Von Karim Dabbouz.
Der Werber Gerald Hensel startet eine Kampagne gegen "rechte" und konservative Medien und sein Arbeitgeber "Scholz & Friends" erntet dafür einen Shitstorm. Gerade in Werbe- und Medienkreisen findet man die Kritik an der Kampagne ungerecht und zeigt sich solidarisch. Doch genau das ist das Problem: Der "Digital-Stratege" Hensel nutzt seinen beruflichen Einfluss, um persönliche Ansichten auf großer Bühne durchzusetzen. Mit ihrer blinden Unterstützung von #keingeldfuerrechts reproduzieren Medien- und Werbeschaffende die Hierarchien auf eine Weise, die von progressiven Linken lange Zeit zu Recht bekämpft wurde.
Es gibt in Deutschland einige Berufsgruppen, in denen sich persönliche politische Ansichten gut mit dem Job vereinbaren lassen. Obwohl die politische Meinung doch ein Grundrecht ist, das seine Existenz unabhängig vom Lohn- und Broterwerb hat. Job und politische Einstellung sollten sich nur in Sonderfällen überschneiden. Dann etwa, wenn ein Mitarbeiter mit seinem privaten politischen Engagement dem Unternehmensziel dient. Wann aber ist das der Fall?
In der Sache um #keingeldfuerrechts begehen die Solidarisierer aus der Werbebranche einen Fehler, der nicht zuletzt ihrem Berufsstand schadet. Sie setzen ihre persönlichen Interessen mit den Interessen ihrer Kunden und Arbeitgeber gleich. Konkret: Mit dem Ausweiten der "schwarzen Listen" (Web- und Werbesprech: Blacklists) auf liberale Medien wie die "Achse des Guten" agieren sie nicht im Kunden- und Unternehmensinteresse, sondern nach dem Geschmack ihrer Freunde in Agenturen, Medien und im privaten Umfeld, denen bereits konservative Webseiten wie "Tichys Einblick" zu rechts sind. Das sind Reflexe. Es geht eben nicht um das vermeintlich Gute oder um das Wohl der Kunden, sondern um den Beifall der Gleichgesinnten - ein Verhalten, das gerade in der Medien- und Werbebranche verheerende Folgen haben kann.
Blinde Gefolgschaft einiger Unternehmen
In einem Beitrag hier bei W&V legt der Initiator von "Kein Geld für Rechts" dar, warum Unternehmen wieder politisch sein sollten. Mit seiner denunziatorischen Aktion aber bewirkt er das Gegenteil. Statt sich ein eigenes Bild über die Inhalte und die Art von vermeintlich zu meidenden Medien zu machen, statt also aktiv am politischen Prozess teilzunehmen, folgen betroffene Unternehmen den Unterstützern von #keingeldfuerrechts blind, weiten den Werbeboykott auf alles aus, was auch nur im Verdacht steht, irgendwie rechts zu sein, und übernehmen damit die politischen Ansichten einer besonders lauten Minderheit.
Ich dachte immer, politisches Engagement bestehe vor allem darin, sich eine eigene Meinung zu bilden und sie zu vertreten. Mit #keingeldfuerrechts nötigen der Initiator und seine Unterstützer private Unternehmen, die Grundlage des politischen Prozesses aufzugeben und einer vermeintlich objektiven Wahrheit zu folgen.
Aktuell arbeite ich als Dienstleister für eine 100-prozentige Tochter der Innogy SE. Gleichzeitig bin ich Autor bei der "Achse des Guten". Am vergangenen Montag reagierte Innogy auf einen Tweet des Inhabers der Agentur "Oseon", Tapio Liller. Er zeigte einen Screenshot von der "Achse des Guten" mit einer Werbeanzeige von Innogy.
Systemtreu pariert
Systemtreu, wie viele Menschen in der Medien- und Werbebranche inzwischen sind, ließ Innogy noch am selben Tag verlauten, bei seiner Werbung die "Achse des Guten" zu meiden. Was heißt das für mich oder für Angestellte von Innogy, die den Blog lesen oder sogar finanziell unterstützen? Müsste man uns nicht im konsequenten Sinne von "Kein Geld für Rechts" entlassen?
Gerade Medien- und Werbeschaffende sollten ihre eigenen Privilegien überprüfen. Zu diesen gehört nicht nur, dass sie im Regelfall ein ausreichendes Einkommen haben, sondern auch, dass sie mit ihrem beruflichen und oft auch privaten Netzwerk über teilweise beachtlichen Einfluss verfügen. Gerald Hensel hat bei Facebook wahrscheinlich "Freunde" im vierstelligen Bereich. Wie viele und vor allem wie viele einflussreiche Kontakte hat ein normaler Bürger, dessen Probleme und Lebenswirklichkeit oft nur noch auf Webseiten wie der "Achse des Guten" dargestellt werden? Mit unserer Filterblase aus "Freunden", Kontakten und "Influencern" aus der mehrheitlich linken Medienbranche reproduzieren wir Hierarchien. Das zu verhindern, war früher einmal ein wichtiges Ziel der Linken. Was ist daraus geworden?
Karim Dabbouz, 29, ist freier Texter und Content-Stratege. Er schreibt für die "Achse des Guten" und gründet gerade mit Freunden die Agentur Tatverstand im Ruhrgebiet.