Noch dient Jens Weidmann als Bundesbankpräsident. Doch geht es nach dem Willen von Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble, soll er im nächsten Jahr zum Chef der Europäischen Zentralbank gekürt werden. Das wäre eine gute, eine wichtige Wahl, weil damit die Politik des hemmungslosen Gelddruckens beendet werden könnte. Die Geldmengen-Eskalation der EZB birgt inzwischen gewaltige Risiken und muss dringend eingedämmt werden. Weidmann wäre ein Garant dafür.
Der Bundesbankpräsident wäre der erste Deutsche an der EZB-Spitze seit ihrer Gründung Mitte 1998. Nach dem Niederländer Wim Duisenberg, der bis 2003 amtierte, war acht Jahre lang der Franzose Jean-Claude Trichet Europas oberster Geldpolitiker. Seit November 2011 amtiert der Italiener Draghi. Mit seiner ultraexpansiven Geldpolitik und dem „Whatever it takes“-Versprechen gilt er vielen als Retter des Euro. In Deutschland gibt es aber viel Unmut über seine Nullzinspolitik. Ende Oktober 2019 läuft Draghis Amtszeit aus.
Es ist es an der Zeit, dass ein Deutscher an die Spitze der EZB rückt. Die größte Volkswirtschaft im Euroraum ist bisher bei der wichtigsten Position in der gemeinsamen Notenbank nicht berücksichtigt worden. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) denkt in diesem Zusammenhang daran, in Europa ein größeres Personalpaket zu schnüren. So sind zwei weitere Spitzenpositionen zu vergeben. Die Stelle des EZB-Vizepräsidenten wird Ende Mai 2018 frei, wenn Vítor Constâncio ausscheiden wird. Zudem wird ein neuer Vorsitzender der Eurogruppe als Nachfolger für den niederländischen Finanzminister Jeroen Dijsselbloem gebraucht, dessen sozialdemokratische Partei die Wahl verloren hat und der neuen Regierung nicht mehr angehört. Dijsselbloems Amtszeit endet spätestens im Januar 2018, wahrscheinlich aber früher, mit der Bildung einer neuen Regierung in Den Haag spätestens im September.
Geld wie Kamelle aus dem Frankfurter Faschingswagen
Weidmann ist im EZB-Rat oft als Kritiker und Gegenspieler Draghis aufgetreten und hat dessen Staatsanleihekaufprogramme öffentlich kritisiert. Im Süden des Euroraums ist daher seine Rückendeckung gering. Man fürchtet, mit Weidmann werde die Politik des ultraleichten Geldes beendet. Die Südeuropäer neigen daher für die Draghi-Nachfolger dem Chef der französischen Notenbank, François Villeroy de Galhau, zu.
In Deutschland hingegen ist die Unterstützung für Weidmann groß, gerade weil er die Geldflutpolitik beenden könnte. Derzeit verhält sich Weidmanns Bundesbank zur EZB wie ein Priester zum Prasser. Während erstere Verlässlichkeit, Askese und Gebote der Geldwertstabilität predigt, wirft letztere Geld mit beiden Händen wie Kamelle aus dem Frankfurter Faschingswagen und wagt immer wildere Experimente der Geldmengen-Eskalation. Die Bilanzsumme der EZB hat sich in nur anderthalb Jahren um sagenhafte eine Billion Euro ausgeweitet. Die Frankfurter Geldhüter hüten das Geld nicht mehr, sie fluten Europa damit. Sie verschenken das Geld zinslos, kaufen selber Staatsanleihen wie allerlei Wertpapiere und wollen eine Inflation erzwingen, die sie eigentlich zu verhindern haben. Mit dieser Politik organisiert die EZB eine der größten Enteignungen der Geschichte – von Sparern zu Schuldnern, von Bürgern zu ihren Staaten, von Nordeuropa nach Südeuropa.
