Von Hans Wulsten.
Eine Liebeserklärung. Als West-Berliner kam man mit den Sachsen kaum in Berührung. Allenfalls dann, wenn man auf den Korridoren nach Westdeutschland fahren wollte und man an der Grenze den penetrant-dümmlichen Fragen der ostzonalen Grenzer ausgesetzt war. Erst piesackten sie meinen Vater, als wir Kinder waren und in den Urlaub fuhren und später mich, der ich einige Hundert Male diese Korridore benutzte.
Die Fragen waren so bescheuert wie überflüssig, aber es war ein Ritual. Inhaltlich waren sie in ihrer Dummheit kaum zu ertragen, aber der sächsische Tonfall setzte dem Ganzen die Krone auf. Von allen deutschen Dialekten war dies der Grausamste. Es schüttelte uns regelmäßig. Und wenn ich auch echtes Schwäbisch kaum verstand und in Bayern drei Mal nachfragen mußte, der Farbklang war zu ertragen und irgendwie folkloristisch. Aber sächsisch? Sächsisch war Folter.
Warum ausgerechnet Sachsen als Grenzer an der innerdeutschen Grenze eingesetzt wurden weiß ich nicht. Ich vermute aber, daß die Befehlsebenen eine ähnliche Taktik einsetzten wie die Sowjets. Immer Volksstämme die weitab liegen zum Einsatz bringen. Im Zweifelsfall schießt es sich leichter auf Fremde als auf die eigenen Volksgenossen.
Aber wie gesagt, außer an der Grenze traf man keine Sachsen. Nun war ich aber ein engagierter DDR-Fernseh-Gucker. Damit unterscheid ich mich schon mal von allen meinen Westnachbarn und Bekannten, denen nicht im Traum eingefallen wäre einen DDR-Kanal einzuschalten. Doch in mein Wohnzimmer schauten Karl-Eduard von Schnitzler, Carmen Nebel, Andrea Horn et cetera ziemlich oft. Und Willi Schwabe war mit seiner Rumpelkammer Stammgast. Ein sympathischer Mann. Anspruchsvoll fand ich auch die Sendungen mit klassischer Musik, mit Theo Adam und Peter Schreier und vielen anderen. Qualitätsmäßig erste Sahne. Was ich auch gerne sah waren die aus der SU übernommenen Musiksendungen der verschiedenen russischen Völker in ihren Trachten.
Bis nach Sachsen kam ich selten, dann fiel die Mauer
Doch zurück zu den Sachsen. Mit meinem westdeutschen Zweitausweis machte ich unzählige Fahrten durch die DDR, rein aus Interesse, doch bis nach Sachsen kam ich selten, einfach weil die Zeit eines Tagesausfluges nicht reichte. Dann „fiel“ die Mauer (blöder Ausdruck, sie fiel ja nicht) und einige Tage später lief ich zwei jungen Sachsen direkt in die Arme. Es war in einer Seitenstraße in Berlin Tegel und sie schauten so unbedarft und orientierungslos, daß ich sie spontan fragte „ob ich helfen könne“.
Da ich ja immer recht aufgeschlossen wirke (und auch bin) rückten sie nach einigem Rumdrucksen mit der Sprache raus: „ob ich wisse, wo ein Sexshop sei“. Ich wußte, führte sie hin und lud sie, nachdem sie sich sattgesehen hatten, zum Bier ein. Dann überlegten sie so lange hin und her, ob sie es sich leisten könnten das Bierglas zu kaufen, daß ich es ihnen schließlich schenkte. In meiner Phantasie sah ich das Glas dann in der typischen ostdeutschen Spanplattenwand aus dem VEB Möbelkombinat Hellerau neben leeren Coca- und Fanta-Dosen stehen.
Später machten wir etliche Ausflüge und Tagestouren nach Sachsen, besonders nach Dresden. Ein 7-Tage-Urlaub ist mir in besonderer Erinnerung, weil in dem angemieteten Privatquartier das Bett unter meiner eben geheirateten Frau und mir zusammenbrach. Da das hohe Fuß- und Kopfteil zur Mitte klappten hatten wir einige Mühe uns zu befreien.
In der Welt haben wir etliche Sachsen getroffen
Dann wanderten wir aus. Klar, daß wir da keine Sachsen gesehen haben. Aber als wir 2008 auf unsere viereinhalbjährige Weltreise gingen haben wir etliche Sachsen getroffen. Einen Tierarzt mit Frau, eine Lehrerin mit Mann, zwei Medizinstudenten und ein Ehepaar aus Heidenau. Mit den Studenten haben wir uns angefreundet. Mit den Heidenauern auch. Beide Freundschaften halten bis heute, die Heidenauer haben uns schon öfter besucht, der eine Medizinstudent - inzwischen ist er Arzt -, will im Frühjahr kommen. Wir werden diese Freundschaften pflegen.
Es ist merkwürdig. Inzwischen habe ich, durch die menschliche Nähe und das häufigere Hören, mich auch an die Sprache gewöhnt. Ja, zugegeben, ich finde es selber komisch, sie klingt mir jetzt vertraut und ich höre sie sogar gerne.
