Katharina Szabo / 02.07.2013 / 08:43 / 0 / Seite ausdrucken

Islamophobie in Ägypten

In Ägypten protestieren die Menschen derzeit gegen eine Islamisierung ihres Landes, wie sie von Präsident Mohammed Mursi und den mit ihm verbündeten Muslimbrüdern vorangetrieben wird. Ist der Islam nicht nur Religion und somit Privatsache, sondern strebt er die absolute Herrschaft über die Menschen an, so glauben sie, sind Unfreiheit, Diktatur und Elend nicht mehr weit. Man befürchtet einen Rückfall der ägyptischen Gesellschaft in vorzivilisatorische Zeiten.

Zu sagen, der Islam bemühe sich nicht um eine zeitgemäße Auslegung des Korans, kann allerdings nicht pauschalisierend behauptet werden. In Saudi-Arabien versucht man zum Beispiel mit der Moderne Schritt zu halten. Zu Zeiten der Niederschrift des Korans gab es bekanntlich noch keine Autos. Unbürokratisch wurden die Vorschriften des Koran kurzerhand an heutige Gegebenheiten angepasst. Frauen ist das Führen eines Fahrzeuges nach islamischem Recht untersagt. Ist die Angst der Ägypter also unbegründet? Oder demonstrieren sie zu Recht gegen den Vormarsch der Islamisten?

Zuwiderhandlungen gegen die Gebote des Propheten ziehen in islamisch geführten Ländern in der Regel auch islamisch legitimierte Strafmaßnahmen nach sich. Als die saudische Frauenrechtlerin Shaima Jastaina im Jahre 2011 ein Video auf ihre facebook Seite stellte, in welchem sie hinter dem Steuer eines Autos zu sehen war, wurde sie zu zehn Peitschenhieben verurteilt. Ebenfalls im Jahre 2011 wurde im Iran der evangelische Pfarrer Yousef Nadarkhani wegen des Straftatbestandes des ‘Abfalls vom islamischen Glaubens’ zum Tode verurteilt. Zu seiner Verteidigung führte Nadarkhani an, nie Muslim gewesen zu sein. Er sei also nie vom islamischen Glauben abgefallen, sondern Christ geworden, ohne zuvor einer anderen Religionsgemeinschaft angehört zu haben.

Das Gericht ließ diese Argumentation aber nicht zu. Man sah die Sache nicht so sehr faktisch, als eher nationalistisch. Wird ein Mensch im Iran geboren, ist er automatisch Muslim. Insbesonders als Kind muslimischer Eltern, die ja im Iran zur Welt kamen. Laut Fitra, dem islamischen Konzept des Naturrechts, ist ohnehin jeder Mensch von Geburt an Muslim. Angehörige anderer Religionen sind demnach immer irgendwann vom islamischen Glauben abgefallen. Herr Nadarkhani hatte im Unterschied zu anderen Leidensgenossen allerdings Glück. Im Jahr 2012 wurde er, auch auf Intervention des deutschen Außenministeriums, freigelassen. Es sieht auf den ersten Blick also so aus, als hätten zumindest Christen und Frauen in Ägypten doch Grund zur Sorge.

Die Verbotswut, die mit einem islamischen Regime einhergeht, kann durchaus als exzessiv bezeichnet werden. Mitunter stellt sie sogar den Reglementierungseifer deutscher Grüner in den Schatten. Fast nichts ist erlaubt. Alkohol und gleichgeschlechtlicher Sex sind verboten, ebenso das öffentliche Tragen freizügiger Kreationen westlicher Modeschöpfer. Der Konsum von Fleisch ist nur gestattet, wenn es sich nicht um Schweinefleisch handelt. Da Hunde als unrein gelten, sollte man sich auf gar keinen Fall einen Golden Retriever als Haustier zulegen. Das brächte einen in den Verdacht, unislamisch umtriebig zu sein und könnte schlimm enden.

Liebespaare sollten sich auf der Straße weder anfassen noch küssen. Das würde garantiert böse enden. Die Geschlechtertrennung ist eine der heiligen Kühe des Islam. Oft sind Singen, Tanzen und ausgelassenes Feiern generell unter Strafe gestellt In islamisch regierten Ländern findet man zudem so gut wie nie ein Kino, welches den neuesten Blockbuster aus Hollywood zeigt.  Auch auf ägyptische Cineasten kommen somit harte Zeiten zu.

Die protestierenden Menschen in Ägypten glauben also, dass eine zu umfangreiche Machtfülle für die Religion des Islam zwangsläufig mit Unfreiheit einhergeht. Sie kämpfen für die Trennung von Religion und Staat. Der islamische Gottesstaat schränkt ihrer Meinung nach nicht nur die Freiheit jedes Einzelnen massiv ein, auch werden Minderheiten wie Frauen, Homosexuelle und Nichtmuslime erheblich benachteiligt. Davor fürchten sie sich.

In Deutschland wären islamophobe Aufmärsche, wie wir sie derzeit in Ägypten erleben müssen, hingegen undenkbar. Wir sind hier schon viel weiter und wissen, dass sich der Islam sehr wohl in eine freiheitlich-demokratische Grundordnung inkludieren läßt. Schnelle Fortschritte sind zu verzeichnen. So stellte die Türkische Gemeinde Deutschlands bereits Anfang diesen Jahres ein Thesenpapier vor, welches die Gleichstellung von Mann und Frau zum Inhalt hatte. Der Vorsitzende Kenan Kolat, seiner Zeit bekanntlich immer ein wenig voraus, forderte gar die Strafverfolgung von Zwangsverheiratungen in Deutschland.

Auch für ein Kopftuchverbot an deutschen Schulen zeigte er sich offen. Sofern dieses nur unter 14jährige betrifft. Das ist aber noch nicht alles. Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland, Dachverband der vier größten Islamverbände hierzulande und Interessenvertretung von sage und schreibe 280.000 eher konservativ eingestellten Muslimen der insgesamt etwa vier Millionen Muslime in Deutschland, bekennt sich in seiner Geschäftsordnung klipp und klar zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik. Da man gleichzeitig betont, dass der Koran und die Sunna des Propheten Mohammed die Grundlagen des Koordinatsionsrates bilden, deutet dies unzweifelhaft auf die Absicht hin, den Koran in die deutsche demokratische Rechtsordnung zu integrieren.

Grund zu Sorge oder gar Angst gibt es bei uns im aufgeklärten Deutschland also nicht. Wir kämpfen nicht gegen den Islam, wie die rückständigen Massen in Ägypten, sondern gegen die unbegründete Furcht vor ihm.

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