfen, aber der Terrorismus ist ein ebenso wenig bekämpfbares Subjekt wie etwa der Veganismus. Beides ist Verhalten, das auf einer Ideologie gründet, auf deren Entstehung und Verbreitung unsere Gesellschaft keinen Einfluss hat – stattdessen reagiert man mit einer Art Appeasement-Politik. Wer ist der Feind? Es ist nicht in erster Linie eine abstrakte Ideologie eines radikalen Islam, sondern es sind reale Personen, nämlich radikale Muslime. Da hier kein rationaler, offener, demokratischer Diskurs möglich ist, und diese Personen uns jedoch physisch ans Leder wollen, müssen sie physisch bekämpft werden: durch Überwachung, Einschränkungen ihrer Rechte, In-Gewahrsamnahme, Abschiebung etc. Man könnte jetzt eine ganze Reihe von Maßnahmen anführen, die dem Prinzip folgen, dass das Risiko, das diese (zumeist) Männer für die Bewohner dieses Landes bedeuten, den Muslimen aufgebürdet wird und nicht den Deutschen. Damit meine ich eine sehr restriktive Politik im Umgang mit Moscheen, mit dem Asylverfahren, mit dem Einreise- und Aufenthaltsrecht und der Duldungspraxis. Lieber zwei Unschuldige zuviel raus als ein potentieller Attentäter drin. Die Muslime dürfen das dann unter sich ausmachen, warum so was von so was kommt. 

Peter Kastner / 04.01.2017

Heutige Meldung : Berliner Justiz erlässt Haftbefehl gegen Kontaktmann Amris. Der Witz des Tages ist, er wurde nicht wegen Terrorverdacht verhaftet, sondern wegen Sozialbetruges. Die Frage des Tages ist nun, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit , wenn man einen Nafri verhaftet, ihn wegen Sozialbetrug dran zu kriegen ? Auch der Pakistani, den man fälschlicherweise vor Amri verhaftet hat, führte mehrere Identitäten und war wegen kleinerer Delikte polizeibekannt. Natürlich hat das alles kein Konsequenzen. Es war keiner und es ist auch keiner dafür verantwortlich.

Thomas Nuszkowski / 04.01.2017

Ich habe bereits in den 1990ern immer mit dem Kopf geschüttelt, wenn die Leute hierzulande bei diversen Gelegenheiten Lichterketten auf den Straßen organisiert haben. Kindergarten. Als können man mit solchem Mumpitz irgendetwas ändern. Man ändert nicht einmal sich selbst. Deswegen verhalten sich die Menschen in diesen Tagen noch immer wie im Kindergarten.

Ulrich Günter / 04.01.2017

Im September 2015 antwortete Bundeskanzlerin Merkel während eines Besuchs an der Universität Bern auf die Frage, welchen Schutz es gegen Terror und die mögliche Islamisierung aufgrund der Flüchtlingswelle gebe, dass niemand die Menschen daran hindere den eigenen Glauben zu leben. Für den Alltag bedeute das: “Haben wir dann aber auch bitte schön die Tradition, mal wieder in einen Gottesdienst zu gehen oder ein bisschen bibelfest zu sein”, so Merkel. Im Oktober 2016 schlug sie dann der CDU vor, Liederzettel zu kopieren und jemanden aufzutreiben, der Blockflöte spielen kann, um die christlichen Werte zu stärken. Gegen den Terror hat aber all das nicht geholfen und die Antwort auf die Frage an der Uni Bern ging völlig daneben.

Philipp Richardt / 04.01.2017

Ich halte wenig von der früheren rot-grünen Regierung unter Schröder. Aber Otto Schily sagte als Bundesinnenminister “Sie lieben den Tod, sie können ihn haben”. Was für ein Unterschied zu dem windelweichen Gewäsch der derzeitigen Regierung?!

Roland Müller / 04.01.2017

In der örtlichen Tageszeitung steht heute auf der ersten Seite, das das eingebürgete Fan-Fest bei Fußballturnieren vor dem Aus steht.  Als Grund wird angeführt, das es Finanzierungsprobleme gibt. Der Grund für die Finanzierungsprobleme ist dann kleingedruckt auf einer der letzten Seiten versteckt. Niemand will den riesigen Sicherheitsaufwand bezahlen, den die Angst vor dem islamistischen Terror verursacht und nirgendwo ist zu lesen, das der ausgeuferte Sicherheitsaufwand vor der Ankunft der “Schutzsuchenden” völlig überflüssig war.

Wilfried Cremer / 04.01.2017

Einen solchen Feind können wir nur besiegen, wenn wir unsere eigenen Werte wieder auf die Reihe bekommen.

Rolf Krahmer / 04.01.2017

Ein treffender Vergleich der die Ohnmacht des durch Gesinnungsethik verkrüppelten Westens verdeutlicht.

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