Jaklin Chatschadorian: „Ich bin raus!“

Von Jaklin Chatschadorian.

Offener Brief

An die CDU Köln

Sehr geehrte Frau Dr. Merkel, sehr geehrter Herr Laschet, sehr geehrter Herr Petelkau, sehr geehrte Damen und Herren der CDU,

den Kurs unserer Partei kann und will ich nicht weiter mittragen. Ich trete aus.

Mein Bemühen um Kurskorrekturen auf kommunaler Ebene, auf der Ebene der Landes- ebenso wie der Bundespolitik haben hiermit nach vielen Jahren ein Ende.

Meine Kritik an einer Politik, die an den Interessen eines Großteils der deutschen Bevölkerung vorbeigeht, werde ich aber fortsetzen. Schließlich fühle ich mich diesem, meinem, Land und seinen Menschen verbunden.

Dass die CDU eine solche selbstverständliche Verbundenheit zu Land und Menschen, zu Staatsvolk, Bürger und Wähler hat, wage ich zu bezweifeln.

Außenpolitisch stellen wir uns an die Seite Saudi-Arabiens, des Irans und der Türkei und erlauben, sehenden Auges, innenpolitisch ebenso wie innerhalb der Partei eine entsprechende Vernetzung der Kräfte des politischen Islam.

Ein gutes Verhältnis zur Türkei wird jeder anderen bilateralen Beziehung zu europäischen Nachbarn untergeordnet.  Dabei ist der sog. Flüchtlingsdeal aus dem Horizont eines verständigen Dritten ebenso wenig nachvollziehbar wie die Unterwürfigkeit eines G7-Staates gegenüber einem faschistoiden Führer.

Wir ziehen die Bundeswehr aus Incirlik ab, in Konya aber ist sie nach wie vor. Wir verbieten einen Wahlkampfauftritt Erdogans, doch die Ditib bleibt in Bund, Land und Kommune Integrations- und Salafismuspräventionspartner mit entsprechender Finanzierung aus deutschen Steuermitteln. Man könnte meinen, es ginge darum, den Wähler mit halben Sachen hinters Licht zu führen.

In der europäischen Flüchtlingspolitik lässt die Bundesrepublik Deutschland unter Führung der CDU-Vorsitzenden Dr. Angela Merkel jeden Respekt für ihre Nachbarn missen. Die Aushebelung des Art. 16 GG und der Dublin-Verordnung, die Gefährdung der inneren Sicherheit durch die Erlaubnis zur unkontrollierten Einreise, die mangelhafte Gestaltung der Rahmenbedingungen für Abschiebungen, die Bedrängung der Balkanstaaten und Polens in Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingen, die man selbst eingeladen hat, sind von der CDU (mit-)zuverantworten. Man will die illegale Einreise nicht verhindern, sondern legalisieren.

Eine an humanistischen Werten orientierte Politik ist die deutsche Flüchtlingspolitik, entgegen all der Verlautbarungen, nicht. Gerade auch die Ignoranz gegenüber der Not von geflüchteten Christen zeigt, dass es nicht um Nächstenliebe und moralische Verpflichtungen gehen kann.

Dem Namen nach sprechen wir von Staatsräson, wenn es um das deutsch-israelische Verhältnis geht. Die Realität sieht – bekanntlich – beschämend anders aus. Was aber gerade der Umgang mit historischen Völkermorden wert ist, hat uns unsere Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin eindrücklich in Zusammenhang mit der Völkermord-Resolution gezeigt:

Während der Debatte zum Völkermord im Osmanischen Reich 1915, im Februar 2016, flanierte sie hüftschwingend und auffällig oft durch den Plenarsaal und besprach, ausgehend von einer schnell wieder gelöschten Nachricht einer Gesprächspartnerin, andere Dinge. Am Tag der Resolution (02.Juni 2016) hielt sie irgendwo eine Rede zum Thema „Digitale Bildung“, ein Bereich, den sie bis dahin eigentlich nur mit „Neuland“ in Verbindung gebracht hatte. Zu guter Letzt gab sie das deutsche Parlament der Lächerlichkeit preis, indem sie die rechtliche Unverbindlichkeit seiner Resolutionen gegenüber der Türkei versicherte.

