Drei Tage nach der sonntäglichen Parlamentswahl steht es fest: Die beiden Sieger haben keine parlamentarische Mehrheit. Das ergab die Auszählung der Wahlzettel der Auslandsitaliener. Die Wähler haben das Land in die Sackgasse gewählt. Die Folge eines reichlich absurden Wahlgesetzes, das der Partito Democratico mit Forza Italia durchgedrückt hatte, gegen den Widerstand der Cinque Stelle.
Die Regierbarkeit ist nicht gegeben, und es droht noch mehr Chaos. Der Vorsitzende des Partito Democratico, der grandios gescheiterte „Verschrotter“, „rottomatore“, Matteo Renzi, kündigte zwar seinen Rücktritt an, aber in Raten. Renzi will seine Partei in die Opposition führen und verhindern, dass Gespräche mit den Siegern geführt werden. Er will die Cinque Stelle und die Lega dazu bringen, eine Regierung zu bilden.
Luigi Di Maio, der Spitzenkandidat der Cinque Stelle und der Vertrauensmann des Listengründers Beppe Grillo, ließ sich in seinem sizilianischen Wahlkreis Acerra feiern. Die Cinque Stelle fuhren im Süden ihren großen Erfolg ein, sie beerbten die untergegangenen Christdemokraten der DC und auch die Forza Italia. Von Acerra aus ließ Di Maio die anderen Parteien wissen, dass er mit allen reden will und zwar auf der Grundlage seines aus zehn Punkten bestehenden Reformprogramms.
Di Maio will auch mit dem PD reden, aber nicht mit Renzi. Die Gespräche will er öffentlich zelebrieren, nicht hinter verschlossenen Türen. Die Verhandlungen müssen nachvollziehbar sein, sagte Di Maio. Als stärkster Partei steht Cinque Stelle die Regierungsbildung zu.
Berlusconi will es wissen
Auch der zweite Sieger, Matteo Salvini von der Lega, denkt laut über eine Koalition mit dem Partito Democratico nach. Der von Wählern zweitgereihte Berlusconi pocht aber darauf, der Strippenzieher im rechten Bündnis zu sein. Nicht Salvini ist für Vorschläge zuständig, sondern Berlusconi, so seine Ansage. Es knistert im rechten Bündnis aus dem Berlusconi-Wahlverein Forza Italia, der rechten Lega und den neofaschistischen Fratelli d’Italia. Dieses Bündnis erreichte einige Prozente mehr als die Konkurrenz und erwartet deshalb ebenfalls den Auftrag des Staatspräsidenten, eine Regierung zu bilden.
Im Partito Democratico, umworben von den Cinque Stelle und von der Lega, gärt es inzwischen. Immer mehr Abgeordnete wollen eine Regierung Di Maio parlamentarisch dulden, ohne aber Teil einer Regierungskoalition zu werden. Es wächst auch die Zahl der Kritiker, die Parteichef Renzi für die Niederlage verantwortlich machen und ihn zum raschen Rücktritt auffordern.
Di Maio heizt den Streit noch an, indem er die wachsende Anti-Renzi-Front umwirbt. Er bietet dem Partito Democratico das Amt des Präsidenten der Abgeordnetenkammer an, Di Maio nannte als aussichtsreichsten Kandidaten den bisherigen Justizminister Orlando. Die Cinque Stelle gehen davon aus, dass ein PD ohne Renzi für ein Bündnis zu gewinnen wäre.
Die Renzi-Gegner wiederum werben für die Cinque Stelle, die Bewegung habe sich geläutert und weiterentwickelt, die Ziele des PD und der „Grillini“ seien ähnlich. Immerhin kommen viele Militante der Cinque Stelle vom PD, mehr als fünf Millionen PD-Wähler wählten nicht mehr ihre Partei, die meisten stimmten für die „Grillini“.
Ein bisschen von allem
Ein siegreiches rechtes Bündnis, die Cinque Stelle als stimmenstärkste Kraft im Parlament, ein zerrupfter PD, ein schwierige Suche nach einem Ausweg aus der Sackgasse. Die Bürger erwarten grundlegende Änderungen, stimmten doch zwei Drittel der Italiener gegen das Establishment. Die Populisten der Lega beherrschen den Norden, die Populisten der Cinque Stelle den Süden.
Gründervater Grillo versucht seine Liste neu zu positionieren. Wir sind ein bisschen christdemokratisch, ein bisschen rechts und ein bisschen links. Offensichtlich denkt Grillo an eine Allparteien-Regierung.
Am 23. März tritt das Parlament erstmals zusammen, die Parlamentarier werden die Präsidenten von Kammer und Senat wählen. Staatspräsident Mattarella wird da und dort nachhelfen, vermitteln. Ein schwieriges Unterfangen, das dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Gentiloni vom PD nützt. Er ist trotz des Wahlausgangs noch immer der beliebteste Politiker in Italien. Zurückhaltend, integer und arbeitsam. Das kann von den lauten Siegern nicht unbedingt behauptet werden.
Staatspräsident Mattarella, ein sizilianischer Christdemokrat, wird den PD in Koalitionsverhandlungen mit den Cinque Stelle drängen. Mattarella versucht damit, die Selbstzerstörung des PD zu stoppen. In der Opposition, befürchtet der leise Staatspräsident, wird der PD ständig streiten und sich spalten. Er will Italien nicht den Rechten und den Cinque Stelle überlassen.