Der sizilianische Verfassungsrechtler Sergio Mattarella mimt nach den Konsultationsrunden den Coolen. Seine Gesichtszüge lassen keine Interpretationen zu, ob die Gespräche mit der Berlusconi-Allianz oder mit den Cinque Stelle erfolgreich waren.
Staatspräsident Mattarella rüffelte Salvini vom Mitte-Rechts-Bündnis und ermahnte auch Luigi Di Maio von den Cinque Stelle, endlich den Wahlkampf bleiben zu lassen. Schluss mit den Tricks, führt ernsthafte Gespräche, empfahl der spröde Staatschefs den beiden Möchtegern-Ministerpräsidenten.
Der überzeugte Christ und oft humorlos scheinende Staatspräsident kennt die Polit-Tricks der italienischen Parteien; die Erneuerungsversprechen der Wahlsieger stellte Mattarella in seiner trockenen Rhetorik als Wahlkampfslogans dar, die man nun abhaken könne.
Mattarella sitzt in einem Palast, im Quirinalspalast, der seit Jahrhunderten ein Hort römischer Machtspiele ist, in dem Intrigen ersonnen und ausgetragen werden. In diesem Palast wurden Umstürze ausgedacht, Machtspiele durchgezogen, Kardinäle berufen. In diesem Palast wabert der Geist der Intriganten.
Der Palast und seine Größe beeindrucken: 110.000 Quadratmeter beträgt die Fläche des Palastes – das Siebenfache des Weißen Hauses in Washington. Riesenhafte stramme Kürassiere bewachen den Palast, altgediente Bedienstete führen die Partei-Delegationen durch das Gänge-Labyrinth zum Büro des Staatspräsidenten. Was sich dort aber derzeit abspielt, ist nicht einmal ein blasser Abklatsch vom Glanz der Vergangenheit.
Der Präsident ist für die Bürger da
Mattarella nimmt seinen Auftrag als Präsident der Republik sehr ernst, das erwartet er auch von den Parlamentariern. In seiner dreijährigen Amtszeit setzte er einige seiner Überlegungen um, diente dem Volk. Er baute den aufgeblähten Apparat um und ab, machte für Bürger unzugänglichen Palast-Räume auf, auch die berühmten Gärten stehen nun den Besuchern offen.
Der Quirinals-Palast, lange abgeschottet, soll zum Bürger-Palast werden. Der 76-jährige strenge Katholik ist bescheiden, sieht seine Präsidentschaft als einen Dienst an der Allgemeinheit. Mattarella geht davon aus, dass dies auch für die Parlamentarier gilt.
Politische Kommentatoren fragen sich, will lange der Präsident geduldig bleiben wird. Eher angewidert schaute er bisher dem politischen modern dancing von Salvini und Di Maio zu, er hält wenig von den veti incrociati, von den an die Gegenseite gestellten Maximalforderungen. Der Wahlkampf, musste Mattarella die gelandenen Unterhändler belehren, ist vorbei.
Der Staatspräsident will einen Regierungsauftrag geben, die bockenden Parteien sollen ihren Wahlkampfmodus verlassen, keine Hürden aufbauen, sondern ernsthaft verhandeln. Mit dem Ziel, eine Regierung zu bilden. Mattarella gibt sich sanft, ist aber entschlossen, zu einer tragfähigen Regierung zu kommen.
Sieger in der Sackgasse
Die beiden ersten Gesprächsrunden waren nicht sonderlich erfolgreich. Im Gegenteil, die Wahlsieger stecken in selbstgewählten Sackgassen. Di Maio von den Cinque Stelle will den Regierungsauftrag und mit der Lega koalieren, aber ohne Berlusconi. Berlusconi steht für das Italien der Korrupten, schimpfen die Cinque Stelle. Als Ministerpräsident rief er die Bürger auf, keine Steuern zu bezahlen, er feierte Sex-Parties mit Migranten-Mädchen, er hinterließ nach seinem Abgang das größte Staatsdefizit des Nachkrieg-Italiens. Salvini von Lega beansprucht das Amt des Ministerpräsidenten für sich, ohne Ausgrenzung von Berlusconi. Für Salvini ist Berlusconi der Retter Italiens vor der Linken. Die Konsultationen brachten bisher wegen der Veto-Einlagen keine Bewegung ins Polit-Theater.
Die Sieger stecken fest. Sie haben sich gekonnt in die Sackgasse manövriert.
Di Maio denkt deshalb laut über eine andere Variante nach, eine Koalition mit dem abgestraften Partito Democratico. Immerhin wechselten viele PD-Wähler bei den Parlamentswahlen zu den Cinque Stelle. Die Verwunderung darüber ist groß in der Cinque Stelle. Bisher galt der PD als der Hauptfeind der „Bewegung“, als „Symbol des Schlechten“. Ex-PD-Chef Renzi kann sich auch Verhandlungen mit Di Maio vorstellen. Aber auch Lega-Wähler sind konsterniert. Salvini versprach, Berlusconi kalt zu stellen. Inzwischen umschlingt Salvini den ehemaligen Ministerpräsidenten als Heilsbringer.
Der Staatspräsident als Schiedsrichter hat einen schwierigen Job. Schnell kann er nicht entscheiden, will er offensichtlich auch nicht. Er wird die Verhandlungen in die Länge ziehen, um die Verhandler zu ermüden. Mattarella wartet wohl auch das Ergebnis der Regionalwahlen in Nord- und Mittel-Italien Ende April ab. In Mittel-Italien stehen die Chancen für die Cinque Stelle gut, weiter kräftig zuzulegen. In Friaul löst möglicherweise die Lega die bisherige mittelinke Regionalregierung ab. Damit würden für Mattarella die künftigen Koalitionspartner festehen, Cinque Stelle plus Lega.