Ein Land atmet auf. Die Gefahr, dass in Deutschland die Steuern gesenkt werden, ist gebannt. Lange Zeit sah es nicht so aus. Trotz zahlreicher gemeinsamer Proteste von Fachleuten und einfachen Bürgern, gab es in der Politik eine nicht zu unterschätzende Strömung, die eine Steuersenkung durchsetzen und den Bürgern mehr Geld zur eigenen Verfügung in der Tasche lassen wollte. Diese Strömung ist nun zu einem vertrockneten Bach geworden. Ganz Deutschland kann aufatmen.
Wir Deutsche, ein sonst unerschrockenes Volk, erschrecken zutiefst, wenn man uns mit Steuersenkungen droht. Steuererhöhungen – bitte sehr, jederzeit. Aber Steuersenkungen? Mehr Geld für uns selber und damit weniger Geld für die staatliche Umverteilung? Das ist der Gottseibeiuns. Aber er ist ja nun nicht mehr bei uns.
Mehrere glückliche Umstände haben dazu geführt, dass die hoch umstrittene Idee, uns mit Steuersenkungen seelisch zu belasten, ein Schreckgespenst geblieben ist.
Es begann mit der Weltfinanzkrise, die die lautesten Steuersenker schon ein wenig leiser hat werden lassen. Verstummt aber waren sie noch keineswegs. Selbst die Griechenlandkrise hat nicht zur völligen inneren Umkehr der notorischen Steuersenkungsbefürworter geführt. Es musste erst die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen her, um dem Projekt den Todesstoß zu versetzen. Mit dem Verlust der schwarzgelben Mehrheit im Bundesrat kam endlich das unschlagbare Argument: Wir würden ja gerne senken, aber wir können nicht mehr.
Damit hatten die Hauptpropagandisten einer Steuersenkung, Guido Westerwelle (FDP) und Horst Seehofer (CSU) das Instrument in der Hand, um die notwendige Kurve zur Nichtsteuersenkung zu nehmen. Die Gefahr war gebannt.
Nun kann sich die Regierung ungestört der Aufgabe widmen, die armen Banken und das arme Griechenland auf Steuerzahlerkosten zu retten, ohne mit dem Sparen daheim übertreiben zu müssen. Wir Steuerzahler freuen uns natürlich, dass unser an den Staat abgetretenes Geld so sinnreich verwendet wird. Und die Regierung freut sich, dass sie beim Schuldenabbau nicht zu so drastischen Mitteln greifen muss wie andere europäische Länder, die nicht davor zurückschrecken, die Gehälter im öffentlichen Dienst, ja sogar Abgeordneten- und Ministergehälter zu kürzen. Dazu wird es bei uns nicht kommen, und damit ist die eigentliche Katastrophe abgewendet.
Am Horizont droht noch ganz sanft die so genannte große Steuerreform. Aber wie es aussieht, wird sie am Horizont bleiben. Wir können uns wohl darauf verlassen, dass Deutschland ein Land der hohen und undurchschaubar komplizierten Steuern und Abgaben bleiben wird. Wenn das kein Grund zum Aufatmen ist.