Peter Grimm / 20.03.2017 / 10:23 / 7 / Seite ausdrucken

Im Anschlags-Alltag

Ein Mann ruft „Ich bin da, um für Allah zu sterben“ und dass es Tote geben werde, danach greift er eine Soldatin am Pariser Flughafen Orly an, um ihr die Waffe zu entreißen. Weil er von einem ihrer Kameraden umgehend niedergeschossen wird, gibt es keine weiteren Opfer. Geplant waren sie offenbar, denn – laut Staatsanwaltschaft – hatte der Mann einen Benzinkanister und einen Koran bei sich. Sein Ausruf lässt vermuten, dass er mitnichten vorhatte, mit dem Benzin den Koran zu verbrennen, sondern ihn als Begleitung in den selbstgewählten Märtyrertod brauchte. Den Tod hat er nun bekommen. Der Soldat, der ihn erschoss, hat etliche Menschenleben gerettet. Ob er dafür die angemessene Anerkennung erfährt?

Interessant ist, dass die Berichterstattung über diesen Terroranschlag hierzulande sehr unaufgeregt und zurückhaltend war. Nein, jetzt soll keinesfalls der Vorwurf erhoben werden, man wolle etwas bewusst niedrig hängen. Es ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass sich die Öffentlichkeit an die Versuche, im Namen Allahs und seines Propheten Menschen in Europa zu ermorden, gewöhnt hat. Der radikalislamische Terror bekommt mehr und mehr etwas Alltägliches. Auch der Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz ist gerade ein Vierteljahr her und aus dem öffentlichen Bewusstsein schon so gut wie verschwunden. Wenn, wie jüngst, Terrorwarnungen dazu führen, dass Einkaufszentren geschlossen und geräumt werden müssen, regt das kaum mehr auf, als eine Unwetterwarnung im Wetterbericht.

Formulierungen sind richtig zu deuten

Wie in allen Alltagsroutinen laufen auch die Reaktionen auf jeden Versuch, im Namen Allahs und seines Propheten zu morden, scheinbar schon ganz automatisch ab. Ein solcher Anschlag habe nichts mit „dem Islam“ und auch nichts mit „Flüchtlingen“ zu tun, außerdem solle man sich vor jedem Generalverdacht hüten – das kann jeder Verantwortungsträger schon seit langem umgehend aufsagen. Bei der Berichterstattung über den Attentatsversuch in Paris-Orly war es manchem deutschen Nachrichtenredakteur wichtig, zu vermelden, dass es sich bei dem Attentäter um „einen Franzosen“ gehandelt habe, während zu diesem Zeitpunkt noch nichts zum ethnischen oder weltanschaulichen Hintergrund des Attentäters bekannt gegeben wurde. Die Gefahr eines Generalverdachts gegen Franzosen sah selbstverständlich niemand. Da können sich deutsche Nachrichtenredakteure auf die inzwischen wieder geschärfte Fähigkeit ihrer Leser, Zuschauer und Hörer verlassen, solche Formulierungen zu deuten. Jeder wusste in diesem Moment, dass der Mann einen französischen Pass hatte, ansonsten aber wahrscheinlich einer Personengruppe angehörte, deren Ruf heutzutage in den Medien besonderen Schutz genießt.

Vielleicht sollte man sich kurz noch einmal daran erinnern, dass die Gefolgschaft radikalislamischer Ideologen allein in Frankreich im letzten Jahr 230 Menschen getötet hat.

Inzwischen sind Nachrichten von Anschlagsversuchen halt schnell vergessen. Erinnern Sie sich daran, dass nahe dem Louvre vor einigen Wochen ein Mann niedergeschossen wurde, nachdem er sich mit zwei Macheten auf eine Militärpatrouille gestürzt hatte?

Gedenken mit Islamisten

Aber gehen wir zum Schluss zurück nach Berlin. Am Tag nach dem Attentatsversuch in Orly ist der Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz genau ein Vierteljahr her. Doch dass hier vor wenigen Zeilen behauptet wurde, alle hätten ihn vergessen, ist ein wenig ungerecht. Sogar der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller hat jüngst auf einer Gedenkveranstaltung gesprochen. Und praktischerweise hat er zusammen mit Islamisten der Opfer von Islamisten gedacht. Die Welt beschrieb diese Art der Erinnerung so:

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), hat am Donnerstagabend vor der Gedächtniskirche auf einer Kundgebung geredet, die von Islamisten angemeldet wurde. Bei einem islamistischen Terroranschlag am 19. Dezember 2016 mit einem gestohlenen Lkw wurden zwölf Menschen getötet und zahlreiche verletzt. Der Zentralrat der Juden in Deutschland rief Müller in einem Schreiben auf, nicht teilzunehmen. Darauf erhielt man keine Antwort, wie die Organisation der „Welt“ mitteilten.