Die Bedeutungslosigkeit von demokratisch gefassten Entscheidungen zeigt sich bei Frau Dr. Merkel, und einer dies gewährenden CDU, immer wieder. Dem Parteitagsbeschluss zur doppelten Staatsbürgerschaft stellte sie sich aktiv entgegen und vor nur zwei Tagen beging sie mit der Öffnung der CDU für sog. „Ehe für Alle“ einen Vertragsbruch gegenüber dem Wähler von 2013.

Der Abbau der Meinungsfreiheit mit dem sog. „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, droht das Grundgerüst unserer Werte- und Rechtsordnung zu verschieben und ist als ein gewaltiger Rückschritt in unserer Debattenkultur zu qualifizieren. In Zeiten der gewaltaffinen, nicht nur terroristischen Bedrohungen – gerade über das Internet – ist die darin enthaltene Herausgabeaufforderung von Kontaktdaten von Privaten an Private ein grob fahrlässig zur Verfügung gestelltes Hilfsmittel für kriminelle Ambitionen. Doch auch das wird, unter dem Deckmantel eines Vorgehens gegen Hassbotschaften, von der CDU unterstützt.

Unter dem Deckmantel des Kampfes „gegen Rechts“ haben wir eine CDU-Verteidigungsministerin, die der Bundeswehr in den Rücken fällt und den Ruf unserer Söhne und Töchter (nichts Anderes sind unsere Soldaten) der Lächerlichkeit Preis gibt: Nazis raus, Muslime explizit willkommen und Gender-/Sexseminare als Toleranzübung? Ernsthaft?

Das heißt nicht, dass die Bundeswehr keine Extremisten hätte. Die gibt es überall. Aber man hätte das Problem nicht medial aufbauschen müssen. Man hätte auch die Unterwanderung der Bundeswehr durch Nationalislamisten thematisieren können. Man hätte werteorientierter Handeln können.

Nicht weniger kritikwürdig sind Äußerungen und Maßnahmen der Herren Schäuble und de Maizière. Die noch so begründete Forderung nach geschützten Grenzen wird zur Abschottung mit Inzuchtgefahr erklärt, die Ablehnung des Islamismus (der friedliche Islam scheint sich rar gemacht zu haben) wird zur unbegründeten Angst aus Unwissenheit erklärt. Gleichzeitig hofiert man konservative, teilweise vom Verfassungsschutz beobachtete und als verfassungsfeindlich eingestufte, Religionsverbände, etabliert diese in der Gesellschaftspolitik, um diese an den nächsten großen Player, die evangelische und katholische Kirche in Deutschland, mit Siegel weiterzureichen. Eine Hand wäscht schließlich die andere. Das zeigte der letzte evangelische Kirchentag überraschend klar.

Dass konservative Kreise innerhalb der Partei sich immer öfter zusammenschließen und wachsen, ist sehr erfreulich. Doch kann ich nicht darüber hinwegsehen, dass diese Bewegung sich nicht an die Personalfrage herantraut und nur still und leise auf eine Zeit nach Merkel hofft. Ich sehe nicht, dass wir für kleinste parteipolitische Entwicklungen Zeit hätten. Das Land steht vor den größten, von der CDU entscheidend mitverursachten, Herausforderungen und Gefahren seit Gründung der Bundesrepublik, die man mitnichten auf einen möglichen Wahlsieg von Martin Schulz und der SPD reduzieren darf.

Das Plädoyer für positiv formulierte Inhalte, ohne den status quo scharf anzugreifen, reicht nicht. Die Änderung einer politischen Richtung bedarf der klaren, durchsetzungswilligen Ansage, der Versagung der Unterstützung, des Aufstandes innerhalb der Partei, zumal der Führungsstil der Vorsitzenden nicht das einzige Problem der CDU ist. In Bund, Land und Kommune gibt es parteiintern Großbaustellen, die ohne Druck nicht zu richten sind.

In NRW etwa ist die Unterwanderung der CDU durch nationalislamistische Kräften ein sehr großes und ebenso großzügig ignoriertes bzw. toleriertes Problem.

