Henryk M. Broder / 08.12.2006 / 01:30 / 0 / Seite ausdrucken

Inside The Beltway - 2

Hannes hat Recht. Man muss die USA kritisieren dürfen. Nicht nur die „Bush-Administration“, sondern auch den „American Way of Life“. Was ich zum Beispiel irre finde, ist die Art wie die Amis Auto fahren. Auf dem Highway überholen sie links und rechts, ohne dabei zu rasen, in der Stadt halten sie an STOP-Schildern, auch wenn weit und breit kein zweites Auto zu sehen ist. Es gibt Kreuzungen mit gleich vier STOP-Schildern an jeder Ecke. Und es kommt tatsächlich vor, dass vier Autos gleichzeitig anhalten und die Fahrer sich mit Gesten und Blicken verständigen, bevor sie wieder anfahren. Wo bleibt da das Recht der Bürger auf freie Fahrt?
Noch ärger ist das Parkverhalten. Wir sind ja einen laschen Umgang mit Parkverboten gewöhnt, wo eine Lücke ist, da wird geparkt.
Das würde der Ami nie machen. Wann man wo Parken darf, ist eine Wissenschaft für sich. Heute zum Beispiel durfte man bis 4pm an der Mass Avenue parken. Danach wird gnadenlos abgeschleppt. Eine Minute vor 4 setzte ich mich ins Auto und machte mich auf die Suche nach einem anderen Parkplatz. Ich fand einen in der 2o. St., zwischen K und L St. Und was für einen! Die Parkuhr war abmontiert! Hier konnte ich bleiben, vielleicht würde ich sogar im Auto übernachten, denn so ein Parkplatz mitten in Washington ist wie ein Sechser im Lotto. Ich stellte den Cruiser ab und ging ins „China Cafe“  in der M St. zwischen der 19. und der 2o. St., einen Diner mit „Hunan, Szechuan, Bejing Cuisine“, wo man eine große Portion Kung Pao Chicken, Sesame Chicken oder Orange Chicken für 4.95 $ bekommt – in Minuten frisch zubereitet, mit cholesterolfreiem Öl und ohne Glutamat. Ich bestellte General Tso’s Chicken und sah zwei Cops zu, die beide je zwei Portionen geordert hatten. Eine halbe Stunde später machte ich mich wieder auf den Weg zum Auto, ich wollte nach dem Essen eine Runde nappen. Doch irgendwas stimmte nicht. Es gab kein einziges parkendes Auto in der 2o. St., am Horizont war nur mein blauer Cruiser zu sehen, völlig vereinsamt. Jetzt kam es auf jede Sekunde an. Ich oder der Abschleppwagen! Beinah wäre mir die fehlende Parkuhr zum Verhängnis geworden, denn auf der Parkuhr nebenan stand, dass man den Platz nur bis 4pm benutzen darf. Und das soll „The Land of The Free“ sein? Es ist der reine Terror. Eigentlich ein Fall für amnesty international und für Human Rights Watch. Das Einzige, das man dagegen machen kann, ist passiver Widerstand. Wenn ich zum Auto zurück komme und sehe, dass die Uhr noch nicht abgelaufen ist, dass ich noch fünf oder sechs Minuten gut habe, dann setze ich mich ins Auto und warte, bis die Zeit um ist. Keine Sekunde wird verschenkt. Erst wenn es „Time is up“ heißt oder „Expired“,  fahre ich los, suche eine Parkuhr mit einer Restlaufzeit und nutze auch die aus.
Für solche Fälle habe ich immer eine Ausgabe der „Atlantik Times“ bei mir, „A Monthly Newspaper from Germany“. Den Aufmacher der Dezember-Ausgabe hat Theo Sommer geschrieben, irgendwo hinter den Karawanken, und da lese ich: „You can’t solve the problem by killing the Taliban. You have to win the people over.“
Das meine ich auch. Wir brauchen eine Offensive der Herzen, um die Taliban zu entwaffnen. Der erste Taliban, der aufgibt, bekommt als Belohnung eine Einladung zu „Wetten, dass…“ Ich würde gerne noch weiter aus dem Artikel von Theo Sommer zitieren, aber ich muss wieder los, einen neuen Parkplatz suchen. Und die Amis Mores lehren.

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