Jung und schön und Macron

Wer mit seiner Jugendlichkeit Karriere machen will, der muß sich sputen. Denn Jungsein ist etwas, das mit der Zeit verschwindet – ganz von selbst und unaufhaltsam. Darüber jammert jeder Betroffene, doch für die Allgemeinheit ist das ein großes Glück, weil Jungsein alleine zu nichts Gutem führt. Gesellschaften mit einem übermäßig großen Anteil junger Männer zerfleischen sich in Krieg und Gewalt. Mit zunehmendem Alter läßt zwar die Tatkraft nach, aber ob dafür die Geistesstärke zunimmt, steht auf einem anderen Blatt. Bekanntlich schützt auch Alter nicht vor Torheit.

Gleichwohl gibt es da einen Zusammenhang, der in allen Kulturen als anthropologische Konstante zu finden ist: die Ehrerbietung gegenüber den Alten, weil sie ein Erfahrungswissen verkörpern, das die Jungen eben noch nicht haben können. Senex heißt auf lateinisch der Greis, davon leitet sich der Senat, der Ältestenrat, ab. Der Altersfilter der politischen Macht ist eine republikanische Errungenschaft; in Italien kann man erst mit 50 Jahren Präsident werden, in Deutschland mit 40, in den USA mit 35 – aber in Frankreich schon mit lachhaften 18. Vor sechs Jahren wurde diese Wählbarkeitsschwelle von 23 Jahren herabgesetzt, als ob man einen solchen Fall ernsthaft in Erwägung ziehen wollte: einen 18-jährigen Staatspräsidenten, der unmittelbar nach dem Abitur die Atomstreitkräfte befehligt.

Das Manko der Jugend besteht darin, nicht genug Vergangenheit zu kennen, um abzuschätzen, was bei Veränderungen auf dem Spiel steht, und zugleich nicht zu wissen, wie anders früher alles war, um Veränderungen mit Gelassenheit zu begegnen. Ein typisches Beispiel dafür bietet das Gezeter um den Brexit. Die Jungen, heißt es, hätten ihn mehrheitlich abgelehnt, weil sie zukunftsorientierter seien. Dabei hat vielleicht bloß die Panikmache bei ihnen mehr verfangen, weil sie keine Erinnerung an ein friedliches Nachkriegseuropa ohne EU-Streß haben.

Auch Emmanuel Macron mit seinen 39 Jahren kennt nichts anderes als die Welt von Schengen und Maastricht. So einer hält offene Grenzen für den historischen Normalfall. Es gibt eben außer der Gnade der späten Geburt auch den Fluch. Allerdings besteht Lebenserfahrung nicht nur aus Geschichtserinnerung. Auch ganz Persönliches gehört dazu: durchgestandene Krisen, Liebe und Leid sowie natürlich – Kinder. Das alles läßt sich weder messen noch gesetzlich festlegen wie ein Mindestalter.

So kommt diesem eine noch viel größere Bedeutung zu, weil es symbolisch jede Art von Lebenserfahrung umfaßt. Außerdem gebietet die Logik, in einer insgesamt älter werdenden Gesellschaft die Mindestalter-Bedingungen eher nach oben zu korrigieren. Heutzutage würde sich kein 60-jähriger als Senex begreifen. Im Gegenteil: man will ja nicht „mourir idiot“, wie der französische Ausdruck für „dumm sterben“ lautet – eine charmante Formulierung für Wahrnehmungsverweigerung und in jedem Alter zutreffend.

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Foto: Claude Truong-Ngoc CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Martin Lederer / 25.04.2017

Bei dem “Superstar” John Kennedy, ist doch heute auch bekannt, dass ALLES, wirklich ALLES an ihm nur Fake war. Aber erstaunlicherweise haben Linke mit genau solchen Typen immer wieder Erfolg bei den Wahlen.

ulrich druebbisch / 25.04.2017

Wenn ich die Publikationen richtig verstanden habe, ist der gute Macron aus wohlbehütetem Hause höherer Bildung als sozialistischer Elitestudent gestartet, hat seine Karriere bei den Banken gemacht und ist unter Präs. Hollande in die FR/EU-Politik eingestiegen und damit offizieller Sozialdemokrat. Was mir allerdings auch zu Augen gekommen ist, ist der Wunsch Macron,s Frankreich “wettbewerbsfähiger” zu machen. Das erinnert mich ein eine lokale SPD-Grösse, die mit HArtz-4 auch ein Land “wettbewersfähiger” machte und nun ein Heer von stützeabhängigen Minijobbern ohne eigene Rentenaussicht geschaffen hat.  Vielleicht bekommt Macron darum von den EU-Granden europaweit ein dermassenen Wahlkampf-Applaus. Die armen Franzosen können nun wirklich wie in den USA nun nur noch zwischen Pest & Cholera wählen. Da waren noch alte Fake-news, die ich nicht veröffentlichen möchte: Angeblich will Macron durchaus die aktuellen Verträge der EU mit Frankreich für bessere Bedingungen neu nachverhndeln.  Wirklich Alles gut?

