... Die „Wende“ ist uns Rotor gewordener Ausdruck unserer poetischen Natur ... Ich hege den Verdacht, das es sich bei diesem Rotor um einen Bumerang handelt. Selbiger rotiert zwar auch, bedient aber auch den Zweck einer Waffe. Der Legende nach kommt er zum Absender zurück. Das wird dann grimm .. ganz ohne Märchen!
Im Film „Mon oncle“ (Regie: Jacques Tati) führt eine Hauptperson sich wie ein Volltrottel auf: Er verheddert sich bei den einfachsten technischen Verrichtungen, zieht aus Schusseligkeit die Feindschaft gleich zweier Mafiagangs auf sich, aber nichts passiert ihm. Ein Höhepunkt besteht darin, dass sich zwei Gangster aus den beiden Gangs zugleich auf ihn stürzen wollen, ihn beide verfehlen und sich gegenseitig niedermachen – der gute Onkel merkt von alledem nichts. Es gibt sie eben, die Glückspilze. Vielleicht ist unsere ewig lächelnde Kanzlerin ein solcher, vielleicht auch die liederträllernde Dame Nahles. Gewiss kann man die Einführung der Rente 63 für das Werk eines Volltrottels halten; aber schauen wir uns Tatsachen an, welche diese Schusseligkeit in ihrer Wirkung abschwächen oder gar aufheben können. Ein paar Beobachtungen dazu. Da gibt es ein Rentnerehepaar, nennen wir sie G. und M. Er, G., ist an sechs von sieben Nachmittagen die Woche ausgebucht. An zwei Tagen hilft er dem Enkel und dessen Klassenkamerad bei den Hausaufgaben, nachdem sie, M., vorher den Knaben ein anständiges Mittagessen gekocht hat. An zwei weiteren Nachmittagen ist die Hilfe für einen Nachbarjungen gefragt, der leider einen Narren zum Mathematiklehrer hat und der über diverse fachlichen Klippen gehievt werden muss. Schließlich ist der kleine Acker zu pflegen, der ansonsten verwildern würde. Und die Kuratorien zweier Stiftungen sowie der Sekretärsposten beim Serviceclub fordern auch ihre Zeit. Sie kümmert sich ums Haus und um ihre uralte Mutter, die beide in ihr Haus aufgenommen haben; was wäre solche Pflege in einem Heim wohl wert? Ist denn unbekannt, dass die häusliche Pflege immer noch die bei weitem dominierende ist und dass sie meist von engsten Verwandten, in der Regel von Rentnern, besorgt wird? Kennt nicht jeder den Fahrer des Paketdienstes, den Zeitungsausträger, den Kurierfahrer der Autowerkstatt, die alle schon Endsechziger oder älter sind? Wer sitzt denn abends im Hallenbad, wenn drinnen der DLRG sein Training macht, an der Kasse, wer führt den Verein? Und wieso geht es unserem braven DLRG-Ortsverein, der so unendlich viel für die Jugend tut und der stets in finanziellen Nöten war, mit einem Mal etwas besser? Weil eine Rentnerin ihm einen Teil ihres Ersparten vermacht hat. Und so weiter. Vielleicht werden nur die mit 63 zu arbeiten aufhören, die nicht mehr können oder partout nicht mehr wollen; um letztere ist es nicht schade, sie zur Arbeit zu treiben wäre kontraproduktiv. Ja, ich weiß, mit eben diesen Beispielen könnte man auch für eine Rente mit 50 eintreten, aber ich denke, wir sind unter vernünftigen Menschen und man versteht, worauf ich hinaus will. Darauf, dass dann, wenn Gelegenheiten zur freiwilligen Weiterarbeit jenseits der 63 – ja gewiss, 67 wäre sinnvoller – gegeben sind, seien es geringfügig bezahlte oder symbolisch bezahlte oder gar nicht bezahlte Arbeiten, es einem um die Zukunft nicht bange sein muss. Wir sind ob jung oder alt ein tüchtiges, arbeitsames Volk; das weiß nicht nur Akif Pirinci. Also Kopf hoch! Und meinetwegen mögen dann die holdselig lächelnde Angela und das trällernde Mädchen aus der Eifel sich diesen Erfolg gutschreiben, was soll’s?
Im Ausland lebend habe ich einen Blick auf Deutschland von der Seitenlinie. Bei den ganzen, doch recht eigenwilligen, pittoresken Nachrichten, die da aus meiner alten Heimat kommen, bin doch des öfteren verwirrt. Ich schaue dann nach, ob nicht ein fieser Hacker mich auf eine Satireseite im Internet umgeleitet hat, muss dann doch feststellen, dass die wirklich der Internetauftritt von FAZ, Welt und Co. ist. Und es stimmt wirkich, nur Schida ist keine Stadt, es ist ein ganzes Land.
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