Peter Grimm / 08.04.2017 / 15:40 / Foto: Sandro Schroeder / 16 / Seite ausdrucken

Jetzt wird das Gedenken abgeschafft

Nun hat es also Stockholm getroffen. Gerade eben war es noch St. Petersburg. War der vorletzte Anschlag der in London oder habe ich einen dazwischen vergessen? Offenbar sind es immer Mörder, die sich von Allah und seinem Propheten zu ihren Morden berufen fühlen. Und leider – so schrieb ich es an dieser Stelle schon ein paar radikalislamische Anschläge früher – ist dieses Töten von „Ungläubigen“ auch in Europa mittlerweile beinahe alltäglich geworden. So alltäglich, dass auch das Gedenken automatisiert und reduziert werden kann.

Die Beileidsbekundungen und vermeintlich trauernden Twitter-Sätze der politischen Verantwortungsträger, die sich nach jedem Attentat zu solchen Äußerungen berufen fühlen, müssen nicht mehr neu formuliert werden. Auch das sofortige Beschweigen oder Relativieren, wenn es um das immergleiche Motiv der Mörder geht, wirkt inzwischen gewohnheitsmäßig. Lediglich die normalen Bürger europäischer Städte sind jedes Mal aufs Neue geschockt, beunruhigt und manche von ihnen bekommen Angst. Um diese Gefühle nicht zu stärken, ist es gut, möglichst schnell zum Normalbetrieb zurückzukehren.

Was dabei stört, sind die Gedenkrituale derer, die wirklich mit den Opfern fühlen, weil sie sehen, dass sie selbst inzwischen jederzeit auch in der eigenen Stadt in den Aktionsradius eines islamistischen Terroristen geraten können.

Freude am schönen Lichtspiel

In Berlin – weit, bevor die Stadt selbst zum Anschlagsort wurde – waren es zunächst Politiker, die ihr Gedenken am Brandenburger Tor zelebrierten. Als die Anschläge häufiger wurden und die Bundesregierung nicht jedes Mal das Berliner Wahrzeichen hätte besuchen können, blieb es ein Gedenkort für die beunruhigten Bürger. Nach jedem islamistischen Anschlag leuchtete der klassizistische Bau in den zum jeweiligen Anschlagsort passenden Landesfarben.

Diese anschlagsbezogene Illumination wurde offenbar so normal, dass manche Politiker kaum noch an den traurigen Anlass dachten, wenn sich am schönen Lichtspiel erfreuten. Als das Brandenburger Tor nach dem Londoner Anschlag britisch beleuchtet war, twitterte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley Entsprechendes und erntete dafür viel bitterböse Kritik. Gut, so schlimm wird es künftig nicht mehr kommen, denn die Bundesregierung kümmert sich darum, dass allzu pöbelnder und beleidigender Unmut aus den sozialen Netzwerken verschwindet. Wenn Facebook und Twitter einen angemahnten Text nicht löschen lassen, drohen ja künftig empfindliche Bußgelder. Ein Gericht muss dazu nicht feststellen, dass die inkriminierten Texte strafbar sind. Doch um auch der moderaten Kritik zu entgehen, ist es besser, ganz auf das Gedenklichtspiel zu verzichten.

Wie gut traf es sich da, dass der Berliner Senat nach dem Anschlag in St. Petersburg die Illumination in den russischen Farben verweigerte. Die rot-rot-grüne Landesregierung in der Hauptstadt wollte damit offenbar ein politisches Bekenntnis ablegen, hatte dann aber doch nicht den Mut, das zuzugeben und begründete die Verweigerung des Farbenspiels mit dem fadenscheinigen Grund, St. Petersburg sei nicht Berliner Partnerstadt. Das hatte vorher allerdings keine Rolle gespielt und ein betroffener Petersburger Stadtbezirk ist zudem auch noch Partnerbezirk des Berliner Bezirks Mitte, in dem auch das Brandenburger Tor steht.

Vorteile der Verdunkelung

Aber die Peinlichkeit hatte auch etwas Gutes für die Verantwortungsträger. Hatte man die russischen Terror-Opfer nun zunächst für nicht hinreichend gedenkwürdig erklärt, so bot dieser Fauxpas nun einen willkommenen Anlass, das traditionelle Lichtgedenken an die Opfer radikalislamischer Terroristen generell in Frage zu stellen.

Der linke Kultursenator Klaus Lederer hatte dies klar formuliert. Vielleicht sollte das Tor noch schnell einmal für die Russen leuchten und dann könne doch ein für alle Mal Schluss sein damit. Die Attentäter in Schweden kamen der Umsetzung seiner Idee zuvor. Nun war die spannende Frage: Wird das Brandenburg jetzt zum Gedenken schwedisch angestrahlt? Die Antwort des Senats: Nein, auch Stockholm sei schließlich keine Partnerstadt Berlins.

Die Vorteile der Tor-Verdunklung liegen auf der Hand. Wenn das Wahrzeichen immer wieder angestrahlt werden muss, weil irgendwo in Europa Menschen im Namen Allahs und seines Propheten ermordet werden, dann wird die Häufigkeit solcher Anschläge nur allzu augenfällig. Wenn sie doch aber so häufig, so alltäglich geworden sind, dann ist solch aufwendiges Gedenken eigentlich übertrieben. Der islamistische Terroranschlag gehört jetzt eben auch zu Europa, so wie schwere Unfälle auf der Autobahn, bei denen ja auch Menschen sterben, ohne dass jemand ein Berliner Wahrzeichen anleuchtet. Wer mit dem Auto schnell unterwegs sein will, muss mit dem Risiko eines tödlichen Unfalls leben. Wer sich von radikalen Muslimen bereichert fühlen möchte und ihnen ihr Wirken durch Wegsehen oder falsche Toleranz erleichtert, muss ebenso damit rechnen, dass einige dieser Ideologie-Abhängigen die Forderung, Ungläubige zu töten, wörtlich nehmen.

Die schöne Welt mit richtiger Weltsicht

So hören wir nun auf mit dem Anstrahlen von Wahrzeichen und vergessen die Gedenkveranstaltungen. Es lebt sich dann auch ruhiger. Vielleicht wird die Berichterstattung künftig noch mehr gedämpft, denn man muss ja nicht von jedem islamistischen Anschlag auf der Welt erfahren, das beunruhigt nur. Die Einsparungen bei der Gedenkroutine sind einfach eine weise Maßnahme auf dem Weg in eine neue Normalität, in der jeder islamistische Anschlag einfach eine Art zu akzeptierender Unfall ist. Bedauerlich, vielleicht vermeidbar, aber er gehört zum Leben und hat ansonsten mit nichts etwas zu tun. Wie schön könnte doch die Welt mit einer solchen Weltsicht sein. Man darf nur selbst einfach kein Opfer werden.

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Anne Cejp / 08.04.2017

Die spannende Frage wie das Dilemma mit den Fahnen gelöst werden wird, stellten wir uns auch am Tag des Stockholm-Terrors. Manch ein Politiker hätte sicher das Brandenburger Tor angebrachterweise lieber mit einer syrischen Fahne beleuchtet.  So wurde wie fast immer die bewährteste Lösung gefunden: Nichtstun.

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