Karla Kuhn / 25.04.2017

Investmentbanker will gegen das Establishment anstinken. Mal was ganz neues, er will also gegen die Klientel vorgehen, mit der er seine Geschäfte macht, bzw. gemacht hat. Sehr glaubhaft der Mann. Er kann aber auf eine ganz einfache Art beweisen, daß er es ernst meint, in dem er sein Haus für Flüchtlinge öffnet. Er will ja die Grenzen nicht schließen und alle, die ihn gewählt haben, sollten ebenfalls ihre Türen weit öffnen.  Man sieht schon, ein Politiker mit einer “großen” Erfahrung. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, jeder ist noch von seinem Höhenflug zurück auf den Boden der Tatsachen gelandet und wenn nicht, gescheitert.

Gerrit Schwedler / 25.04.2017

Ja, 39 Jahre ist ein tolles Alter für den Beginn politischer Karrieren. Mussolini wurde mit 39 Ministerpräsident Italiens, Himmler wurde mit 39 Reichsführer SS. Goebbels wurde sogar schon mit 35 Reichsminister für Propaganda. Stalin wurde mit 39 Mitglied des ZEK der jungen Sowjetunion. Hitler hingegen war ja schon ein alter Sack. In seinem 39 Lebensjahr war er zwar schon Spitzenkandidat der NSDAP bei der Reichstagswahl 1928, die aber fulminant in den Sand setzte. Er war ja schon greise 44 als er Reichskanzler wurde. Das konnte ja nichts werden.

Ronald Rimbach / 25.04.2017

Die Franzosen sind mit Macron doch einem Etikettenschwindel erlegen. Die etablierten Parteien abstrafen, um dann einen Kandidaten zu wählen, der glanzvoll Grossbrände mit Brennholz zu löschen versucht. Mit viel Tamm Tamm mehr von den alten Mitteln. Was haben die einst so selbstbewussten Franzosen sich dabei nur gedacht? Freundliche Grüsse, Ronald Rimbach

Axel Jung / 25.04.2017

Na ja, also Monsieur Macron ist mit seinen 39 Lenzen ja nur knapp unter der in Deutschland geltenden Altersschwelle. Ein paar Monate mehr oder weniger können ja wohl nicht ernsthaft als Problem gesehen werden. Nun aber zum Wesentlichen Punkt: Ich teile ja durchaus die Meinung, dass die Europäische Union in vielen Bereichen grundlegender Reformen bedarf. Das Schengen-Abkommen mit seinen offenen Grenzen im Inneren gehört dazu aber ganz sicher nicht! Ich lebe in der deutsch-belgisch-luxembrugischen Grenzregion; Holland und Frankreich sind auch nur ein Katzensprung entfernt. Zusammen mit tausenden anderen Bewohnern dieser Region überquere ich fast täglich mindestens eine dieser “Grenzen”, die ich persönlich schon gar nicht mehr als solche wahrnehme und ich möchte nicht, dass sich das wieder ändert. Ich kann mich nämlich auch noch an Zeiten erinnern, als es anders war und ich habe eine sehr eindeutige Meinung, welcher Zustand mir besser gefällt.  Von den Auswirkungen auf die im Lokalen grenzüberschreitend vernetzte Wirtschaft - bis runter zu kleinen Handwerksbetrieben! - will ich mal gar nicht sprechen. Wer Grenzschliessungen fordert, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er damit ganze Regionen von ihren unmittelbaren Nachbarn abschneidet und damit tief in die Lebensgestaltung vieler tausend Menschen eingreift! Anders gewendet: ich bin mir bewusst, dass offene Grenzen nicht der historische Normalfall ist; und genau deshalb halte ich dies für eine grosse Errungenschaft. Wenn Schengen ein Problem hat, dann an seinen Aussengrenzen. Daher sollte unsere Anstrengung darauf gerichtet sein, das Problem auch dort zu lösen - ohne gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten!

Dr. Bredereck, Hartmut / 25.04.2017

Herr Müller-Ullrich, nun seien Sie mal etwas Altersmilde und gönnen Sie einen jungen Franzosen die Macht. Nicht das Alter ist das Entscheidende, sondern die Einstellung und der Verstand. Ob diese beiden Kriterien bei Macron ausreichen ist offen. Schließlich leistet sich die AfD auch eine 38-jährige Spitzenkandidatin, neben einen Greis.

Wilfried Cremer / 25.04.2017

Achtung Kitschalarm! Der Bildwagner will das Macron-Märchen als Schnulzenfilm. Sowas hilft in schweren Zeiten und erklärt die Wählerseele.

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