Insbesondere Deutschland trifft diese Massenenteignung in gewaltigen Dimensionen. Das private Geldvermögen der Deutschen liegt bei 5,3 Billionen Euro. Mit Zinsen, wie wir sie etwa in den Achtzigern kannten (damals lag die durchschnittliche Rendite, die Anleger mit lang laufenden deutschen Zinspapieren erzielen konnten, 4,8 Prozentpunkte über der Inflationsrate) würden die Deutschen jedes Jahr etwa 250 Milliarden an Zinsen für ihr Erspartes bekommen. Mit der heutigen Nullzinspolitik der EZB bekommen sie gar nichts mehr. Dreistellige Milliardenbeträge entgehen den Bundesbürgern also, nur weil man in Frankfurt meint, Konjunkturpolitik zu betreiben und die überschuldeten Staaten wie Banken Südeuropas zu entlasten.
Da aber die Konjunktur Europas nicht unter Geldmangel leidet sondern unter strukturellen Wettbewerbsschwächen, wirkt die Geldmengeneskalation nicht. „Die Pferde saufen nicht“, jammern die hyperaktiven Geldschwemmer der EZB. Anstatt sich aber zu besinnen, suchen sie nun immer neue, wilde Wege, um das kollektive Geldsaufgelage zu erzwingen. Einmal soll Helikoptergeld als Bargeschenk im Volk verteilt werden, dann wieder erwägt man immer neue Wertpapierklassen aufzukaufen, schließlich sollen immer drastischere Negativzinsen die Geldzirkulation fördern.
Fadenscheinige Begründungen für Bargeld-Abschaffung
Insbesondere das Bargeld ist den Frankfurtern inzwischen ein Dorn im Auge. Denn damit lassen sich Strafzinsen umgehen. Also wird über allerlei Varianten zur Abschaffung des Bargeldes diskutiert. Bargeldkäufe von mehr als 5000 Euro könne man verbieten – oder aber größere Geldscheine einfach vom Markt nehmen. Genau das ist nun mit der schrittweisen Abschaffung des 500-Euro-Scheines beschlossen worden. Begründet wird die Abschaffung der größten Banknote mit dem Kampf gegen Geldwäsche, Kriminalität, Schwarzarbeit und Terrorismus. Doch das Argument ist fadenscheinig, denn die Bösewichter steigen nun auf 200-Euro-Scheine um, und können außerdem die Spuren krummer Geschäfte längst auch elektronisch verwischen. Kriminelle weichen etwa auf die Cyber-Währung Bitcoin aus, und Geldwäsche läuft längst bargeldlos über Scheinfirmen.
Der Chef des Ifo-Instituts Clemens Fuest warnt zu Recht davor, dass es der EZB in Wirklichkeit darum geht, die Repression über negative Strafzinsen zu verschärfen. Durch Bargeld gibt es eine natürliche Untergrenze für die Zinsen: Sinken diese zu stark in den negativen Bereich, so wird es irgendwann für die Bankkunden attraktiver, das Geld in Cash zu halten. Würde Bargeld hingegen abgeschafft und das Geld ausschließlich bei Banken gehalten, könnten die Zinsen beliebig weit gesenkt werden.
Die Abschaffung des 500-Euro-Scheins ist also ein weiterer Schritt der EZB mitten hinein in die Portemonnaies der Deutschen. Der nächste könnte dann die – bereits diskutierte – Einführung einer Obergrenze für Bargeldgeschäfte werden. So soll Bargeld schrittweise unattraktiv gemacht werden.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann schlägt darum Alarm und warnt, „das Vertrauen in die gemeinsame Währung nicht zu beschädigen.“ Weidmann fürchtet ein, die EZB könne mit der Abschaffung des großen Geldscheins in den Verdacht geraten, in Wahrheit Geldhortung unterbinden zu wollen, damit niemand vor den negativen Zinsen auf dem Bankkonto fliehen könne. Der Verdacht ist längst Wirklichkeit. Zum Schutz der Sparer und zum Vertrauensgewinn in unsere Währung wäre ein weniger an Prasser-EZB und ein Mehr an Priester-Bundesbank wünschenswert. Kurzum: Jens Weidmann wäre ein gute Wahl.
Dieser Beitrag erschien zuerst in The European hier.