Samira El Ouassil und Dominic Boeer wissen, wie man als Applausjäger in der Mediengesellschaft fette Beute macht. In der Reihe “Karriere in Konformistan” verraten sie Punkt für Punkt alles, was man meinen muss, um in Talkshows, bei Sektempfängen und am Stammtisch gut anzukommen.
Niemals aus gutem Hause kommen
Wäre es für die Jagd nach Applaus nicht wunderbar, zu einer spannenden Minderheit zu gehören oder zumindest in einem exotischen Land aufgewachsen zu sein?
Und wie aufregend wäre es, von Ihrer Geburt in einem laotischen Propellerflugzeug oder zumindest in einer Raststätte an der A44 zu berichten?
Ein entsprechend harter Schlag ist es also, anzuerkennen, dass man in der Realität in einem vollausgestatteten Krankenhaus auf die Welt gekommen ist und eine problemlose, behütete Jugend in einem deutschen, bürgerlichen, buchstäblich „guten Hause“ genossen hat.
Ihr Kinderzimmer sah stets aus als hätte man einen 12 Tonner von Toys´R US entladen und von diesem „Spielen auf der Straße“ haben Ihre Eltern Sie immer geschützt. Anstatt des rauen Ghetto-Alltages gab es Schattenboxen in Abercrombie&Fitch-Hose vor dem großen Spiegel des hippen Fitness-Studios; Sauna und Kaltgetränke inclusive. Einzelkämpfer war man eben nur in Gedanken, während die Bob Marley-CD aus Papas Auto dafür den emotionalen Soundtrack bot.
Die grausame Wahrheit ist: Eine sorgenfreie Kindheit bringt weder Anerkennung noch Schulterklopfen und erste recht keinen Applaus. Daher haben wir für Sie eine effektive Waffe gegen den großen, schwarzen Fleck auf Ihrer Vita entwickelt: leugnen, leugnen, leugnen.
Dramatisieren Sie einzelne Stationen Ihres Lebens mit der gleichen Chuzpe, mit der Sie Ihr gutes Elternhaus totschweigen. Wer sich als Student hier und da etwas dazu verdient hat, musste also „mehrere Jobs gleichzeitig machen, um sich über Wasser zu halten“ und dafür „Tag und Nacht ackern“.
Vergessen Sie bei Ihrer Applausjagd niemals:
1. Sie kommen nicht aus gutem Hause.
2. Ihnen wurde nichts in die Wiege gelegt.
3. Sie haben ganz unten angefangen.
4. Sie hatten es, weiß Gott, nicht leicht.