Fast alle integrationspolitischen, parteiinternen bzw. parteinahen Organisationen und Akteure, Mitglieder, Funktionäre oder Abgeordnete, sind mit nationalistischen und/oder islamistischen Äußerungen oder Kontakten in Erscheinung getreten.

Wahlkampf und Dialog öffnen Türen, die geschlossen bleiben müssen. Menschenfeindliche Überzeugungen und ihre Vertreter gehören geächtet. Die CDU in NRW umwirbt sie.

Es ist für einen Grauen Wolf der CDU Köln kein Problem an einem Kreisparteitag teilzunehmen, am Empfang mitzuhelfen und in Mitgliederlisten die empfindlichen Daten einzusehen. Und das obwohl jeder von seiner nationalislamistisch-rechtsradikalen „Neigung“ weiß und selbst die lokale Presse darüber berichtet hat. Und auch für die integrationspolitischen Akteure aus der CDU Landespolitik, wie etwa die neue Staatssekretärin für Integration, ist es kein Problem im Wahlkampf zum Integrationsrat (2014) solchen Mitgliedern aktive Unterstützung zuzusagen.

Innerhalb der Partei werden Missstände unter den Teppich gekehrt. Wer mit seiner Kritik Gefahr läuft öffentlich wahr genommen zu werden, wird auf möglicherweise parteischädigendes Verhalten hingewiesen und darf „froh sein“, dass man nicht gegen ihn vorgeht. Eigentlich ist genau diese Unterwürfigkeit gegenüber dem Nächsthöheren in der Hierarchie „gelebter Orient“.

Das Streiten haben wir nicht nur verlernt, es ist verpönt. Die Meinungsbildung in der Partei ist Sache der Vorsitzenden, vorzugsweise hinter verschlossenen Türen oder im Rahmen eines Gespräches mit einer Modezeitschrift. Vorschläge, die nicht der Linie von Parteifunktionären (die Basis ist und bleibt irrelevant) entsprechen, werden ignoriert; mal freundlich dezent, mal mit dem Verdrehen der Augen. Parteiarbeit ist fast ausschließlich auf die Organisation von Mehrheiten ausgerichtet. Die Basis traut sich nicht Gedachtes auszusprechen und begrenzt sich selbst auf Wahlplakatdienstleistungen. Eine „konservative“ Partei, die mit Konservativen Inhalten nichts mehr zu tun haben will.

Nein, so wird das nichts. Ich bin raus.

Mit freundlichen Grüßen

Jaklin Chatschadorian

Jaklin Chatschadorian ist Rechtsanwältin und lebt seit vielen Jahren in Deutschland. Sie war Vorsitzende des Zentralrats der Armenier in Deutschland, engagierte sich als stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrates der Stadt Köln und Mitglied im CDU Stadtbezirks-Vorstand. Sie ist für viele die deutsche Stimme für die Armenier geworden. Ihr offener Brief an die CDU erschien zuerst auf Ihrem Blog: Die Farbe des Granatapfels – Ansichten einer Armenierin .

Foto: Tim Maxeiner

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Evelyn Schneeberg / 02.07.2017

Sehr geehrte Frau Chatschadorian, Sie bringen es perfekt auf den Punkt. Es wird die Partei wohl wenig bis gar nicht kratzen - ein Meckerer weniger. Aber man möchte ja noch in den Spiegel schauen können. Für Plakatekleben und ähnliche Dienste müssen sich die Herrschaften wohl bald eine Firma engagieren, man findet nämlich kaum noch jemanden. Aber das interessiert auch nicht, solange die SVe noch genug Kofferträger haben, mit denen man sich gegenseitig etwas vormachen kann. Die Parteien kommen auch ohne Basis aus.

Matt Borg / 02.07.2017

Respekt, beste Wünsche!

Uta-Marie Assmann / 02.07.2017

Chapeau, Frau Chatschadorian ! Gäbe es in der armseligen Polit-Landschaft einige mehr Ihres Niveaus und Ihres Standvermögens, dann würde man Deutschland’s Zukunft wesentlich zuversichtlicher beurteilen. Aber derzeit sieht man eine erbärmliche CDU/CSU, die sich zu einer unwürdigen Abnicktruppe der Kanzlerin entwickelt hat. Einer Kanzlerin, die sich fortwährend selbstherrlich über geltendes Recht hinwegsetzt , ohne dass dies zu Konsequenzen in der Partei führt. Beim deutschen Wähler allerdings auch nicht.