Kommen wir nun zu dem Sachsen-Bashing welches in den Medien und von der Politik veranstaltet wird und wo die Sachsen als Hort der Dunkeldeutschen, der Ewiggestrigen und des „Braunen Mob“ verortet werden. Dazu zweierlei: Erstens habe ich schon oft meine Sympathie für die postkommunistischen Länder und Menschen kundgetan. Ich halte sie für reifer, ernsthafter, zielgerichteter und abgeklärter. Diese Einschätzung ruht auf persönlichen Erfahrungen. Nicht mal so sehr mit den Sachsen, aber mit den Polen, Tschechen und Russen.
Doch auch bei den Sachsen stelle ich diese Ernsthaftigkeit fest. Sie unterscheiden sich auch deutlich von der westlichen (Wessi) Arroganz und Überheblichkeit. Früher habe ich das zurückgewiesen und bestritten das Wessis arrogant sind (und mich an mir orientiert). Inzwischen aber stört mich diese Abgehobenheit selbst erheblich. Ich kann das Sachsen-Bashing nicht nachvollziehen.
Es ist die Arroganz der Nomenklatur, bestehend aus Krawattenträgern, die überwiegend aus akademischen Berufen und da wiederum besonders aus der Rechtspflege kommend, die Parlamente okkupiert haben und die sich an grober Wortwahl stören. Man kann es auch so nennen: Die Bodenhaftung verloren haben.
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wann Gefahr droht, wann man ausgehebelt wird, wann man übergangen und vor vollendete Tatsachen gestellt wird, wann man seiner Heimat, seiner gewohnten Umgebung, seiner Lebensarbeitsergebnisse beraubt wird, muß man kein Abitur haben, kein Studium, keine Firma leiten. Dieses Gefühl müßen wir, also die Gesellschaft, auch denen zugestehen, die von der Hände Arbeit leben, arbeits- oder obdachlos sind, auf dem Lande leben, wo die Knete nie reicht, das Gebiet strukturschwach ist und der Patriotismus das ist, was besser Situierten die Weltläufigkeit. Also kommt mal von Eurem hohen Roß herunter. Nicht nur der "Braune Mob" von Clausnitz ist nun überall, sondern die Buchten, Container, Zelte und Illegalenbuden haben auch das letzte deutsche Kaff erreicht.
Das altbundesdeutsche akademische Proletariat kann mich mal
Auch auf FB habe ich einige Ossis und Sachsen als Freunde. Sie sind das, was ich mag: Bodenständig, direkt und mit einem Wertekanon der meinem entspricht. Das in die westliche Dekadenz hineinschlitternde altbundesdeutsche akademische Proletariat kann mich mal. Ich will keine Frühsexualisierung, keine Genderscheiße, keine Klimahysterie und ich will, bei der Zuwanderung in mein Umfeld, gefragt werden.
Nicht anders als die Dresdener, Heidenauer und Clausnitzer. Ich möchte ein farbiges Deutschland in dem sich eine kultivierte Gemeinde von Ausländern bereichernd und wohlerzogen einfügt, wo sich eben diese Ausländer sicher fühlen, arbeiten und uns da, wo wir es benötigen, ergänzen können. Ein Deutschland wo Touristen gerne hinfahren, sich umschauen und wieder in ihre Heimat zurückkehren. Ein buntes Deutschland der Zügellosigkeit, der Unbescheidenheit und der Forderungen an die arbeitende einheimische Bevölkerung will ich nicht.
Es mag sein, daß nicht alle Sachsen, wie auch alle Angehörigen anderer Stämme in Deutschland, die Chance hatten sich die Welt auf Reisen zu erschließen und die Reisefreiheit in Erkenntnisgewinn und Weltoffenheit umzumünzen. Ihnen deshalb Primitivität und Rassismus vorzuwerfen ist kontraproduktiv. Die Sachsen brauchen keine Tillichs und Gabriels die sie wie Kinder an die Hand nehmen und ihnen beibringen wie Politik auszusehen hat.
Ja, es gibt inzwischen auch in Sachsen - und da besonders in Dresden - etliche vom Virus westlicher Dekadenz infizierte Gutmenschen die krampfhaft bemüht sind Sachsen umzuformen. Überwiegend grünrote Bevormunder die sich hervorragend mit den Totalitaristen der SED-Nachfolgepartei PDS/LINKE paaren. Das sind Freiheitsfeinde die den sächsischen Nationalcharakter aushöhlen wollen.
Die Sachsen wissen seit 929 nach Chr. sehr gut selbst was ihnen guttut. Sie haben nicht die Gängelei der DDR überlebt um nun unter die Knute der nach Berlin umgezogenen „Bonner Ultras“ oder Brüsseler Mafia zu geraten. Mit meiner Einstellung kann ich Wahlsachse werden, klar. Da ich aber nicht dauernd umziehen kann und will, begleite ich die Sachsen zumindest mental freundlich und wohlwollend. Jaja, eine Weile „gonnde ich dähn Dialäggd nich mähr erdraachn!" Inzwischen kann ich.
Hans Wulsten stammt aus Berlin, war Unternehmer, hat die halbe Welt bereist, schöpft aus Erfahrungen, sieht sich als radikal-paläolibertär und in der Tradition der Österreichischen Schule. Wulsten ist seit 25 Jahren glücklich mit der Russin Svetlana verheiratet und hat mir ihr zwei Kinder.