Burkhard Müller-Ullrich / 23.04.2007 / 18:11 / 0 / Seite ausdrucken

Heute: Tag des Bieres. Bald: Tag des Biosprits.

Erst kam das Reinheitsgebot, dann das Dosenpfand: Bier ist so etwas von umweltfreundlich, daß man schon aus Naturschutzgründen täglich mehrere Liter trinken sollte. Während Wein Glykol, Wasser Schwermetall und Cola Cola enthält, ist Bier vom ersten bis zum letzten Schluck ein Bekenntnis zur deutschen Reinheit und insofern auch ein Politikum. Deswegen brauchen wir schnellstmöglich eine amtliche Mindestschluckverordnung, ein Gesetz zur Ankurbelung des dramatisch abnehmenden Bierkonsums. Denn schon haben uns die Tschechen und die Iren in der Trinkstatistik überholt. Vor allem die Stamm-Gruppe der Stammwürze-Fans, die 30- bis 45-Jährigen werden dem Bier in so beängstigenden Maße abtrünnig, daß man das Biertrinken nicht nur als Bürgerrecht betrachten, sondern mindestens zur Bürgerpflicht erklären sollte.

Bier ist bio: allein mit diesem Motto müßte es möglich sein, eine Quotenregelung durchzusetzen wie bei allem anderen, was bio ist – wie etwa dem Biobenzin. Seit Anfang dieses Jahres müssen Kraftstoffen ja Anteile von landwirtschaftlich erzeugtem Biosprit beigemischt werden – eine Vorschrift, die Europas Bauern glücklich macht, weil sie jetzt für Raps und Rüben viel mehr Geld verlangen können, als sie für zum Verzehr gedachte Lebensmittel je bekamen.

Zum Beispiel bauen sie deswegen immer weniger Gerste an. Gerste wird jedoch, siehe Reinheitsgebot, zum Bierbrauen gebraucht. Nachdem die deutsche Anbaufläche für Braugerste in den letzten fünfzehn Jahren bereits um die Hälfte zurückgegangen ist, wird es jetzt dank Biosprit richtig eng. Wenn nämlich die hochfliegenden EU-Pläne, denen zufolge in zwölf Jahren zehn Prozent aller Treibstoffe aus Biomasse stammen müssen, verwirklicht werden, dann bedeutet das nach derzeitigem Stand, daß ein Drittel aller Felder in Europa nur noch der Erzeugung von Kompost für die Ethanolgewinnung dienen.

Anders gesagt, es gibt einen Ausschließungszusammenhang zwischen Bier und Benzin: entweder Gerstensaft oder Dieselöl – man fragt sich übrigens, wie ausgerechnet die Schweden darauf kommen, Bier „Öl“ zu nennen. Jedenfalls wird das Bier teurer, weil die Gerste knapp wird, an deren Stelle jetzt sozusagen Chlorophyllmüll für die Energieerzeugung wächst. So kollidieren zwei Reinheitssymbole par excellence: Bio-Bier und Bio-Sprit. Man kann nicht beides haben. Und man soll es auch nicht. Biertrinken und Autofahren sind in der Tat höchst unverträglich. 

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