Neoliberal, neokonservativ - alles Zuschreibungen der Gegnerschaft. Begriffe wie deren Inhalte sind mir sympathisch. Dennoch ergibt sich für mich die Frage, wenn Prosperität in allen Lebensbereichen der Gesellschaft ansteigt, hat sie eine Rationalisierung - der Kampfbegriff der 80er - zur Folge, sprich: Immer weniger Menschen werden benötigt für die Arbeit, die dann das erwirtschaftet, was verteilt wird. Die Tendenz der fortschreitenden Domestizierung des Einzelnen, sprich alle möglichen Waren von zu Hause zu bestellen um dann erst auszuwählen und den Ausschuss wieder zurückzusenden (Amazon, Zalando etc.): dies hat zur Folge, dass Millionen von Waren logistisch erfasst (von Maschinen) werden und dann ausgeliefert werden müssen. Das sind einfache Arbeiten, sehr einfache. Wer vollzieht diese zu welchem Lohn? Mindestlohn? Wie es hier auf der Achse diskutiert wurde: Der Bahnstreik war nicht nur der Zickenkrieg zweier Gewerkschaften, nein, im Hintergrund leuchteten alle Warnlampen im grellsten Licht, da sich die Unternehmen Bahn etc. anschicken, mittelfristig den Menschen durch die Maschine zu ersetzen. Was tun mit Mr. Lokführer? Ich besuchte in meinem Wohnort eine Maschinenbaufirma: man konnte vom Boden essen und von vormals hunderten Malochern, die noch im Schweiße und Ölfilm ihres Angesichts standen, waren nur ein paar wenige übrig geblieben: von 1400 Mitarbeitern waren nur 300 in der Produktion tätig. Also – der Bärtige aus Trier hatte mit einer Sache recht: was tun mit der industriellen Reservearmee? »Für mich als Neoliberaler gilt das Haftungspostulat nicht nur für den Sozialhilfeempfänger, dem ich eigenes Engagement abverlange (Stichwort: aktivierender Sozialstaat!), damit er nicht in der Falle der Daueralimentation stecken bleibt.« Aktivierung - für was? Lieferdienste für fünf Euro die Stunde? Straße fegen? So sehr ich dem “sog.” Neoliberalismus nahe stehe, da er die Menschheit technisch, sprich der Utopie der Abschaffung der Plackerei ein Stückchen näher bringt, frage ich mich ganz einfach: Was macht Mensch, ist nahezu alle Arbeit von Maschinen ersetzt worden? Die wenigsten Individuen werden (inter)national erfolgreiche Ingenieure, Entwickler und Forscher – das sind die Ausnahmen; das sind die Menschen, die hochqualifizierte Zuarbeit benötigen. Aber wenn das Ingenieurstum nun alle Arbeit auf die Maschine übertragen hat – was doch großartig wäre, hätte die Plackerei ein Ende – one more time: und dann? Was für eine Antwort oder was für Antworten gibt mir der Neoliberale darauf? Das ist kein Sozialromantikkitsch, das ist Pragmatismus pur.
Sehr geehrter Herr Metzger, ich beobachte seit langem hin und wieder Ihre Aussagen. Meistens finde ich das sehr gut, und auch das, was Sie hier dargestellt haben. Die Ansichten sind nicht neu und die Aufgabe besteht m.E. Darin, die Mehrheit der “Andersdenkenden”, die seit sehr vielen Jahren ihr Denken durch die Instanzen bringen, zu einer ernsthaften Auseinandersetzung zu bringen, über das was (noch) gütigsten und was schlecht am momentanen Mainstream ist. Und dann in der Folge die Zukunft mit mehr Eigenverantwortung zu gestalten. Ohne Eigenverantwortung gibt es keine gute Zukunft für uns. Also wie schaffen wir es, den Mainsream von zu einfachem auf etwas richtigeres Denken und Handeln zu bringen? Wie schaffen wir andere Mehrheiten?
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