Was mich schon lange beschäftigt, weil ich schon lange nichts mehr darüber gelesen habe: Wo ist eigentlich das Waldsterben abgeblieben? Ja, ja, es gibt immer noch regelmäßig den Waldschadensbericht. Aber der wird jetzt auch so genannt. Eher nüchtern. Das seelenerschütternde Waldsterben aber, einst der Deutschen größter Kummer, scheint schon lange aus dem Blätterwald verschwunden zu sein.
Oder sehe ich nur vor lauter Wald das Sterben nicht? Ich bin ja früher auch ganz fröhlich im Waldsterben spazieren gegangen. Und jetzt fühle ich mich wieder - wie ganz früher - nur im Wald, wenn ich spazieren gehe. Oder täusche ich mich? Ist, was da rauscht, doch nicht wieder der alte Wald sondern immer noch sein Dahinsiechen?
Wirklich alarmiert war ich ja, als eines Tages nicht mehr nur das Waldsterben sondern auch das unkontrollierte, ungesund wilde Wuchern des Waldes beklagt wurde. Plötzlich drohte eine Verdunkelung der Landschaft, eine Art Rückkehr ins alte, undurchdringliche Germanien.
Aber auch von dieser Verdunkelungsgefahr hört man gar nichts mehr. Sie lebte wohl nur einen Sommer, während sich das Waldsterben eines deutlich längeren Lebens erfreute. Oder erfreut es sich noch?
Wenn ja, wo ist es? Ist es vielleicht nur in den Schatten eines größeren Sterbens getreten? Ist das Waldsterben ein mediales Opfer der umfassenderen, also spannenderen und leserfreundlicheren Gesamtklimakatastrophe geworden? Kommt es vielleicht wieder besser zur Geltung, wenn man nicht mehr überall Weltuntergang trägt?
Oder stirbt der Wald heute langsamer? Bleibt uns dieser schöne Gemütswert doch länger erhalten als wir befürchtet haben? Oder, noch schöner: Lebt er gar wieder auf? Hat sich - mit anderen Worten - das Waldsterben überlebt?
Lauter Fragen eines verwirrten, vielleicht verirrten Wanderers.