Müller sprach ein Grußwort. Der Mitveranstalter Neuköllner Begegnungsstätte (NBS) und drei weitere teilnehmende Vereine werden vom Verfassungsschutz wegen der Nähe zur Muslimbruderschaft beobachtet. Einer der Moscheevereine sei zudem der „Berliner Treffpunkt von Hamas-Anhängern“, heißt es im Berliner Verfassungsschutzbericht von 2015. Der Islamexperte Ahmad Mansour sagte der „Welt“: „Herr Müller verkennt die Strategie der Moscheen, die der Muslimbruderschaft nahestehen. Sie arbeiten seit Jahren daran, als Partner der Politik wahrgenommen zu werden. Müller erfüllt ihnen diesen Wunsch, wenn er mit ihnen am Ort des islamistischen Terrors für Frieden demonstriert.“

Ein wahrlich angemessenes Gedenken. Nicht den Opfern angemessen, aber der politischen Kultur in Deutschland.

Der Beitrag erschien zuerst in Peter Grimms Blog Sichtplatz hier

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Leserpost

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Dr. Leonid Basovski / 20.03.2017

Im Gegensatz zum Islamexperten glaube ich, dass Herr Müller “die Strategie der Moscheen, die der Muslimbruderschaft nahestehen”, durchaus richtig versteht. Und ich glaube es ist die höchste Zeit für die in Deutschland lebenden Juden darüber nachzudenken, ob sie dieses Land verlassen sollten. Ich werde mir das auf jeden fall überlegen.

Judith Hirsch / 20.03.2017

Der Einfluß von Staatssekretärin Sawsan Chebli auf den Regierenden Bürgermeister von Berlin ist verheerend. Diese Frau, die sagte, dass “der Islam mit dem Grundgesetz absolut kompatibel ist” kam nicht einmal als trojanisches Pferd in ihr politisches Amt. Sie spazierte ungehindert und rotzfrech durch weit geöffnete Tore. Deutschland macht vor seinen Feinden einen Kotau nach dem anderen und der neue Berliner Senat ist ganz besonders eifrig im vorauseilendem Gehorsam.

Werner Kramer / 20.03.2017

Der Regierende Bürgermeister von Berlin nimmt allen Ernstes an einer Veranstaltung teil, auf der ein islamischer Prediger den terroristischen Hintergrund der Ermordung von zwölf Menschen leugnet. Tiefer kann ein Politiker nicht sinken. Schämen Sie sich, Müller!

Heinz Bannasch / 20.03.2017

“Die Gefahr eines Generalverdachts gegen Franzosen sah selbstverständlich niemand.” Ich habe mich schon oft gefragt, warum n ach einer Meldung wie ” der 30 jährige Münchner BMW Fahrer kam wegen überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn ab. Ein Alkohol test ergab 1,8 Promille” nicht auch automatisch reflexartig relativiert wird: Man darf das aber absolut nicht pauschalieren. - Keinesfalls sind alle BMW-Fahrer “Raser” - Münchner sind keine schlechteren Autofahrer als Augsburger - Nicht alle jungen Männer haben Alkoholprobleme Festzustellen bleibt jedenfalls, dass es sich auch diesmal in Paris um keinen “Christianisten” gehandelt hat, der mit der Gesamtsituation unzufrieden war.

Hubert Kahn / 20.03.2017

Es handelt sich nicht um “radikalislsmischen” oder “islamistischen” Terror, sondern um islamischen Terror. Moslems unterscheiden nicht, das ist eine westliche, eine linke Erfindung. Frage: Warum gibt es mit Ausnahme von einzelnen Moslems wie Hamed Abdel-Samad, Bassam Tibi, Sabatina James, keine islamische Opposition zum Terror? Hab noch nie von einer Anti-Terror-Demo, organisiert von Moslems, gehört. Antwort: Weil sie es gut finden. Es werden noch viele, viele Jahre vergehen und sehr viel Blut fließen, bis der West seine feige Arroganz aufgeben und wieder gegen den Islam, diesem Krebsgeschwür, kämpfen wird. So wie König Sobieski, Prinz Eugen, Karl Martell und die Kreuzritter. Aber wenn ich mir die verschwuchtelte männliche Jugend ansehe, mit ihren engen Hosen und gezupften Augenbrauen, da habe ich wenig Hoffnung.

Dietrich Schlüter / 20.03.2017

Es hat uns jemand den Krieg erklärt und keiner begreift es. Es ist für den westlich zivilierten Menschen nicht zu verstehen, warum jemand sein Feind sein will. Das kann keiner nachvollziehen. Und doch ist das über Jahrhunderte der Normalzustand gewesen. Eine Ausnahme war der kalte Krieg. In dieser Zeit entwickelten sich Überzeugungen mit guten Argumenten Feindschaften beenden zu können. Wie gerne lullen wir uns doch ein.

Wilfried Cremer / 20.03.2017

Bei der Gelegenheit: Es ist an der Zeit, den Spieß umzukehren. Nicht wer Gefahren ausschalten will, leidet unter Phobien, sondern wer ihre Benennung tabuistisch unterdrückt.

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