Andreas Balmert / 02.07.2017

“Die Basis traut sich nicht Gedachtes auszusprechen und begrenzt sich selbst auf Wahlplakatdienstleistungen.” Dei “Basis” verkennt dabei ihre Gestaltungsmacht. Denn was wäre, wenn die “Basis” geschlossen die politische Arbeit an der Basis verweigern würde?

Fanny Brömmer / 02.07.2017

Nur zwei Worte: Hochachtung! Respekt! Passen Sie auf sich auf, Frau Chatschadorian!

Klaus Wenzel / 02.07.2017

Zu den innerparteilichen Vorgängen im Kölner Kreisverband der CDU kann man als Aussenstehender naturgemäß nichts sagen. Politisch Interessierte, die es ja immer noch gibt in diesem Land, sehen gleichwohl, dass der einstige “Kanzlerwahlverein” CDU heute eine ideologisch keimfreie und inhaltlich entkernte Partei ist, deren einziges Ziel der Machterhalt zu sein scheint. Das stört die Wähler nicht, solange Angela Merkel als Garantin des Gewohnten, der Stabilität und des Wohlstandes wahrgenommen wird. Die Parteibasis wiederum folgt ihr, solange sie Wahlen gewinnt,  Posten und Partien garantiert. Die Wähler werden der CDU vielleicht abhanden kommen, wenn der deutsche Status Quo, die Wirtschaftskraft und der gewohnte Alltag der Bürger, durch eine Krise gefährdet oder unmöglich werden. Da kein einziger bekannter Krisenherd entschäft wurde unter der “Groko”, kann dies jederzeit passieren. Fliehen die Wähler, wird auch die Parteibasis rebellieren gegen die Parteispitze.  “Interessant” in politischer oder aus historischer Sicht wird es, wenn die Krise da ist. Werden neue politische Kräfte auftreten oder vertrauen die Wähler in einer Krise weiterhin den Etablierten? Wie wird das Leben der Bürger aussehen? Wie wird das Zusammenleben in der sogenannten “bunten Vielfalt”, das doch im wesentlichen auf großzügiger Verteilung erarbeiteten Wohlstandes durch die Einheimischen und gemeinsamen Konsum durch “erst kürzlich und schon länger hier Lebende” basiert (und nicht auf der Basis gleicher Werte) dann “ausgehandelt”? Es könnte durchaus sein, dass die “Ehe für Alle”, die “Willkommenskultur” und der “Kampf gegen Rechts”, um nur einige Herzensanliegen der etablierten politischen und medialen Kräfte zu nennen, dann in null komma Nichts als bedeutungslose Randthemen erscheinen, die ganz anderen Interessen und Kräften Platz machen. Ob dies zum Vorteil der einheimischen Bevölkerung geschieht, werden wir - unter Umständen schmerzhaft - erfahren. Noch ist allerdings die Ära Merkel nicht am Ende angelangt und noch funktionieren die Mechanismen der Macht.

Wolfgang Kaufmann / 02.07.2017

Es geht nicht mehr um Verantwortung für die Zukunft. Das politische Personal begnügt sich damit, dem Zeitgeist zu huldigen – als ob es am Ende um möglichst viele Fleißkärtchen, Herzchen und Likes ginge. Je schriller sich die Social Justice Warriors und Mutter-Theresa-Imitate in den Vordergrund spielen, desto infantiler wird das Ganze. Bald ist unser Land kaputt; dann müssen zum dritten Mal in hundert Jahren wieder mal andere die Scherben einer deutschen Gesinnungs-Orgie aufräumen.

Horst Lange / 02.07.2017

Sehr gute Zusammenfassung. Daher trat auch ich aus, was v.a. mit der kleinen Deutschlandfahne und der Musik im Hintergrund auf der Wahlparty zu tun hatte. Das ist nicht mehr meine CDU. Können wir Konservativen nicht eine vernünftige Alternative gründen? Die SPD tat es schon zweimal. Einst die USPD und heute die PDS/Linkspartei aka SED-Nachfolgerin.

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